Die Frauen von Stepford

The Stepford Wives (USA 2004)

 

Regie: Frank Oz

Drehbuch: Paul Rudnick, nach dem Roman The Stepford Wives (1972) von Ira Levin. Kamera: Rob Hahn. Schnitt: Jay Rabinowitz. Musik: David Arnold

Darsteller: Nicole Kidman (Joanna Eberhart), Matthew Broderick (Walter Kres­by), Bette Midler (Bobbie Markowitz), Glenn Close (Claire Wellington), Christo­pher Walken (Mike Wellington), Roger Bart (Roger Bannister), David Marshall Grant (Jerry Harmon), Jon Lovitz (Dave Markowitz), Faith Hill (Sarah Sunder­son), Matt Malloy (Herb Sunderson), Lorri Bagley (Charmaine Van Sant), Robert Stanton (Ted Van Sant) u. a.

Produzenten: Donald De Line, Gabriel Grunfeld, Scott Rudin, Edgar J. Scherick

Companies: Paramount Pictures; DreamWorks; Scott Rudin Productions; De Line Pictures. Laufzeit: 93 Minuten; Farbe

Premiere: 11. Juni 2004 (USA); 15. Juli 2004 (Deutschland)

 

Joanna Eberhart ist die taffe Geschäftsführerin eines großen Fernsehsenders, eine knallharte Managerin, der die Ein­schaltquoten über alles gehen. Als aus einer ihrer zynischen Reality-TV-Shows ein Kandidat psychisch gebrochen her­vorgeht und mehrere Menschen niederschießt, wird Joanna der fallenden Sender-Aktienkurse wegen gefeuert und erleidet anschließend einen Nervenzusammenbruch. Ihr fürsorglicher Ehemann Walter, der ebenfalls beim Fernsehsen­der gearbeitet hat, kündigt daraufhin und zieht mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern in das makellos saube­re, makellos reiche und fast reinweiße Städtchen Stepford in Connecticut, einer gated community, in die am Tor nur hineinfahren darf, wer auch dorthin gehört. Walter hofft, dass sich dort seine Frau wieder erholt und sich auch ihre Ehe, die Joanna wegen ihrer Karriere arg vernachlässigt hatte, wieder beleben wird.

 

Schon bald ist Joanna von Stepford irritiert, denn so makellos die Häuser und Rasenflächen sind, so makellos präsen­tieren sich auch die wunderschönen Frauen. Stets geschminkt und in bunten, adretten Kleidern herausgeputzt, lieben sie das Kochen, Backen und die Hausarbeit über alles und sind auch ihren Ehemännern gegenüber stets devot und ge­fügig. Die Männer indes haben sich in einem verschworenen Herrenclub organisiert, dem sich auch bald Walter an­schließt. Während Joanna sich mit ihrer alles andere als makellos perfekten und freigeistigen Nachbarin Bobbie und dem ebenso unkonventionellen schwulen Nachbarn Roger anfreundet, wird Walter vom Herrenclub bald über ein un­geheures Geheimnis aufgeklärt: Die Mitglieder des Clubs haben ihre Frauen, die einst allesamt selbstbewusste Karrie­refrauen in Führungspositionen gewesen waren, durch willenlose, sexuell höchst attraktive Roboter ersetzt, die sie per Fernbedienung steuern können. Von Walter erwarten sie, dass auch er seine eigenwillige Gattin durch einen Roboter ersetzen lässt. Wird Walter seine Frau verraten und der Verlockung einer ferngesteuerten Ehefrau nachgeben?

 

Totalausfall im „Kampf der Geschlechter“

 

Frank Oz’ Film ist das Remake des Science-Fiction-Thrillers Die Frauen von Stepford (1975) von Bryan Forbes (1926–2013), der seinerseits auf dem gleichnamigen, 1972 erschienenen Roman von Ira Levin (1929–2007; Rosemaries Baby) ba­siert. Die Originalverfilmung traf, wenn sie auch damals an den Kinokassen nur mäßig erfolgreich war, genau den Nerv der Zeit: Sie entstand, als in den westlichen kapitalistischen Gesellschaften das Ideal der sich auf­opfernden Voll­zeit-Hausfrau und Mutter als soziale Norm noch Gültigkeit beanspruchte, gleichzeitig aber die Bewe­gung der Frauen­befrei­ung gegen diese Norm ankämpfte und die berufliche und persönliche Selbstverwirklichung der Frau einforderte. Das im Originalfilm satirisch überspitzte Thema war zeitgeschichtlich aktuell und relevant.

 

Knapp 30 Jahre später war die Frauenbefreiung und weibliche Selbstverwirklichung längst in der Gesellschaft ange­kommen – wenngleich noch immer nicht in allen Hinsichten erfüllt. Insofern ist es kurios, dass sich anno 2004 Filmpro­duzenten anschickten, ausgerechnet ein Remake von Die Frauen von Stepford, einem scheinbar veralteten Film, der herme­tisch im soziohistorischen Kontext der Siebzigerjahre eingekapselt ist, in die Kinos zu bringen. Der Erfolg des Pro­jekts würde ganz davon abhängen, ob es gelänge, das Thema des Geschlechterkampfes in Hinblick auf die neuen Be­gebenheiten des 21. Jahrhunderts zu modernisieren, ohne dabei das Grundthema der Frauen von Stepford komplett zu verlieren. Leider jedoch gelingt dem 90 Millionen Dollar teuren, an den Kinokassen gefloppten Remake dieser Spa­gat nicht; mehr noch: Der Film versagt auf ganzer Linie und fährt seinen Erzählstoff mit Volldampf gegen die Wand.

Szenenfoto aus "Die Frauen von Stepford" (The Stepford Wives, USA 2004) von Frank Oz
Die Frauen von Stepford anno 2004

Regisseur Frank Oz (geb. 1944) und sein Drehbuchautor Paul Rudnick (geb. 1957) ließen den ernsten Ton und die horri­ble Thriller-Atmosphäre der Originalverfilmung vollständig fallen und machten aus dem Stoff eine völlig überdrehte, lärmende Farce, komplett mit dümmlichen Slapstick-Einlagen (wie z. B. einem von der Treppe fallenden Roboterhund), aufdringlich lustiger Filmmusik, einem obligatorischen Klischee-Schwulen und überzuckertem Happy End plus aufge­setzter, Hollywoodscher Feelgood-Message. Das versammelte Star-Ensemble (Nicole Kidman, Matthew Broderick, Bette Midler, Glenn Close und Christopher Walken) kann die desaströs missratene Show leider auch nicht retten, im Gegenteil: Die Darsteller chargieren völlig übertrieben und lösten in mir nur Mitleid und Fremdschämen aus – die Höchststrafe für Schauspieler. Das gilt auch für die von anderen Kritikern in diesem Film in der Regel gelobten – oder besser: in Schutz genommenen – Bette Midler, die tatsächlich nicht mehr zustande bringt als einen faden Aufguss ihrer üblichen quirligen Rollen. Oz’ Verfilmung scheint im Nachhinein zu beweisen, dass anno 1975 Bryan Forbes mit seiner Treue zur literarischen Vorlage eben doch richtig und sein Drehbuchautor William Goldman falsch lag, der sich den Stoff als satirische Komödie und nicht als Suspense-Thriller vorgestellt hatte. Damals hatte er sich mit dieser Idee beim Regisseur nicht durchsetzen können – zum Glück.

 

Wogegen sollten sich die Lachsalven denn auch richten? Gegen die Männer, die so unglaublich erbärmlich sind, sich statt einer lebendigen Frau aus Fleisch und Blut einen sklavisch ergebenen Roboter zu wünschen? Gegen die sexisti­schen Vorstellungen dieser Männer vom perfekten Frauenkörper, an dem sich per Knopfdruck nach Belieben die Brüs­te aufpumpen lassen? Gegen die Jämmerlichkeit von Frauen, die dem Stepford-Ideal im wahren Leben unter Aufgabe ihrer Freiheit und Selbstbestimmung verbissen nachzueifern versuchen?

Szenenfoto aus "Die Frauen von Stepford" (The Stepford Wives, USA 2004) von Frank Oz; Glenn Close, Nicole Kidman, Bette Midler
Im "Literaturkreis" von Stepford werden nur Geschenkebücher und Haushaltsratgeber diskutiert

All dies soll in Frank Oz’ Remake wohl tatsächlich verlacht werden – doch wer soll darüber lachen? Findet hier eine Ge­sellschaft ihren aktuellen Geschlechterkampf wieder und kann sich darüber amüsieren oder nicht? Sind Männer wirk­lich so? Das Happy End, das uns einen geläuterten Walter Eberhart präsentiert, scheint das offenbar zu dementieren. Und sind Frauen wirklich so? Wohl auch nicht, denn auch Joanna geht, den Hollywoodschen Genregesetzen gehor­chend, geläutert und „vermenschlicht“ aus dem Stepford-Abenteuer hervor. Jeder Gag, jeder Fingerzeig und jede sati­rische Pointe verpufft, weil überall nur grelle Albernheiten hervorgekehrt werden und die Witzigkeit dem Zuschauer mit dem Holzhammer eingebleut wird. Die Filmemacher begingen einen fatalen Fehler, als sie ihre Stepford-Frauen nicht der Gegenwart anpassten – denn hierin hätte wirklich satirisches Potenzial gesteckt, das auf unsere Zeit bezo­gen ist. Das von der Werbung und der nimmersatten Konsumgesellschaft transportierte blitzsaubere Ideal des perfek­ten, wohlhabenden Spießerlebens in einem großen Haus im Grünen mit vorzeigbaren Ehefrauen, vorzeigbaren Kindern und allen luxuriösen Annehmlichkeiten ist ja durchaus ein realer, machtvoller Bezugspunkt in unserer Gesellschaft, heute vielleicht noch stärker als damals, aber dieses Ideal sieht ganz gewiss nicht mehr so aus wie in diesem Film. Hier wird ganz bewusst nicht einmal mehr auf die Siebziger-, sondern, wie der Vorspann und der Zeichentrick-Werbefilm des Stepforder Herrenclubs klar macht, auf die noch sexistischeren Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre, also auf die Zeiten vor der feministischen Bewegung zurückgegriffen, und die Stepford-Frauen des Jahres 2004 sehen plötzlich aus wie Petticoats und Schürzen tragende, überzogene Karikaturen von Fünfzigerjahre-Hausfrauen, deren höchster kultu­reller Genuss ein altbackener barn dance ist. Was soll dieses nostalgische Zerrbild, das sich allenfalls verstockteste, erzkonservative Kleingeister zurücksehnen, mit der Lebenswelt von 2004 zu tun haben?

 

Besonders sauer stößt die zynische Darstellung von Karrierefrauen auf, die den Verdacht aufkommen lässt, es bei den Machern des Films tatsächlich mit verkapptem männlichem Sexismus zu tun zu haben. Bryan Forbes’ Film hatte un­missverständlich auf der Seite seiner sympathischen Heldin Joanna gestanden und ihre bedrückende Lebenssituation in wahrhaftig anrührender Weise zum Ausdruck gebracht. Frank Oz präsentiert uns dagegen seine Protagonistin als eine abstoßende, eiskalte TV-Produzentin, der selbst die Ermordung der in ihren Reality-Shows verheizten Kandidaten völlig egal ist. Soll hier etwa die taffe Karrierefrau satirisch verspottet und als monströse Endstufe der Frauenbefreiung bloßgestellt werden? Nicole Kidmans Joanna ist überspannt, erleidet nach ihrer Entlassung einen Nervenzusammen­bruch, und ihre Ehe mit Walter ist, wie der Zuschauer bald erfährt, aufgrund ihres Karrierestrebens auch seit Längerem eingeschlafen. Als Walter sie als „neurotisches, kastrierendes, männerhassendes Karrierebiest“ bezeichnet, gibt sie ihrem Mann sogar recht und gelobt Besserung! Ein bisschen Stepford könnte den Karrierefrauen also durchaus nicht schaden, scheint der Film dem Zuschauer hier sagen zu wollen. Im Remake geht es nicht mehr um die Befreiung der Frauen vom Joch der patriarchalen Strukturen, sondern um die Befreiung der rachsüchtigen Männer von den Karriere­zicken, zu denen ihre von der Leine gelassenen Frauen mutiert sind. Alle Frauen in Stepford, so findet Joanna nach einer Weile heraus, waren einst so mächtige und erfolgreiche CEOs wie sie selbst – und ihre schlappschwänzigen Gat­ten, die wie Walter ja ach so sehr darunter zu leiden hatten, dass sie im Schatten ihrer Frauen standen, waren nur mit dem Ziel nach Stepford gezogen, wieder die Kontrolle über ihre Frauen zurückzuerlangen. Ist das nun unser zeitgenös­sischer Geschlechterkampf? Oder nur der alte, verstockte Chauvinismus durch die Hintertür?

Szenenfoto aus "Die Frauen von Stepford" (The Stepford Wives, USA 2004) von Frank Oz; Matthew Broderick, Nicole Kidman
Walter (Matthew Broderick) und Joanna (Nicole Kidman) haben sich scheinbar gut eingefügt

Zu allem Überfluss scherten sich die Filmemacher auch noch einen Dreck um ihre Science-Fiction-Zutaten – und ver­kauften damit ihre Zuschauer erst recht für dumm. Bryan Forbes’ Film wurde schon oft für seine unglaubwürdige Prä­misse, die mit lebensechten Androiden rechnet, gescholten, doch war dort das Science-Fiction-Element immerhin konsequent durchgehalten worden und ansonsten der perfekte weibliche Roboter ohnehin nur ein letztlich neben­sächliches Vehikel für den sozialsatirischen Gehalt. Die Erschaffung und die Funktionsweise der Roboter wurde in der Originalverfilmung beispielsweise nie gezeigt. Frank Oz hingegen hat zu­nächst viel Freude daran, seine weiblichen Androiden als solche in Szene zu setzen: Sie werden per Fernbedienungen gesteuert, bewegen sich bisweilen eckig und selbstvergessen, spucken wie Geldautomaten Banknoten aus und sprü­hen Funken, wenn sie Fehlfunktionen ha­ben. Am Ende aber stellt sich heraus, dass die Frauen von Stepford in Wirk­lichkeit sie selbst sind – nur wurden sie mit ins Gehirn implantierten Computerchips umprogrammiert, und Walter ge­lingt es, diese Programmierung wieder rück­gängig zu machen. Die unverhohlen widersprüchliche Konzeption der Stepford-Frauen tritt die Intelligenz des Publi­kums mit Füßen und ist ein weiteres trauriges Beispiel dafür, was ge­schieht, wenn Leute Science-Fiction produzieren, die keinerlei Respekt für das Genre haben.

 

Satirisch hat der Film somit dem Publikum von heute nichts Substantielles zu sagen, in Hinblick auf chauvinistische Vorurteile ist er suspekt, und als Parodie ist er erbärmlich aufdringlich und kaum zu ertragen. Wenn es stattdessen da­rum gegangen wäre, die Geschlechterrollen der Fünfziger- und Sechzigerjahre im Spiegel unserer heutigen Zeit auf die Schippe zu nehmen – wie es der Film in Ansätzen zu versuchen scheint –, so erledigte das Peyton Reeds umwerfende Komödie Down with Love – Zum Teufel mit der Liebe! (2003), eine clevere Parodie auf die Sex Comedies der Sechzi­gerjahre mit Doris Day, um Klassen besser und konsequenter. Frank Oz’ Die Frauen von Stepford hingegen ist nichts als eine banale, nervtötende Klamotte, ein schlimmer Rohrkrepierer, den man besser schnell vergisst.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 20. Dezember 2018