Krieg der Welten

War of the Worlds (USA 2005)

 

Regie: Steven Spielberg

Drehbuch: David Koepp und Josh Freedman, nach dem Roman Krieg der Welten (1897) von H. G. Wells

Darsteller: Tom Cruise (Ray Ferrier), Dakota Fanning (Rachel Ferrier), Justin Chatwin (Robbie Ferrier), Tim Robbins (Harlan Ogilvy), Miranda Otto (Mary Ann), Rick Gonzalez (Vincent), Yul Vazquez (Julio), Lenny Venito (Manny, der Mechaniker), Ann Robinson (Großmutter), Gene Barry (Großvater) u. a.

Produzenten: Kathleen Kennedy, Colin Wilson

Companies: Paramount Pictures, Dreamworks SKG, Amblin Entertainment, Cruise/Wagner Productions

Laufzeit: 116 Minuten; Farbe

Premiere: 23. Juni 2005 (USA); 14. Juni 2005 (Deutschland)

 

Ray Ferrier ist ein einfacher Mann. Er arbeitet als Kranführer im Hafen von New Jersey, bewohnt eine Bruchbude in einem ärmlichen Stadtviertel und ist geschiedener Vater zweier Kinder, Robbie und Rachel, die bei ihrer Mutter leben. Als Ferrier an einem Wochenende die Kinder zu sich nehmen muss, weil seine Exfrau mit ihrem neuen Mann nach Bos­ton fahren will, geschieht Unheimliches. In einem lautlosen und unwirklich erscheinenden Gewitter fallen sämtliche elektrischen Geräte aus, und ungewöhnlich viele Blitze schlagen an immer denselben Stellen im Bo­den ein. Wenig später bricht an den Einschlagstellen die Erde auf, und gigantische dreibeinige Maschinen – „Tripods“ – erheben sich aus dem Erdreich und beginnen, mit Energiestrahlen Menschen und Gebäude in Staubwolken zu ver­wandeln.

 

Die Menschen fliehen in heilloser Panik. Ray gelingt es, das einzige funktionierende Auto des Ortes zu ergattern, und versucht, sich mit seinen beiden Kindern nach Boston durchzuschlagen. Unterwegs erfährt er von einem Fernsehteam, dass die Tripods überall sind und weltweit ihren Angriff auf die Menschheit begonnen haben. Das Ziel der außerirdi­schen Insassen in den Kampfmaschinen ist die Auslöschung der Menschheit und die Anpassung der Erde an ihre eige­nen Lebensbedingungen. Das Waffenarsenal der den Kampf aufnehmenden Armee erweist sich gegen die energeti­schen Schutzschilde der Tripods als völlig wirkungslos. Ray Ferrier muss einen mörderischen Kampf ums Überleben seiner Kinder durchstehen und sieht um sich die Zivilisation in Scherben fallen. Es scheint keine Hoffnung mehr zu geben . . .

 

Das Weltende als mörderischer Horrortrip

 

Krieg der Welten ist einer der besten Science-Fiction-Filme der letzten 20 Jahre. Das sage ich trotz vieler negativer Kritiken, die der Film einstecken musste, und einer nur flauen Nutzerbewertung bei IMDb von nur 6,5 von 10 Punkten (bei Rotten Tomatoes kommt der Film mit 75 % deutlich besser weg). Ich habe lange keinen derart packenden und mark­erschütternden Science-Fiction-Film mehr gesehen. Der in Rekordzeit von zehn Monaten für etwa 132 Millio­nen Dollar produzierte Film ist ein weiterer Beleg dafür, wie virtuos Steven Spielberg, der Großmeister des Blockbus­ter-Kinos, sein Handwerk versteht. Gekonnt spielt er auf der Klaviatur der nackten Angst. Der Zuschauer erlebt hautnah die erbarmungslose Ausrottung der gesamten Menschheit, der unerbittliche Zerfall der Zivilisation, ein höllisches Sodom und Gomorrah. Nichts kann die Aliens aufhalten, die Menschen stehen ihrer Vernichtung vollkommen hilflos gegen­über. Spielberg hat die Gnadenlosigkeit der literarischen Vorlage Krieg der Welten (1897) von H. G. Wells nicht ver­kannt und setzt sie konsequent um – konsequenter und schonungsloser, als die berühmte Erstverfilmung Kampf der Welten (1953) von George Pal und Byron Haskin je hätte sein können. Es ist eine schlichte Wahrheit: Wenn Aliens, die uns technologisch ganze Zeitalter voraus sind, die Erde angreifen würden, wäre es mit unserer Zivilisation vorbei. Es gäbe keine Rettung.

 

Bereits der Beginn des Infernos (nach etwa einer Viertelstunde) ist ein entsetzlicher Albtraum. Die furchterregenden, hoch über der Stadt aufragenden Tripods zerstrahlen die Menschen zu Staub, und die Hauptfigur Ray Ferrier ent­kommt diesem Inferno nur knapp und durch puren Zufall; völlig verstört kehrt er mit Leichenstaub bedeckt heim. Fes­selnder, fühlbarer lässt sich die mitleidlose Ausrottung kaum darstellen. Das Grauen wird im weiteren Verlauf immer weiter gesteigert, bis hin zur schockierenden, ekelhaften Demonstrierung dessen, was die Aliens mit der verbliebenen Menschheit vorhaben: Sie saugen den Menschen mit metallischen Skorpionstacheln das Blut aus den Körpern, um damit ihre rote, glibberige Alien-Vegetation zu düngen, die sich allmählich über das ganze Land ausbreitet und die Erde außerirdisch „terraformen“ soll. Hier ist Spielberg vom Splattergenre nicht mehr weit entfernt, auch wenn die Vorgänge nur halb gezeigt, halb angedeutet werden. Aber auch hier ist der Film konsequent – und nah an der litera­rischen Vorlage. Diese Aliens kennen keine Gnade, die Menschen sind ihnen kaum mehr als Nutztiere, niedere Kreatu­ren, über die man das vollste Recht hat, sie zum eigenen Nutzen zu „verwerten“.

Ein Tripod in einer Szene aus "Krieg der Welten" (War of the Worlds, USA 2005)
Ein Tripod erhebt sich über der Stadt – und beginnt seinen Vernichtungsfeldzug

Gewiss, der Film ist auch ein perfekt getrickstes, rasantes Actionspektakel, und das Gesetz des Actionstreifens fordert nun einmal, dass die Hauptfiguren immer wieder mit knappster Not den spektakulärsten Gefahren entkommen. „Un­realistisch“ nörgelt hier nur der, der generell mit Action im Kino nichts anfangen kann oder will. Die Figuren bleiben bei allen Zerstörungsorgien aber immer passiv, sind die Gejagten. Nur an einer einzigen Stelle hat Tom Cruise – gegen Wells’ Roman – eine typisch amerikanische Heldenszene: Er zerlegt einen Tripod mit Handgranaten, und der Zuschauer darf jubeln. Doch dieser hoffnungsvolle Moment hält nicht lange an, sofort darauf werden wieder die Daumenschrau­ben angezogen.

 

Immer wieder gelingen Spielberg großartige apokalyptische Bilder: Leichen, die auf einem Fluss treiben. Ein brennen­der Zug, der führerlos durch einen Bahnübergang braust. Ein wütender, mörderischer Mob, der sich für ein Fluchtauto aufknüpft. Eine von Menschen überquellende Fähre, die von den Tripods zum Kentern gebracht wird. Ferrier, der auf einer Anhöhe über die blutgetränkte Landschaft Neuenglands blickt. Die Tripods werden von schauerlichen, unirdisch klingenden Sounds untermalt: Wenn sie wie mordende Herden über das Land ziehen, verständigen sie sich mit einem entsetzlich dröhnenden, tiefen Basston. Der Ton kündet von der Anwesenheit der Tripods und lässt den Menschen im Film wie im Publikum das Blut in den Adern gefrieren. An anderen Stellen ist das Marschieren der Tripods als ständi­ges, rhythmisches Stampfen zu hören, ein nicht minder eindringliches Geräusch. Die Tripods sind wundervoll getricks­te Figuren: gigantische, dreibeinige Kampfmaschinen, die wahrhaft fremdartig wirken und endlich das überzeugend auf der Leinwand verkörpern, was sich H. G. Wells in seinem Roman ausgemalt hatte.

 

Bacilli ex machina oder Das Happy End, das keines ist

 

Dass die Aliens am Ende Knall auf Fall alle an irdischen Bakterien sterben, ist für den Zuschauer die lang ersehnte Erlö­sung nach dem Horrortrip. Es ist offensichtlich, dass dieses überstürzte Happy End völlig unrealistisch ist, und viele Kritiker waren deshalb mit diesem Ende auch nicht einverstanden. Der Hinweis auf die Treue zur literarischen Vorlage hilft auch nicht weiter. Wenn die Aliens die Erde lange vor der Invasion studiert haben wie behauptet, hätte ihnen das bakterielle Risiko natürlich auffallen müssen. Das unrealistische Ende war schon bei H. G. Wells ein Zugeständnis an sein Publikum gewesen. Es enthält zudem eine starke idealistische Komponente: „Dieser Planet gehört uns!“ Bei Wells wird der Bezug auf den Idealismus oder gar die Religion – die Rettung erfolgt durch „die kleinsten Kreaturen, die Gott geschaffen hat“ – zumeist als satirische Spitze gegen das viktorianische, gottvertrauende Bürgertum interpretiert, denn Wells hat stets bekannt, selbst mit Religion nichts am Hut zu haben. Wells’ Happy End ist demnach verkappter Spott. So ähnlich lässt sich das auch in Spielbergs Film sehen: Das Happy End, garniert noch mit sonnigen Bildern, in denen die verkrachte Patchwork-Familie des Helden wieder zusammenfindet, bedient die Erwartungshaltung des nach Erlösung dürstenden Publikums, und sie erfüllt wie in einem Märchen Spielbergs ewige Sehnsucht nach der hei­len Familie – aber es ist derart unrealistisch, dass es eigentlich abzuziehen ist. Übrig bleibt die bittere, unabwendbare Apokalypse.

 

Das zuckrige Happy End, von vielen Kritikern dankbar aufgegriffen und als klischeehafte, aber vergebliche Feier der heilen Familie gebrandmarkt, kann somit gar nicht der Kern des Films sein. Ein anderes Haar in der Suppe waren die Figuren. Ob man den einfachen Kranführer Ray Ferrier nun symphatisch findet oder nicht, weil er seine Ehe vergeigt hat, seinen Kindern nichts zu essen kocht und keine Ahnung von der Erdnussallergie seiner Tochter hat, ist Ge­schmackssache. Gewiss ist Ferrier, überzeugend dargestellt von Tom Cruise, ein typischer Spielberg-Held: Ein einfa­cher, kleinbürgerlicher Amerikaner aus der Mitte der Gesellschaft, mit Familienproblemen belastet, aber mit dem Her­zen eines Löwen. Er ist arm, hat seine Fehler, Ecken und Kanten, aber letztlich ist er doch ein aus ehrlichem Holz ge­schnitzter all american boy. Im Angesicht der tödlichen Bedrohung reift er zum Held, um endlich handfeste Verant­wortung für seine Kinder zu übernehmen und ihr Überleben zu sichern. In Ausnahmesituationen beweist er auffällig viel Schläue und Brutalität, sodass sein Handeln manchmal unrealistisch erscheint. Andererseits ist dieser Einwand vielleicht unberechtigt, denn ohne Ferriers Findigkeit und Durchsetzungsvermögen wären er und seine Kinder eben umgekommen, und Ferrier wäre das falsche Exempel, um die Ereignisse zu erzählen.

 

Dakota Fanning spielt Rays Tochter überraschend ausdrucksstark – Unbehagen, Angst, Entsetzen und Panik gelingen ihr mimisch gut. Allerdings, und das überschattet leider ihre gesamte Darstellung, geht ihr ständiges helles Gekreische gewaltig auf die Nerven, und ihre übertriebene Hysterie will auch nicht recht zu ihrem ansonsten starken Charakter passen. Auch Justin Chatwin als Rays jugendlicher Sohn Robbie überzeugt, obwohl auch er eine brüchig geschriebene Rolle verkörpern muss. Zu Beginn des Films gelingt es ihm hervorragend, die pupertären Reibereien mit seinem Vater, den er als Verlierer ansieht, glaubwürdig darzustellen. Doch als die Familie später auf der Flucht auf Truppenverbände stößt, die gerade in vergeblichen Gefechten mit den Tripods verwickelt sind, will Robbie sich plötzlich unbewaffnet und ohne jedwede militärische Ausbildung den Soldaten anschließen, um das Vaterland zu verteidigen! Nach einem kurzen Streit gibt Ray seinem Sohn schließlich seinen Segen und lässt ihn den von Flammen erhellten Hügel hinauflau­fen, hinter dem die Aliens gerade kurzen Prozess mit der schwer gepanzerten Armee machen. Dümmlicher und un-glaubwürdiger kann man das Verhalten eines Heranwachsenden – und seines Vaters – kaum hinstellen, und so hat diese in jeder Hinsicht haarsträubend dumme Szene zu Recht geharnischte Kritik auf sich gezogen. Sie ist der peinliche Tiefpunkt des Films.

 

Der Mord im Keller

 

In einer der spannendsten Sequenzen in H. G. Wells’ Roman versteckt sich die Hauptfigur über längere Zeit mit einem verwirrten Kuraten (einem anglikanischen Hilfspriester) im Keller eines zerstörten, verschütteten Hauses. Irgendwann droht der Kurat, die Marsianer, die direkt vor den Trümmern des Hauses lauern, auf sich aufmerksam zu machen, so­dass Wells’ Hauptfigur gezwungen ist, den Kuraten niederzuschlagen. Kurz darauf bemächtigen sich die Marsianer des leblosen Körpers, und es bleibt offen, ob der Kurat da bereits tot ist. Als ein metallischer Tentakel in den Keller hinein­fährt, um ihn tastend zu erkunden, versteckt sich der Protagonist unter einem Haufen Kohlen. George Pal und Byron Haskin übersetzten diese Sequenz in ihrer Verfilmung von 1953 in den Aufenthalt des fliehenden Liebespaares in einem halb zerstörten Farmhaus. Der erkundende Tentakel verfügte nun über ein Videoauge, und es gibt auch anders als im Roman eine direkte Begegnung mit einem leibhaftigen Marsianer. Allerdings bleibt es dem Helden im Film erspart, einen vor Angst irre gewordenen Geistlichen niederzuschlagen.

 

Steven Spielberg kombiniert den Roman und George Pals Film, indem bei ihm die Sequenz wieder in einem Keller stattfindet und auch der Wahnsinnige, der unterirdisch überleben will – großartig verkörpert von Tim Robbins –, als Figur wieder eingeführt ist. Die Szene, in der das suchende Videoauge der Aliens im Keller herumfährt, während die Menschen sich schwitzend verstecken, ist überaus spannend inszeniert – obwohl ich mich schon gefragt habe, wes­halb das Videoauge über keine Infrarot-Sensorik verfügt und sich mit einem einfachen Spiegel austricksen lässt. Wie bei George Pal besuchen kurz darauf leibhaftige Aliens das Gemäuer. Sie haben wie in Pals Film filigrane, lange Glieder mit langen Fingern, die in saugnapfartigen Verdickungen enden (sodass Spielberg am Ende des Films die berühmte Szene wiederholen kann, in der aus der Luke eines gestürzten Tripods eine Alienhand herausgreift und schließlich stirbt); ihre Haut ist jedoch nicht mehr rot, sondern graubraun, und ihre Köpfe mit den großen milchigen Augen wirken entfernt affenartig. Insgesamt sind sie als Aliens respektabel, wenn auch etwas konventionell.

Tim Robbins, Tom Cruise und Dakota Fanning in "Krieg der Welten" (War of the Worlds, USA 2005)
Harlan Ogilvy (Tim Robbins), Ray Ferrier (Tom Cruise) und seine Tochter Rachel (Dakota Fanning) im Keller

Die Figur des Wahnsinnigen im Keller, Harlan Ogilvy, ist ein höchst interessanter Widerpart zu Ferrier, und es ist scha­de, dass sie nicht mehr Raum erhielt. Wie der Kurat bei H. G. Wells beginnt Ogilvy irgendwann, laut zu brüllen, sodass er das Versteck aller zu verraten droht. Dass Ferrier ihn daraufhin vorsätzlich und kühl berechnend ermordet, ist eine erhebliche Abweichung von der literarischen Vorlage. Bei Wells will der Kurat aus dem Keller hinauslaufen und sich den Marsianern schreiend entgegenwerfen, sodass die Hauptfigur panisch hinter ihm her stürmt und mit allen Mitteln aufzuhalten versucht:

 

Ich streckte meine Hand aus und tastete nach dem Hackmesser, das an der Wand hing. Wie ein Pfeil schoss ich dem Kuraten nach. Ich war ganz toll vor Angst. Ehe er in der Mitte der Küche war, hatte ich ihn eingeholt. Mit einem letzten Funken von Menschlichkeit drehte ich die Schneide um und schlug mit dem Rücken des Messers nach ihm. Er stürzte kopfüber hin und lag ausgestreckt am Boden. Ich stolperte über ihn und blieb atemlos stehen. Er lag ganz still da. (H. G. Wells, Krieg der Welten, S. 254)

 

Was bei Wells vom Ich-Erzähler als eine panische, rasch ausgeführte Affekthandlung dargestellt wird, wird bei Spiel­berg zu einem überlegten, zynisch inszenierten Mord. Ferrier verbindet seiner Tochter die Augen und lässt sie wäh­rend seiner Bluttat ein Kinderlied (!) singen, damit sie nicht hört, was sein Vater tun wird. Dass sie weiß, was geschieht, ist dennoch offensichtlich – so fragt sie anschließend nicht, wo Ogilvy geblieben ist. Der Mord wird von einer rohen Wildwest-Mentalität motiviert, die Europäer eher befremdet, und ist neben Robbies patriotischem Aufbruch die zwei­te große Schwachstelle des Films. Weshalb bemüht sich Ferrier nicht, Ogilvy nur zu überwältigen, zu fesseln und zu knebeln? Und wäre es nicht doch möglich gewesen, aus dem Keller zu fliehen, statt Ogilvy zu erschlagen? Mindestens diese beiden Optionen wären naheliegender gewesen als ein eiskalt geplanter und ausgeführter Mord, durch den Ray Ferrier in den Augen des Publikums erheblich an Symphatie einbüßt.

 

Von EMPs und anderen Logiklöchern

 

Die bisher aufgezeigten Schwachstellen offenbaren, dass das Drehbuch von David Koepp und Josh Freedman von eini­gen Unstimmigkeiten und logischen Schwächen belastet ist. Es ist zwar sinnvoll, dass die Aliens nicht länger vom Mars kommen (ihre Herkunft bleibt offen). Überhaupt nicht sinnvoll dagegen ist, dass ihre Kampfmaschinen bereits Jahrtau­sende oder gar Jahrmillionen im Erdboden versteckt gewesen sein sollen, nur um nach all den Zeitaltern in beeindru­ckenden Bildern aus dem Straßenbelag hervorzubrechen und die Menschen, die zum Zeitpunkt des erstmaligen Alien­besuchs auf der Erde noch gar nicht da gewesen waren, mit Energiestrahlen zu grillen. Die im Erdboden konservierten Alienmaschinen mögen eine Remineszenz an Nigel Kneales und Roy Ward Bakers Das grüne Blut der Dämonen (1967) sein, wie Glenn Erickson auf seiner Webseite DVD Savant vermutet. Nur trägt dieser mögliche Rückbezug, den das breite Publikum auch kaum erkennen dürfte, nichts zum Verständnis bei. Der sich über Jahrtausende erstreckende, umständliche und undurchsichtige Plan der Aliens ist, man mag es drehen und wenden wie man will, schlichtweg un­sinnig und unglaubwürdig.

 

Bei näherem Hinsehen zeigen sich weitere Mängel. So wurde die „Kellersequenz“ unnötigerweise verdoppelt, indem Ray, Robbie und Rachel sich erst im Keller des Hauses von Rays Exfrau und ihrem neuen Mann verschanzen, wo sie albtraumhafte Gefahren durchstehen müssen – ein von den Aliens abgeschossener Jumbojet stürzt auf das Haus –, um im weiteren Verlauf der Handlung auf Harlan Ogilvy zu treffen und sich ein zweites Mal in einem Keller wiederzufin­den. Spielbergs Regie wirkt an einigen Stellen etwas zu routiniert. Die Flucht inszeniert Spielberg manchmal in redun­danten Bildern, und das Versteckspiel mit dem Videoauge im Keller erinnert an das Versteckspiel mit den Velocirapto­ren in der Küche in Jurassic Park (1993). Reichlich oft verwendet Spielberg seine Lieblingseinstellung: das langsame Heranfahren der Kamera auf ein Gesicht, das mit großen Augen und offenstehendem Mund gerade etwas Unglaubli­ches wahrnimmt. Dass Ray zu Beginn des Films mit dem einzig noch funktionierenden Auto auf dem Highway stets eine Lücke zwischen all den liegengebliebenen Fahrzeugen findet, ist ebenso unglaubwürdig wie das aufgeräumte Trümmerfeld des abgestürzten Jumbojets, in dem keinerlei Leichen zu sehen sind.

 

Irritierend ist auch, dass Steven Spielberg einen offensichtlichen Logikfehler des „Originals“ von 1953 wiederholt, und zwar die leidige Sache mit dem elektromagnetischen Impuls (EMP), durch den die Aliens alle technischen Geräte lahmlegen. In George Pals Film funktioniert plötzlich nichts mehr, kein Licht, kein Telefon, keine Armbanduhr – bis auf die Autos. In Spielbergs Film funktionieren nach dem EMP auch die Autos nicht mehr, dafür bleiben aber merkwürdi­gerweise Camcorder, Straßenbeleuchtungen und Fernsehkameras intakt. In beiden Filmen sind technische Probleme schon in der nächsten Szene kein Thema mehr. In beiden Filmen ist der EMP die Ankündigung einer unheimlichen be­vorstehenden Bedrohung, in beiden Filmen dient er somit allein dem Spannungsaufbau, verträgt sich jedoch nicht mit dem weiteren Verlauf der Story, die ja einen Krieg erzählen will. Und dafür muss die Armee immerhin noch schießen können – wenn auch vergeblich.

 

Einige der Schwächen von Krieg der Welten lassen sich vielleicht mit der extrem eiligen Produktion des Films erklären. Ein Remake von George Pals Klassiker von 1953 war schon länger angedacht gewesen, doch als das Projekt schließlich grünes Licht erhielt, verblieben bis zum anvisierten Kinostart nur zehn Monate. Vom ersten Drehtag bis zur Veröffentli­chung lagen sogar nur sieben Monate! Damit ILM die computergenerierten Spezialeffekte herstellen konnte, wurden alle Actionszenen zu Beginn der Dreharbeiten gefilmt. Die Eile ist vielleicht auch dafür verantwortlich, dass die welt­weite Alieninvasion in Spielbergs Film nur auf das unmittelbare Umfeld von Ray Ferrier beschränkt bleibt – anderswo stattfindende Verwüstungen zeigt der Film nicht. Krieg der Welten war schließlich ein großer Erfolg: Er spielte bei 132 Millionen Dollar Produktionskosten weltweit 591,7 Millionen Dollar wieder ein.

 

Terroristen aus dem All?

 

Steven Spielberg selbst und auch die Filmkritik haben viel Aufhebens darum gemacht, dass Krieg der Welten ein Film „nach 9/11“ ist. Anspielungen auf das traumatische Erlebnis, das genauso unerwartet und heftig wie die Aliens im Film über Amerika hereinbrach, werden in Krieg der Welten denn auch ziemlich plakativ eingestreut. Der Leichenstaub, der Ray bedeckt; Rachels Frage, ob der Angriff von Terroristen herrühre; der lange Zaun, der mit Hunderten von Vermiss­tenanzeigen beklebt ist – all dies will überdeutlich den Horror von 9/11 wiederaufrufen und so die entsetzliche Wir­kung des Films steigern. Eine ernstzunehmende Reflexion über 9/11 ist Krieg der Welten jedoch kaum, und so halte ich den vorgeblichen allegorischen Sinn auch für prätentiös. Krieg der Welten hat nicht mehr mit 9/11 zu tun als George Pals Verfilmung mit dem zuvor durchlittenen Zweiten Weltkrieg. Die Resonanzen sind zweifellos da und erfüllen auch ihren emotionalen Effekt – aber sie erhellen nicht das tatsächlich erlebte tödliche Fiasko.

 

Ebenso sind Interpretationen zu hinterfragen, die Krieg der Welten als tiefschürfende Reflexion über den Zustand Amerikas in der Bush-Ära auszulegen versuchen. Es ist wohl wahr, dass Spielberg uns in Krieg der Welten ein anderes Amerika zeigt als das sonnige und irgendwie auch naiv anmutende Amerika der Siebzigerjahre in seinem optimisti­schen Unheimliche Begegnung der dritten Art (1977), als die Regierung fremden Besuchern noch wohlmeinend gegen­übertrat und diese friedfertigen Besucher Kontakt mit dem Edlen im Menschen suchten. „Noch nie war das Gegen­warts-Amerika in einem Steven-Spielberg-Film so schmutzig“, befindet Georg Seeßlen in seiner Kritik auf der Website Filmzentrale. Gewiss. Die Zeiten waren andere damals, wie auch Steven Spielberg selbst ein anderer war. Doch jeder Film ist immer auch ein Spiegel seiner Zeit, sodass die Differenz kaum wunder nimmt. In ihr höhere Aussageziele, eine gallige Kritik am Gesellschaftszustand der USA oder an Bushs Krieg im Irak erkennen zu wollen, legt für meine Begriffe zuviel in den Film hinein. H. G. Wells hat in seinem Roman explizit eine Analogie der Alieninvasion zum britischen Kolo­nialismus gezogen, wenn er die Ausrottung der Tasmanier kritisiert:

 

Und bevor wir sie zu hart beurteilen, müssen wir uns erinnern, mit welcher schonungslosen und grausamen Vernichtung unsere eigene Gattung [ . . . ] gegen unsere eigenen inferioren Rassen gewütet hat. Die Tasmanier wurden trotz ihrer Menschenähnlich­keit in einem von europäischen Einwanderern geführten Vernichtungskrieg binnen fünfzig Jahren völlig ausgerottet. Sind wir solche Apostel der Gnade, dass wir uns beklagen dürfen, wenn die Marsleute uns in demselben Geist bekriegen? (H. G. Wells, Krieg der Welten, S. 13)

 

In Steven Spielbergs Krieg der Welten fehlt der entsprechende Fingerzeig, der auf Amerika selbst zurückwiese. Krieg der Welten mag als Psychogramm eines Amerika „nach 9/11“, das ein Stück weit das Vertrauen in sich selbst verloren hat, funktionieren – als Selbstkritik funktioniert er nicht.

 

Wenn die Sozialkritik à la Wells keine Rolle mehr spielt, wovon handelt der Film dann? Nun, wie wäre als Antwort das, was tatsächlich zu sehen ist? Zumindest Science-Fiction-Begeisterte können mit dieser Antwort gut leben. Krieg der Welten hat das alte Thema der Alieninvasion, von dem es lange schien, dass Roland Emmerich es mit seinem heillos hohlen Independence Day (1996) im Kino ein für alle Mal ermordet hatte, wiederbelebt. Im Gegensatz zu Emmerich zeigt Spielberg, wie ein Ausrottungsfeldzug von Aliens tatsächlich ablaufen würde: unbarmherzig und unaufhaltsam – und damit ohne einen Funken Hoffnung auf Rettung (erinnerlich ist das Happy End bei H. G. Wells und bei Steven Spielberg nur eine irrelevante, märchenhafte Dreingabe fürs Publikum). Krieg der Welten ist der definitive Alieninva­sionsfilm, an dem sich alle künftigen Filme mit derselben Thematik messen lassen müssen.

 

Großartige Science-Fiction

 

Eine ganze Schar von Schwächen ist in dieser Besprechung von Steven Spielbergs Krieg der Welten zur Sprache ge­kommen. Doch während all diese Mängel oft zum Anlass genommen wurden, den Film insgesamt schlecht zu bewer­ten, halte ich ihn trotzdem für großartig. Als Liebhaber von Science-Fiction-Filmen ist man es gewohnt, mit unlogi­schen Einzelheiten und Wendungen in der Erzählung konfrontiert zu werden. Eine gewisse Toleranz in dieser Hinsicht befreit und steigert mithin das Vergnügen – andere Science-Fiction-Filme treiben es hinsichtlich ihrer Unlogik weitaus bunter.

 

Gewichtiger sind andere, begeisternde Dinge. Krieg der Welten ist ein düsterer, kompromissloser Horrortrip, der dra­maturgisch und tricktechnisch brillant inszeniert wurde, eine wuchtige Bildersprache entwickelt und auch schauspie­lerisch vollauf überzeugt. Noch nie wurden eine apokalyptische Alieninvasion und ihre Folgen so mörderisch, so mark­erschütternd, so mitreißend und so deprimierend hoffnungslos auf der Kinoleinwand erzählt. Dem Genrekenner ge­fallen überdies die relativ starke Treue zur literarischen Vorlage und die zahlreichen Verweise auf George Pals „Origi­nal“ von 1953. Ein packender Film.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 30. September 2016

Szenenfotos © Paramount Pictures/Dreamworks SKG