Jurassic World: Das gefallene Königreich

Poster zu dem Film "Jurassic World: Das gefallene Königreich" (Jurassic World: Fallen Kingdom, USA 2018)

Jurassic World: Fallen Kingdom (USA 2018)

 

Regie: J. A. Bayona

Drehbuch: Derek Connolly und Colin Trevorrow

Kamera: Oscar Faura. Schnitt: Bernat Vilaplana. Musik: Michael Giacchino

Darsteller: Chris Pratt (Owen Grady), Bryce Dallas Howard (Claire Dearing), Rafe Spall (Eli Mills), Isabella Sermon (Maisie Lockwood), Justice Smith (Frank­lin Webb), Daniella Pineda (Zia Rodriguez), James Cromwell (Benjamin Lock­wood), Toby Jones (Mr. Eversol), Ted Levine (Ken Wheatley), BD Wong (Dr. Wu), Geraldine Chaplin (Iris), Jeff Goldblum (Ian Malcolm) u. a.

Produzenten: Frank Marshall, Belén Atienza und Patrick Crowley

Companies: Amblin Entertainment; Legendary Entertainment; Perfect World Pictures; Universal Pictures

Laufzeit: 128 Minuten; Farbe; 2D und 3D

Premiere: 6. Juni 2018 (Deutschland); 22. Juni 2018 (USA)

 

Drei Jahre, nachdem der Freizeitpark „Jurassic World“ auf Isla Nubar vor der Küste Costa Ricas von den Dinosauriern zerstört wurde und pleite gegangen ist, steht der größte Vulkan auf der Insel kurz vor einem verheerenden Ausbruch. Um die auf der Insel frei herumlaufenden Dinosaurier zu retten und damit ihr zweites Aussterben zu verhindern, hat Claire Dearing, die ehemalige Parkmanagerin der „Jurassic World“, eine Aktivistengruppe gegründet, um Fördergelder für eine Umsiedlung der Tiere auf ein anderes, sicheres Eiland einzuwerben. Nach einer warnenden Expertise von Ian Malcolm, dem Chaosforscher und ehemaligen Berater des alten „Jurassic Park“, lehnt der US-Kongress jedoch jegliche Unterstützung der Rettung der geklonten Urzeittiere ab.

 

Da meldet sich Eli Mills, der Haus- und Vermögensverwalter des steinreichen Sir Benjamin Lockwood, bei Claire. Lock­wood war der einstige Partner von John Hammond in der Entwicklung der Technologie des Dinosaurierklonens und will das Erbe ihrer gemeinsamen Arbeit bewahren. Mills lädt die Aktivistin in Lockwoods riesiges, mit Saurierskeletten und -Exponaten vollgestopftes Anwesen in Nordkalifornien ein, wo Mills und Lockwood ihr erklären, dass sie das Pro­jekt der Saurierumsiedlung finanzieren wollen. Da Mills darauf besteht, dass auch der Dinosaurier-Trainer Owen Grady mit von der Partie ist, sucht Claire ihn auf und überredet ihn, zusammen mit ihr und zwei weiteren jungen Aktivisten, der Tierärztin Zia Rodriguez und dem Computerexperten Franklin Webb, noch einmal nach Isla Nubar zurückzukehren.

 

Auf der Insel hat Mills die Evakuierung der Dinosaurier und ihre Verladung auf ein Schiff bereits anlaufen lassen; ge­leitet wird die Operation von einem schwer bewaffneten Team unter Führung des raubeinigen Großwildjägers Ken Wheatley. Nachdem Owen den einst von ihm aufgezogenen und dressierten Velociraptor „Blue“ auf der Insel aufge­spürt und Wheatleys Leute das Tier eingefangen haben, lähmen sie unerwartet Owen mit einem Betäubungspfeil, ent­führen Zia und schließen Claire und Franklin in der ehemaligen Steuerungszentrale der „Jurassic World“ ein. Claires Team wurde ausgetrickst: Mills verfolgt nämlich ohne Lockwoods Wissen ganz andere Pläne mit den eingefangenen Dinosauriern und will sie weltweit meistbietend an superreiche Interessenten verkaufen – als Kuriositäten und Luxus­accessoires, vornehmlich jedoch als Waffen. „Blue“ mithilfe von Owen einzufangen war Mills wichtig, da Dr. Wu, der ehemalige leitende Gentechniker der „Jurassic World“, in den Laboratorien in den Kellergewölben von Lockwoods An­wesen noch immer neue Saurierarten züchtet und für ihre Perfektionierung die Gene von „Blue“ benötigt.

 

Claire und Franklin können sich bald aus ihrer Falle befreien, während Owens Betäubung nach einer Weile nachlässt. Gemeinsam gelingt es ihnen nach einer hochdramatischen Flucht vor dem ausbrechenden Vulkan, sich in letzter Se­kunde auf das Transportschiff für die Dinosaurier zu schmuggeln, bevor das Schiff ablegt und die Insel hinter ihnen von vulkanischen Aschewolken verschluckt wird. Mills kriminelle Pläne zu durchkreuzen und die Dinosaurier vor dem Ver­kauf zu retten wird für Claire, Owen, Zia und Franklin jedoch zu einer tödlich gefährlichen Aufgabe . . .

 

Die Saurierhatz geht weiter – auf dem Festland . . .

 

Es ist schon erstaunlich, aber das Publikum scheint Dinosaurier zu lieben! Nachdem Steven Spielbergs spektakulärer Blockbuster Jurassic Park (1993) kommerziell alle damaligen Rekorde brach, war es auch den beiden Sequels Vergesse­ne Welt: Jurassic Park (1997) und Jurassic Park III (2001) gelungen, schwindelerregende Gewinne einzufahren – obgleich sie künstlerisch weitaus weniger überzeugend waren als der erste Film. 14 Jahre später griff Colin Trevorrows Jurassic World (2015) das Franchise wieder auf – und erzielte bei einem Bugdet von etwa 150 Millionen Dollar ein weltweites Einspielergebnis von sagenhaften 1,6 Milliarden Dollar – das fünftbeste Einspielergebnis aller Zeiten. So war es eigent­lich fast schon eine sichere Sache, dass auch das Sequel Jurassic World: Das gefallene Königreich satte Gewinne ein­fahren würde. Und so kam es auch: Während sich die Produktionskosten diesmal auf etwa 170 Millionen Dollar beliefen (andere Quellen prahlen gar mit 260 Millionen Dollar), hat der Film bis dato bereits weltweit um die 967 Millionen Dol­lar eingespielt (Box Office Mojo).

Szenenfoto aus dem Film "Jurassic World: Das gefallene Königreich" (Jurassic World: Fallen Kingdom, USA 2018); Chris Pratt
Owen Grady (Chris Pratt) muss sich erneut als Dinosaurierflüsterer um die Sicherheit seiner trainierten Velociraptoren kümmern

Immerhin ist der Erfolg von Das gefallene Königreich diesmal auch insofern gerechtfertigt, als dass der Streifen das Niveau des ersten Jurassic World-Films halten kann – entgegen der durchwachsenen Kritiken, die der Film bislang be­kam. Gewiss erfindet auch Das gefallene Königreich das Rad nicht neu und folgt im Kern dem immergleichen Schema, nachdem die gentechnisch gezüchteten Dinosaurier aufgrund menschlicher Überheblichkeit entfesselt werden und sich wütend an ihren größenwahnsinnigen Schöpfern sattfressen. Allerdings bietet der Film wie schon Jurassic World einige neue Ideen, die die altbekannte Geschichte in ungeahnte neue Bahnen lenken. Deutlich ist das Bestreben spür­bar, die drei Jurassic World-Filme zu einem großen Erzählbogen zusammenzuspannen, in dem das Thema beständig weiterentwickelt wird. Die sicherlich wichtigste Neuerung ist, dass sich das Franchise von der Idee eines Dinosaurier-Zoos oder -Erlebnisparks verabschiedet und die Dinosaurier Isla Nubar verlassen, um am Ende des Films in Scharen in der freien Wildbahn Kaliforniens umherzulaufen – ein Szenario, das neugierig auf den geplanten dritten Teil der Juras­sic World-Trilogie macht, der im Juni 2021 in die Kinos kommen soll.

 

Colin Trevorrow (geb. 1976) hatte nach den Dreharbeiten zu Jurassic World keine Lust, auch die folgenden beiden Teile der Trilogie zu inszenieren, und gab die Regie an den in Barcelona geborenen Filmemacher Juan Antonio Bayona (geb. 1975) ab, der zuvor Filme wie den Horrorfilm Das Waisenhaus (2007), das Tsunami-Drama The Impossible  Nichts ist stärker als der Wille, zu überleben (2012) oder das Fantasy-Drama Sieben Minuten nach Mitternacht (2016) inszenierte. Das gefallene Königreich ist Bayonas erster Action-Blockbuster. Trevorrow indes blieb dem Franchise auf andere Wei­se treu: Er nahm die Position eines Executive Producers ein und schrieb mit seinem Kumpel Derek Connolly (geb. 1976) das Drehbuch zum Film, nachdem beide bereits kräftig am Drehbuch zum ersten Jurassic World-Film mitgewirkt hat­ten. Über allem hatte nach wie vor Steven Spielberg als Executive Producer und grand daddy des Franchises ein wach­sames Auge. So empfahl er beispielsweise, für die zweite Filmhälfte Kalifornien statt wie ursprünglich geplant ein mittel- oder südamerikanisches Land zum Schauplatz zu machen; außerdem drängte er aus dramaturgischen Gründen darauf, die Sequenz auf dem Transportschiff für die Saurier so kurz wie möglich zu halten.

Szenenfoto aus dem Film "Jurassic World: Das gefallene Königreich" (Jurassic World: Fallen Kingdom, USA 2018); Bryce Dallas Howard und Justice Smith
Claire (Bryce Dallas Howard) und Franklin (Justice Smith) müssen nicht nur vor dem Vulkanausbruch auf Isla Nubar flüchten

Es ist wahrscheinlich fast überflüssig zu erwähnen, dass sich Das gefallene Königreich tricktechnisch keine Blöße gibt und sowohl die CGI-Animation als auch die animatronischen Modelle der Saurier nahezu perfekt gelungen sind (von minimal unnatürlich wirkenden Bewegungsabläufen der herumspringenden Saurier in einigen Einstellungen abgese­hen). Auch die Realisierung des gewaltigen Vulkanausbruchs, bei dem die Erde bebt und ständig glühende Lavabro­cken vom Himmel regnen, sowie die donnernde, wilde Flucht der Saurier vor dem Vulkan ist mitreißend umgesetzt. Das gefallene Königreich randaliert als wahnsinnig rasantes, entfesseltes Actionspektakel über die Leinwand, wobei der Film sich nicht lange mit Vorgeplänkeln aufhält und zur Freude des Zuschauers schon sehr früh die Gänge hoch­schaltet. Publikums Liebling, der mächtige T-Rex, ist auch hier wieder der König und darf in mehreren Szenen posieren, ohrenbetäubend brüllen und profitgierige Saurierjäger fressen. Neben ihm gibt es imposante Brachiosaurier, Styraco­saurier, Triceratopse, Ankylosaurier, Velociraptoren und alle möglichen sonstigen Urweltechsen zu bestaunen. In einer fast schon an Slapstick grenzenden Sequenz durchbricht ein Pachycephalosaurus („Dickkopfsaurier“) mit seinem di­cken Schädeldach erst eine 30 Zentimeter starke Backsteinmauer, dann ein Stahlgitter und pflügt anschließend auf der Dinosaurier-Versteigerung auf Lockwoods Anwesen durch die Reihen skrupelloser Geschäftsleute, die einer nach dem anderen hochgeschleudert durch die Luft wirbeln.

 

Auf Lockwoods Anwesen lehnt sich der Film überraschenderweise an die altehrwürdigen Traditionen klassischer Uni­versal-Gruselfilme an. Das Anwesen ist eine absurd gigantische Version eines mit Türmchen und Gesimsen prunkenden viktorianischen haunted house, komplett mit einem sterbenden Tattergreis im Krankenbett, einer geheimnisvollen Haushälterin und einem verwunschenen Kind. In einer gelungenen Sequenz versteckt sich dieses Kind – Maisie – angstschlotternd in seinem Bett, während das gerissene Monster – der Dinosaurier – ganz leise die Fensterläden zum Balkon öffnet und zwischen schauerlich wehenden Gardinen wie ein Geist in das Kinderzimmer schleicht, wobei nur sein Schatten an der Wand zu sehen ist.

Szenenfoto aus dem Film "Jurassic World: Das gefallene Königreich" (Jurassic World: Fallen Kingdom, USA 2018); Isabella Sermon
Das Monster lauert nicht unter dem Bett, sondern sucht das Kinderzimmer über die Balkonfenster heim . . .

Chris Pratt und Bryce Dallas Howard spielen ihre aus Jurassic World bekannten Heldenrollen mit gleichbleibendem Schwung als das Paar, das nicht zueinander finden will, obwohl es füreinander geschaffen ist, und auch BD Wong als eleganter mad scientist aus dem Genlabor hat hier einen erfreulichen erneuten Auftritt. Isabella Sermon meistert ihre Rolle als die aufgeweckte Lockwood-Enkelin Maisie tadellos und vor allem ohne viel klischeehaftes Mädchengekrei­sche, während Daniella Pineda und Justice Smith mit der Klischeehaftigkeit ihrer Rollen arg zu kämpfen haben – sie als lakonischer, neunmalkluger Twentysomething, er als der übliche, unheroische Computernerd, der auf Isla Nubar und in den Katakomben des Lockwoodschen Anwesens mit seinen digitalen Fähigkeiten wie durch Zauberhand alle Türen öffnet und jedes Problem löst. Eine Überraschung ist die Kino-Veteranin Geraldine Chaplin (Doktor Schiwago; Die drei Musketiere; Zeit der Unschuld) in der Rolle der Haushälterin. Jeff Goldblum schließlich darf eine pathetische Reprise seiner alten Jurassic Park-Rolle als Chaosforscher Ian Malcolm zum Besten geben und ein weiteres Mal düster vor den unabänderlichen Folgen der Gentechnik warnen.

 

Viele Kritiker haben kein gutes Haar an den Rollen der Schurken gelassen und sie als zu comichaft und überzeichnet charakterisiert – ein Vorwurf, der nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Rafe Spall als schmieriger Geschäftemacher Eli Mills meistert seine Rolle gut, bleibt allerdings ebenso eindimensional und blass wie Ted Levine als blutrünstiger Großwild- und Trophäenjäger Ken Wheatley oder Toby Jones als verschlagener Auktionator Mr. Eversol. Ein weiteres Mal ist der über Leichen gehende Raubtierkapitalismus des Sauriers größte Nemesis, die am Ende zwischen den Zähnen der Carnivoren ihrer gerechten Strafe zugeführt wird.

Szenenfoto aus dem Film "Jurassic World: Das gefallene Königreich" (Jurassic World: Fallen Kingdom, USA 2018); Bryce Dallas Howard
Claire (Bryce Dallas Howard) im flammenden Inferno von Isla Nubar

Und hier liegt nach meinem Dafürhalten auch die größte Schwäche des Plots – dass nämlich die Dinosaurier zu sehr vermenschlicht und mit Empathie ausgestattet werden, sodass sie stets zwischen Gut und Böse zu unterscheiden wissen und im Sinne der Helden und ihrem edlen Kampf mit den Bösen aufräumen. Das Monster wird in seine ange­stammte alte Rolle des moralischen Korrektivs gesteckt. Gleichzeitig aber ist das blinde, metzelnde Wüten der Saurier in der Menschenmenge oft völlig unmotiviert und als tierische Verhaltensweise wenig nachvollziehbar. Am überzeu­gendsten erscheinen die Dinosaurier immer dann, wenn sie in ihrem eigenen Recht, schlichtweg als normale Tiere, ge­zeigt werden.

 

Wie erwähnt, werden am Ende des Films die Dinosaurier in die kalifornische freie Natur entlassen, in der sie sich rasch ausbreiten – ein faszinierendes Szenario, das die Frage aufwirft, wie nun das Zusammenleben mit den Menschen funk­tionieren soll. Jeff Goldblum orakelt dazu, dass das Wissen über die Gentechnologie nie mehr zurückgeholt und unter Verschluss gehalten werden kann, und die Menschen vielmehr lernen müssen, mit den Konsequenzen zu leben. Die sinnbildliche Warnung vor den Folgen der Gentechnologie und der Aushebelung der natürlichen Evolution, für die die eigentlich schon ausgestorbenen, jetzt aber ins Leben zurückgeholten Dinosaurier hier stehen, ist unübersehbar. Ob sie dem Film auch mehr inhaltliche Substanz geben, kann man unterschiedlich beurteilen – ich würde das bejahen. Vor allem aber ist Das gefallene Königreich ein kurzweiliger, actiongeladener Blockbuster, der schmissig daherkommt, mächtig Spaß macht und seine Prämissen, die eigentlich schon ausgelutscht schienen, clever weiterspinnt. Und er kommt seiner ersten Pflicht, die jedem Jurassic-Film auferlegt ist, mit sicherem Gespür nach: nämlich mächtige, don­nernde, gefährliche Dinosaurier in all ihrer schuppigen und zähnebewehrten Pracht auszustellen. Denn die Dinosaurier, die lieben wir – nach wie vor!

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 5. Juli 2018

Szenenfotos © Universal Pictures