Endstation Mars

Film Endstation Mars (Mission Mars, USA 1968) Filmplakat

Mission Mars (USA 1968)

 

Regie: Nicholas Webster

Drehbuch: Michael St. Clair, nach einer Story von Aubrey Wisberg

Darsteller: Darren McGavin (Col. Mike Blaiswick), Nick Adams (Nick Grant), George De Vries (Duncan), Heather Hewitt (Edith Blaiswick), Shirley Parker (Alice Grant), Michael De Beausset (Cliff Lawson), Bill Kelly (Kosmonaut) u. a.

Produzent: Everett Rosenthal; Lawrence Appelbaum (assoziierter Produzent)

Companies: Sagittarius Productions; Red Ram Productions

Laufzeit: 95 Minuten; Farbe

Premiere: 20. Juli 1968 (USA); ca. 1978 (Deutschland, geschätzt aufgrund der Synchronisation)

 

Ein dreiköpfiges NASA-Astronautenteam startet zum ersten bemannten Flug zum Mars. Die Ehefrauen der beiden Astronauten Mike Blaiswick und Nick Grant haben darüber gemischte Gefühle und wollen ihre Männer am liebsten zurückhal­ten, doch lassen sich beide Raumfahrer ihren Pionierflug nicht entgehen. Nach dem Start und Andockmanö­ver im Erdorbit mit dem Versorgungsschiff bricht die Mars 1 zu ihrer Reise zum roten Planeten auf. Während des ein­tönigen, neun Monate dauernden Fluges muss das Schiff einem Schwarm von Meteoro­iden trotzen. Wenig später entdeckt die Crew zwei frei im All umhertrudelnde tote Kosmonauten und Raum­schiff­trümmer – sie bezeugen, dass der bereits Monate zuvor gestartete sowjetische Flug zum Mars in einer Katastro­phe endete.

 

Beim dramatischen Landeanflug auf den Mars ist die Annäherungsgeschwindigkeit anfangs viel zu hoch; dennoch ge­lingt in letzter Minute das Bremsmanöver und die Landung, und die Astronauten steigen in ihre Druckanzüge und son­dieren die Gegend. Sie stoßen auf einen weiteren Kosmonauten, bei dem die Kühlung des Druckanzugs ausgefallen war und der nun zu Eis erstarrt in der Landschaft steht, und bringen ihn an Bord der Mars 1. Wenig später stoßen die Astronauten auf eine fremdartige, plötzlich vor ihnen materialisierende Kreatur, die wie eine bizarre braune Pflanze aus­sieht, deren Arme in scheibenförmigen Sonnenkollektoren enden. Mit ihrem pulsierenden Auge wirft sie gleißende Lichtstrahlen auf die Astronauten, die daraufhin die Kreatur mit ihrem mitgeführten Gewehr niederschießen.

 

Die Astronauten kehren zum Schiff zurück und berichten der NASA-Bodenkontrolle unter der Leitung von Cliff Lawson von den Ereignissen. Lawson vermutet, dass die Kreatur, die er „Polarite“ tauft, ein Roboter sein könnte, der von einer fremden, feindseligen Spezies ferngesteuert wird, und gibt die Anweisung, aus Sicherheitsgründen sofort zur Erde zu­rückzukehren. Die Mars 1 kann jedoch nicht abheben, da sie von einer Kraft, die eine plötzlich neben dem Schiff mate­rialisierte Sphäre ausübt, am Marsboden festgehalten wird. Ein weiterer Polarite erscheint. Als Duncan die Sphäre un­tersuchen will, verbrennt der Polarite ihm mit seinem Lichtstrahl seine Augen und tötet ihn; die geöffnete Sphäre zieht den Leichnam in sich hinein. Nick Grant tritt ebenfalls der Sphäre entgegen, und es gelingt ihm, Kontakt mit ihr aufzu­nehmen. Die Sphäre fordert einen lebenden Menschen. Nick opfert sich gegen die verzweifelten Proteste von Blais­wick und tritt in die Sphäre ein – die daraufhin explodiert. Blaiswick kann gemeinsam mit dem Russen, der inzwi­schen aufgetaut und durch wundersame Weise wieder quicklebendig ist, von der Marsoberfläche starten und zur Erde zurückkehren. Während des Rückflugs teilt ihm seine Ehefrau per Funk die freudige Nachricht mit, dass er Vater wird.

 

Bizarres Marsabenteuer

 

Endstation Mars ist ein leidlich unterhaltsamer Low-Budget-Science-Fiction-Film, der mit Darren McGavin (1922–2006; Verschollen im Bermuda-Dreieck, 1977; Die Mars-Chroniken, 1980; Der City Hai, 1986) und Nick Adams (1931–1968; Bett­geflüster, 1959; Befehl aus dem Dunkel, 1965; Rufmord, 1963) sogar zwei bekannte Schau­spieler vorzu­weisen hat. Die visuellen Qualitäten des Films sind krude bis durchschnittlich. Das Tempo des Films ist schleppend, die Dramaturgie bleiern und dröge, und das vor Klischees strotzende Skript verstrickt sich zuneh­mend in Dummheiten und plot holes. Die Produktionswerte sind an allen Ecken und Enden begrenzt, und der übermä­ßige Einsatz von NASA-Aufnahmen von Teststarts unbemannter Saturn-IB- und Atlas-Raketen im Rahmen des Apollo-Mondflugpro­gramms kann seine kostengünstige Opportunität nicht verbergen. Beson­ders extrem ist die Verwendung einer NASA-Aufnahme, die das Abwerfen einer abgebrannten Raketenstufe zeigt (ein Clip übri­gens, der auch in der TV-Serie Kampfstern Galactica von 1978/79 einige Male eingesetzt wurde): Mehrmals wurde der Clip beim Start der Mars 1 ein­geschnitten; dann, rückwärts laufend, beim Andockmanöver mit dem Versorungs­schiff ver­wendet; erneut erscheint er beim Abwurf des Versorgungsschiffs während des Landeanflugs auf den Mars; schließlich wurde er noch einmal rück­wärts beim Lande­manöver selbst wiederholt.

Das Raumschiff Mars 1 aus Endstation Mars (Mission Mars, USA 1968)
Die Mars 1, verkoppelt mit ihrem Versorgungsschiff, auf dem Weg zum roten Planeten

Für hartgesottene Genrefans ist der Streifen dennoch interessant, insbesondere in seinen Marsszenen, die durchaus eine ansprechende, bizarre Atmosphäre zu erzeugen wissen. Der Film ist vielfach als lachhafter Trash geschmäht wor­den, doch das ist für meinen Geschmack angesichts wirklich mieser Trashgurken wie beispielsweise Plan 9 aus dem Weltall (1959) oder Cosmos: War of the Planets (1977) nicht verhältnismäßig. Die Macher von Endstation Mars waren erkennbar bemüht, mit wenig Geld einen ernsthaften und möglichst gut aussehenden Raumfahrtfilm auf die Beine zu stellen, und in einigen Bereichen haben sie das gar nicht einmal so schlecht hinbekommen.

 

Einerseits wirkt der Film mit seiner billigen Machart, seiner naiven Ernsthaftigkeit und seinem absurden Monsterplot wie aus der Zeit gefallen – wie ein typischer B-Movie der Fünfzigerjahre. Die aggressive Haltung der extraterrestri­schen „Polarites“ lässt insbesondere an den ähnlich billig produzierten Marsfilm Raumschiff MR-1 gibt keine Antwort (1959) von Ib Melchior denken. Die Marsianer dort sind ebenfalls feindselig und halten das Raumschiff, als es wieder zum Rückflug starten will, mit einem Kraftfeld zurück. Die ärmlichen Miniaturenaufnahmen erinnern zudem unglück­licherweise an zeitgenössische italienische Billigheimer wie beispielsweise Assignment Outer Space (1960). Das Modell der Mars 1 ist enttäuschend uninspiriert und extrem simpel – ein kleiner, dickbauchiger, rotweiß lackierter Zylinder mit Landetriebwerken und -Füßen. Im All zieht es in einer immergleichen Einstellung vor einem mit nur wenig Ster­nen besetzten schwarzen Hintergrund vorbei; auf einer Bunsenbrenner-Flamme landet es später in einer Modell­bau-Marslandschaft. Der Mars selbst, vom All aus betrachtet, wirkte schon in George Pals Die Eroberung des Weltalls (1955) eindrucksvoller. Hier sieht er nur wie eine pockennarbige, zum Teil grüngrau angeschimmelte Orange aus; in einer einzigen Einstellung immerhin wird die Abbildung eines Lowellschen Mars mit seinen typischen graublauen Wüs­ten­flächen verwendet. Die extreme Belastung des Schubs beim Raketenstart samt verzerrter Gesichter und der unver­meidliche „Meteoritensturm“ während der interplanetaren Reise wiederholen zuguterletzt satt­sam bekannte Raum­fahrtfilm-Klischees.

Der Mars, vom Weltraum aus gesehen, in dem Film Endstation Mars (Mission Mars, USA 1968)
Der Mars

Andererseits hat der Film auch einen sehr zeitgenössischen Sixties-Anstrich, und das nicht nur wegen der Pop-Rock-Ballade „No More Tears“ der Band Quorum Forum, die, mit einem nervtötenden, quäkig-dudeligem Keyboard instru­mentiert, in voller Länge als Titelsong verwendet wurde. Die NASA-Bilder der Saturn IB-Testflüge, die für den Start der Mars 1 herhalten mussten, waren damals hochaktuell und verleihen dem Start durchaus eine gewisse Authentizität. Wenn der Start dann mit dem Strandspaziergang der zurückbleibenden Ehefrau des Kommandanten der Mission zu­sammengeschnitten wird, die nachdenklich zur aufsteigenden Rakete aufblickt, während diese am Himmel immer kleiner und kleiner wird, entbehrt das nicht einer gewissen Wirkung.

 

Regisseur Nicholas Webster (1912–2006) und sein Cutter Paul Jordan haben zudem einige effektvolle, sehr schnelle, fast psychedelisch wirkende Schnitte und extreme Close-Ups eingesetzt – im Albtraum von Blaiswicks Ehefrau am Anfang des Films und während des Raketenstarts –, um das Tempo zu erhöhen und dem Film einen interessanteren Look zu geben. Bemerkenswert ist auch der Versuch, die langweilige Routine während der neunmonatigen Reise zum Mars darzustellen: Man sieht die Raumfahrer beim Kochen mit Astronautenpillen, die sich in Dampfgarern zu Ome­letts verwandeln, beim Fitnesstraining, beim Schachspielen und beim gegenseitigen Haareschneiden; gleichzeitig erläu­tern sie in langen Monologen eine Menge astrophysikalischer Fakten über den Mars, etwa über seine Entfernung, über die Länge seines Tages oder über seine Oberflächentemperaturen. In Vielem davon zeigt sich der Film im Einklang mit dem damaligen Forschungsstand.

Darren McGavin, George De Vries und Nick Adams auf dem Mars in dem Film Endstation Mars (Mission Mars, 1968)
"No visible sign of life" – dieser Eindruck der Astronauten wird sich bald ändern

Die Marslandung wird dann sehr grobschlächtig gehandhabt. Sobald das Raumschiff den Mars erreicht hat, setzt es sofort zur Landung an, ohne zuvor in einen Orbit einzutreten. Statt das Versorgungsschiff im Orbit zu parken, wird es mit auf die Oberfläche genommen, allerdings während des ruppigen Flugs durch die Marsatmosphäre in 600 Metern Höhe abgesprengt. Die ferngesteuerte Landung des Versorgungsschiffs misslingt, sodass es unkontrolliert abstürzt, doch fragt man sich, weshalb nicht auch der komplette Stapel von Mars 1 und Versorgungsschiff in einem Stück hätte landen können.

 

Der Bühnenbau der Marslandschaft ist zwar beengt und einfach, aber doch recht gut gelungen. Er lässt an ähnlich sparsame Sets aus der originalen Star Trek-Serie (1963–66) denken. Als Druckanzüge der Astronauten wurden simple weiße Schwimmanzüge und Motorradhelme (!) verwendet, die natürlich am Hals offen sind und daher viel Spott auf sich gezogen haben (dazu unten mehr). Die Modelle der „Polarites“ sehen recht seltsam aus, wie in Tanzposen erstarr­te Orchideen. Sie sind außerirdisch genug und hätten gewiss noch erheblich mehr Wirkung entfaltet, wenn sie in Be­wegung animiert worden wären. Trotz aller erwähnter Defizite gelingt es dem Film aber doch, auf dem Mars eine unheimliche Stimmung zu erzeugen, wofür vor allem die bizarre elektronische Sci-Fi-Soun­duntermalung à la Bebe und Louis Barron sorgt. Hübsche Schockmomente liefern am Ende die Blendung und Tötung Duncans (beachte, dass Grant zuerst feindselig handelt und auf die Sphäre schießt!) und Grants Opfertod in der extraterrestrischen Sphäre.

Der außerirdische Roboter Polarite auf dem Mars im Film Endstation Mars (Mission Mars, USA 1968)
Ein "Polarite" – keine tanzende Marspflanze, sondern ein feindseliger Roboter

Das größte Manko des Films liegt in seinem unausgegorenen Drehbuch, das immerhin auf eine Story von Aubrey Wisberg (1909–1990) zurückgeht, dem Ko-Autor des kleinen, feinen Genreklassikers The Man from Planet X (1951). Die Herkunft und die Motivation der Außerirdischen bleibt dunkel – weshalb fordern sie beispielsweise einen lebenden Menschen? –, und warum die Sphäre, in die Grant am Ende eintritt, plötzlich explodiert, wird auch nicht klar. Dass der NASA-Missionsleiter Lawson auf der Erde aus dem Nichts eine ausgefeilte Theorie über die von ihm so genannten „Po­larites“ aus dem Hut zaubert, ist selbstredend völlig unwissenschaftlich und absurd. Außerdem springen einige ne­bensächliche Dummheiten ins Auge – zum Beispiel der Russe, der wieder zum Leben erwacht, die Funkverbindung zwi­schen Mars und Erde, die nicht zeitverzögert ist, oder der Umstand, dass der auffällig schießwütige Astronaut Grant ein Gewehr mit auf einen Planeten genommen hat, von dem vor dem Start angenommen wurde, dass er unbe­wohnt ist.

 

Regisseur Nicholas Webster hat in seiner langen Karriere fast ausschließlich fürs Fernsehen, unter anderem für TV-Serien wie Mannix, Bonanza oder Die Waltons, gearbeitet. Vier Jahre vor Endstation Mars hatte er fürs Fernsehen den berüchtigten Kinderfilm Santa Claus Conquers the Martians (1964) gedreht, der im Fandom bekannt wie ein bunter Hund ist und traditionell als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten gilt. Neben Endstation Mars hat Webster nur noch einen weiteren Film fürs Kino inszeniert: die Südstaatenkomödie Gone Are the Days! (auch Purlie Vicorious, 1963), vielleicht Websters bestes Werk.

 

Endstation Mars wurde nicht in Hollywood, sondern in einem kostengünstigen Filmstudio in Miami, Florida gedreht. Der Sohn des Regisseurs, Lance Webster (geb. 1943), war damals mit 24 Jahren als Produktionsassistent bei den Dreh­arbeiten dabei gewesen. In einem Beitrag in der IMDb erzählte er, dass die marsianische Landschaft mit Tonnen von Sand und Pappmachéfelsen nur deshalb in einer Studiohalle hergerichtet wurde, weil zuvor ein Tornado die mühsam unter freiem Himmel aufgebaute Marslandschaft zerstört hatte. Beim Hereinfahren des Sands in die Halle war dann auch noch ein Lastwagen in eine Grube des Studiofußbodens gekracht, und es hatte einen ganzen Tag gedauert, ihn wieder aus der Grube zu ziehen. Schließlich klärte Webster auch die Frage auf, wie es denn zu den berüchtigten Motorradhelmen auf dem Mars ge­kommen war – eine Anekdote, die hier zum Schluss zum besten gegeben werden soll:

 

Als Darren McGavin zum ersten Mal seinen Helm aufgesetzt hatte, passte er schlecht und zerquetschte ihm die Nase, sein pro­minentestes Gesichtsmerkmal. Verärgert riss er den Helm herunter, warf ihn gegen die Bühnenwand (er zerbrach), stampfte vom Mars-Bühnenbild und schwor, nicht wieder zurückzukehren, bis das Problem gelöst sei. Da Zeit Geld war und Geld Mangelware bei diesem Ultra-Low-Budget-Film, eilte der Designer des Films hinaus – vielleicht bestürzt – und kaufte und bemalte ein paar Motorradhelme. Ich, als Laufbursche und einzige Person im Team, die Schreibmaschine schreiben konnte, sollte rasch ein paar Dialogzeilen schreiben, die erklären sollten, dass die Crew auf der Erde vor Kurzem entdeckt hatte, dass es genügend Sauerstoff in der Marsatmosphäre gäbe, womit nur einfachere Helme für eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigt würden. [ . . . ] Und so war Darren noch am selben Tag zurück am Set.

 

 

© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 13. Juli 2016

Szenenfotos © 2016 EuroVideo Medien GmbH