Auf dem Kometen

DVD-Cover zu dem Film "Auf dem Kometen" (Na Komete, CSSR 1970) von Karel Zeman; Icestorm 2011

Na Kometě (CSSR 1970)

 

Regie: Karel Zeman

Drehbuch: Jan Procházka und Karel Zeman, nach dem Roman Reise durch die Sonnenwelt (Hector Servadac, 1877) von Jules Verne

Kamera: Rudolf Stahl. Schnitt: Josef Valusiak. Musik: Luboš Fišer

Darsteller: Magda Vásáryová (Angelika), Emil Horváth (Oberleutnant Servadac), František Filipovský (Oberst Picard), Cestmír Randa (spanischer Konsul), Josef Vetrovec (Sejk), Jirina Jirásková (Ester), Vladimír Mensik (Silberman), Miroslav Holub (Hikmet), Karel Effa (Corporal Ben), Josef Hlinomaz (Kapitän Lacoste) u. a.

Companies: Filmové Studio Gottwaldov; Filmové studio Barrandov; Krátký Film Praha

Laufzeit: 74 Minuten; Farbe

Premiere: 9. Oktober 1970 (CSSR); 26. März 1971 (DDR); 12. Februar 1977 (USA)

 

Nordafrika im Jahre 1888, in einem französischem Kolonialgebiet. Hector Servadac ist ein französischer Oberleutnant, der mit Landvermessungsarbeiten beauftragt ist. Eine von ihm auf dem Basar erworbene Postkarte, auf der eine wun­derschöne Frau abgebildet ist, lässt ihn während seiner Vermessungsarbeit nahe einer Steilklippe von eben dieser Frau fantasieren. Kurz darauf fällt Servadac durch einen Fehltritt von der Klippe und stürzt ins Meer. Er wird von einer Frau ans Ufer gezogen, die der Frau auf der Postkarte exakt gleicht. Sie heißt Angelika, ist Spanierin und kurz zuvor von ei­nem Schiff von spanischen Waffenschmugglern geflohen. Von Beginn an funkt es zwischen den beiden jungen Leuten.

 

Die französische Festung, in der Servadac stationiert ist, wird von einem Beduinenscheich und seinem Gefolge be­droht, die die Franzosen mit Waffengewalt vertreiben wollen. Heimlich unterstützt werden sie dabei vom spanischen Konsul, der im Auftrag seiner Regierung die Herrschaft der Franzosen in Nordafrika brechen will. Da erscheint ein rie­siger Komet am Himmel. Als er dicht an der Erde vorbeifliegt, wird das französische Fort, der angrenzende Basar und die Umgebung samt aller Menschen emporgerissen und auf den Kometen verpflanzt. Die Erde entfernt sich langsam am Himmel, und die vom Kometen Mitgerissenen erkennen, dass sie sich auf einem anderen Himmelskörper befinden.

Die Franzosen wollen ihre Herrschaft auch auf dem Kometen etablieren und lassen alle Nicht-Franzosen internieren. Servadac und Angelika müssen indessen auf der Hut sein, da sowohl Angelikas Brüder als auch der spanische Konsul, der sich nicht nur im Waffen-, sondern auch im Sklavenhandel betätigt, hinter Angelika her sind. Als plötzlich Herden von furchteinflößenden Dinosauriern auftauchen, erweisen sich die Kanonen und Gewehre der französischen Soldaten als nutzlos; das Geklapper von Blechtöpfen und -Geschirr hingegen vertreibt die Saurier. Daraufhin befiehlt der Oberst der Festung, alle Waffen wegzuwerfen und die Soldaten stattdessen mit Blechgeschirr auszustatten.

 

Die Beduinen bemächtigen sich dankbar der französischen Waffen und greifen mit ihnen das Fort an. Bevor sie den Sieg davontragen können, erscheint jedoch der Mars am Himmel und nähert sich immer mehr dem Kometen. Servadac berechnet, dass der Komet mit dem Mars kollidieren wird. Da nun alle annehmen, dass sie schon sehr bald sterben werden, begraben sie ihre Konflikte und schließen Frieden. Die Franzosen, die Beduinen und die Spanier werden ein Herz und eine Seele und feiern miteinander. Als jedoch der Komet unerwarterweise doch am Mars vorbeizieht, drohen die alten Konflikte wieder aufzubrechen. Servadac kann jedoch alle erfolgreich dazu ermahnen, den Frieden zu wahren und die edle Utopie einer friedfertigen Zivilisation auf dem Kometen aufzubauen.

 

Damit ist es jedoch endgültig vorbei, als der Komet dicht an der Erde vorbeizieht und alle wieder zurück auf die Erde versetzt werden. Der Krieg zwischen den kolonialen und einheimischen Parteien bricht wieder aus. Servadac stürzt erneut ins Meer und wird diesmal von seinem ihm zugeteilten Unteroffizier gerettet. Er erkennt, dass alles nur ein Traum gewesen ist . . .

 

Eine hübsch-nostalgische, an Jules Verne angelehnte Posse

 

Auf dem Kometen war nach Die Erfindung des Verderbens (1958) und Das gestohlene Luftschiff (1967) die dritte und letzte Jules-Verne-Verfilmung des tschechischen Regisseurs und Trickfilmers Karel Zeman (1910–1989). Wobei „Verfil­mung“ eigentlich zuviel gesagt ist, denn der Film lehnt sich nur sehr lose an Jule Vernes Roman Hector Servadac – Voyages et aventures à travers le monde solaire (1877) an. Der Roman, der in Deutschland ab 1878 unter dem Titel Reise durch die Sonnenwelt und später auch unter den Titeln Reise durch das Sonnensystem oder Servadacs Welt­raumreise erschienen ist, erzählt davon, wie ein Stück nordafrikanisches Land von einem vorbeiziehenden Kometen aus der Erde herausgebrochen und ins All mitgerissen wird. Der französische Hauptmann Hector Servadac und die 35 übrigen Menschen, die mitsamt dem Landstück auf den Kometen befördert wurden, erkennen zunächst überhaupt nicht, was geschehen ist, und wundern sich nur über die veränderte Natur: So ist beispielsweise die Schwerkraft plötz­lich deutlich vermindert, und die Sonne geht nicht mehr wie gewohnt im Osten auf. Der Roman dreht sich hauptsäch­lich um die Erkundung dieser neuartigen Phänomene und der veränderten Umgebung. Am Ende, als sich der Komet erneut der Erde annähert, gelingt es den Menschen, mit einem Heißluftballon wieder zur Erde zurückzukehren – wo absurderweise der Verlust eines Teils von Nordafrika noch gar nicht bemerkt worden war.

Szenenfoto aus dem Film "Auf dem Kometen" (Na Komete, CSSR 1970) von Karel Zeman
Die französischen Soldaten in Nordafrika lassen sich nicht beirren, als ein riesiger Komet drohend am Himmel erscheint

Vom Plot des Romans wurde in Karel Zemans Verfilmung lediglich die Reise auf dem Kometen – der in der deutschen Übersetzung durchgängig als „Planet“ bezeichnet wird – und die Figur des Hector Servadac übernommen. Es gibt im Roman keine Angelika, keine Dinosaurier, keine französische Garnison und auch keine Beduinen, Spanier und Englän­der, die die Franzosen bekriegen. Zeman macht aus Vernes abstruser Abenteuergeschichte eine grillenhafte Posse, in der die Kolonialmächte Frankreich und England genüsslich veralbert werden und die Moral von der Geschicht’ den kleinlichen Unsinn aller Kriege anprangert und zur friedlichen Verbrüderung aller Völker mahnt. Stellenweise ist das durchaus humorvoll – etwa wenn der von František Filipovský (1907–1993) wundervoll verkörperte Festungskomman­dant Oberst Picard seine martialischen Beschlüsse mit einem Schlag auf seinen Schreibtisch unterstreicht und ihm da­bei jedes Mal Putz- und Mörtelstaub aus der beschädigten Decke auf den Kopf rieselt oder die französischen Truppen auf Befehl des Oberst ihre Waffen wegwerfen und durch an Stäbe angebundene, klappernde Kochtöpfe ersetzen.

 

Für den Science-Fiction-Freund ist die Handlung des Films gleichwohl eine Enttäuschung, denn mit Science-Fiction hat der koloniale Schwank nur sehr wenig zu tun. Als die Menschen auf den Kometen versetzt sind, sind sie nicht etwa er­staunt über die höchst ungewöhnliche, fantastische Situation; stattdessen machen alle einfach so weiter wie bisher, indem sie sich weiterhin wie gewohnt bekämpfen. Selbst das Erscheinen von Dinosauriern löst kein besonderes Er­staunen aus. Zuguterletzt macht das Ende des Films klar, dass das gesamte Abenteuer nur ein Traum von Servadac ge­wesen ist – womit der Zuschauer sich ein Stück weit an der Nase herumgeführt fühlt.

Szenenfoto aus dem Film "Auf dem Kometen" (Na Komete, CSSR 1970) von Karel Zeman; Dinosaurier
Die französische Kolonialarmee ist machtlos, als auf dem Kometen plötzlich Dinosaurier auftauchen

Seine mit Abstand beste Jules-Verne-Adaption hatte Karel Zeman mit dem wunderbaren Film Die Erfindung des Ver­derbens (1958) geschaffen, der eine einzigartige, nostalgische Atmosphäre erzeugte, indem er in sämtlichen Szenen den gezeichneten visuellen Eindruck der Holzstich-Illustrationen der Jules-Verne-Ausgaben des 19. Jahrhunderts nach­ahmte. Auch hier in Auf dem Kometen erzeugt Zeman einen träumerisch-nostalgischen Touch, indem er den Vorspann mit alten Postkarten der Jahrhundertwende gestaltet und den gesamten Film in einem gelbstichigen Sepiaton ein­färbt, womit er alte Fotos nachempfindet. Und wie schon in seinen früheren Filmen kombiniert Zeman meisterhaft ge­zeichnete und gemalte Kulissen mit Realaufnahmen. Dennoch erreicht Auf dem Kometen nicht die tricktechnische Klasse und Originalität von Die Erfindung des Verderbens. Leider wirkt die Animation ausgerechnet in den Szenen, in denen der Komet, der Mars oder andere Himmelskörper am Himmel auftauchen, besonders künstlich und unglaubwür­dig. Enttäuschend sind auch die animierten Tricks, in denen die Menschen und ihre Gebäude in den Himmel emporge­rissen werden und auf dem Kometen in exakt derselben Anordnung wieder landen. Besser gelungen sind dagegen die Stop-Motion-Effekte mit Dinosauriermodellen oder die Animation der gigantischen Seeschlange, der Servadac auf hoher See begegnet.

Szenenfoto aus dem Film "Auf dem Kometen" (Na Komete, CSSR 1970) von Karel Zeman; Magda Vásáryová und Emil Horváth
Angelika (Magda Vásáryová) und Hector Servadac (Emil Horváth) halten fest zueinander

So bietet Auf dem Kometen eine recht schöne und nostalgische Atmosphäre, die trotz der massiven Änderungen der Handlung den richtigen Jules-Verne-Ton trifft. Unterstützt wird der positive Eindruck von den sympathischen Haupt­darstellern Magda Vásáryová (geb. 1948) und Emil Horváth (geb. 1945) sowie der gelungenen Musikuntermalung von Luboš Fišer (1935–1999). Der Film ist jedoch nur am Rande Science-Fiction und in erster Linie ein schalkhafter Kommen­tar auf Nationalismus, Imperialismus und Krieg. Er bleibt letztlich ein possierliches, leicht albernes Kolonialabenteuer, dessen visuelle Qualitäten nur zum Teil überzeugen. Gut unterhalten hat mich der Film gleichwohl.

 

Bleibt noch anzumerken, dass Jules Vernes Roman Hector Servadac noch zwei weitere filmische Adaptionen erfahren hat: zum einen mit dem extrem billigen Film Valley of the Dragons (1961) von Edward Bernds, der dort zahlreiche Sze­nen aus älteren Filmen verwendet hatte, und mit dem charmanten, knapp 50 Minuten langen Zeichentrickfilm Reise durch die Sonnenwelt – Der geheimnisvolle Planet (Off the Comet, Australien 1979) von Richard Slapczynski.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 7. März 2019

Szenenfotos © Ateliéry Bonton Zin a.s.; Icestorm