Das grüne Blut der Dämonen

DVD-Cover zu dem Film "Das grüne Blut der Dämonen" (Quatermass and the Pit, GB 1967) von Roy Ward Baker

Quatermass and the Pit (GB 1967)

 

Regie: Roy Ward Baker

Drehbuch: Nigel Kneale, nach der 6-teiligen TV-Serie Quatermass and the Pit (1958/59) von Nigel Kneale und Rudolph Cartier

Kamera: Arthur Grant. Schnitt: Spencer Reeve

Musik: Tristram Cary; Carlo Martelli

Darsteller: Andrew Keir (Prof. Bernard Quatermass), James Donald (Dr. Mat­hew Roney), Barbara Shelley (Barbara Judd), Julian Glover (Colonel Breen), Duncan Lamont (Sladden), Bryan Marshall (Captain Potter), Peter Copley (Howell), Edwin Richfield (Minister) u. a.

Produzent: Anthony Nelson Keys

Companies: Hammer Films; Warner-Pathé (Verleih GB), 20th Century Fox (Verleih USA; US-Titel: Five Million Years to Earth)

Laufzeit: 97 Minuten; Farbe

Premiere: 2. Nov. 1967 (GB); 8. Februar 1968 (BRD); 16. Februar 1968 (USA)

 

Bei Bauarbeiten in der U-Bahnstation „Hobb’s End“ in London werden fossile Knochen von primitiven, affenähnlichen Urmenschen entdeckt, woraufhin Dr. Mathew Roney vom Paläontologischen Institut mit einem Grabungsteam die Fundstelle genauer untersucht und weitere Gebeine entdeckt. Schon bald ist er überzeugt, dass die Funde eine Sen­sation darstellen: Die Knochen sind mindestens fünf Millionen Jahre alt, haben für eine frühe, affenartige Vorform des Menschen jedoch ungewöhnlich große Schädel. Als auch noch ein großes Artefakt entdeckt wird, das scheinbar eine Bombe oder V-2-Rakete aus dem Zweiten Weltkrieg darstellt, wird der militärische Bombenexperte Colonel Breen zur Untersuchung herangezogen.

 

Breen wurde kurz zuvor dazu bestimmt, die staatlich finanzierte Raketenforschungsgruppe von Professor Bernard Quatermass militärischen Zwecken zu unterstellen. So kommt es, dass Breen mit Quatermass im Schlepptau an der Grabungsstelle in der Hobb’s Lane erscheint. Die angebliche Bombe ist aus einem nichtmagnetischen, fremdartigen Metall und entpuppt sich, nachdem sie vollständig freigelegt wurde, als ein seltsames, unbekanntes Flugobjekt. Als es gelingt, in seinem Inneren eine Kammer zu öffnen, kommen darin die toten Leiber von insektenartigen, gehörnten Kreaturen zum Vorschein, aus denen grünes, stinkendes Blut trieft.

 

Quatermass vermutet eine Verbindung zwischen den ungewöhnlichen Vormenschen und den Insektoiden aus dem Flugobjekt. Er glaubt, dass Letztere vor fünf Millionen Jahren vom Mars auf die Erde gekommen waren, um diese zu kolonisieren. Zu diesem Zweck experimentierten sie mit den auf der Erde vorgefundenen Affen und schufen in ihnen größere Gehirne, in die sie ihre parapsychologischen Kräfte wie Hellseherei und Telekinese verpflanzten. Die Marsianer hätten somit die Menschwerdung auf der Erde erst angeschoben; außerdem wären sie die Ursache für allen späteren Aberglauben und alle paranormalen Erlebnisse der Menschen, die lediglich Reflexe der in den Menschen verschütteten paranormalen Fähigkeiten wären. Darauf deutet vor allem, dass schon seit Jahrhunderten seltsame Geschehnisse am Ort des vergrabenen Raumschiffs beobachtet worden waren, wie die Recherche von Quatermass und Roneys Assis­tentin Barbara in alten Archiven ergeben haben. Die verschüttete Erinnerung an die gehörnten Marsianer formte im Unterbewusstsein der Menschen ihre Vorstellung vom Teufel.

 

Colonel Breen und der zuständige Minister wollen von Quatermass’ Theorie nichts wissen und erklären in der Öffent­lichkeit, dass das entdeckte Raumschiff lediglich eine harmlose deutsche V-2 aus dem Zweiten Weltkrieg sei. Schon kurz darauf erwachen jedoch die schlafenden parapsychologischen Kräfte des UFOs zum Leben: Stürme und Polter­geist-Phänomene werden mitten in London entfesselt, und viele Menschen werden von den Kräften besessen und töten ihre Mitmenschen mit ihren telekinetischen Fähigkeiten. Schließlich schwebt ein gigantische Teufelsgestalt aus lodernder Energie über London. Kann Quatermass die tödliche Gefahr dieses Dämons noch abwehren?

 

Bernard Quatermass im Treibsand okkulter Mystik

 

Der britische Autor Nigel Kneale (1922–2006) hat mit seiner Trilogie von BBC-TV-Serien um den Raketenwissenschaft­ler Professor Quatermass ein klassisches Science-Fiction-Franchise geschaffen, das bis heute zu Recht ein hohes An­sehen genießt und in den meisten seiner Ausprägungen auch immer noch sehr unterhaltsam ist. Alle drei TV-Serien – The Quatermass Experiment (1953), Quatermass II (1955) und Quatermass and the Pit (1958/59) – wurden damals in Großbritannien zur besten Samstagabend-Primetime ausgestrahlt und erzielten hohe Einschaltquoten. Die legendären Hammer Film Productions adaptierten alle drei Serien in ebenfalls sehr erfolgreichen Kinofilmen: Schock (1955), Feinde aus dem Nichts (1957) und Das grüne Blut der Dämonen (1967). Die ersten beiden Filme wurden in Schwarzweiß von Val Guest (1911–2006) inszeniert, und in beiden spielte zum Unmut von Nigel Kneale der Amerikaner Brian Donlevy (1901–1972) die Hauptrolle des Bernard Quatermass. Der dritte Film wurde erst zehn Jahre nach dem zweiten realisiert, diesmal in Farbe. Die Regie wurde dem renommierten britischen Regisseur Roy Ward Baker (1916–2010) übertragen, nachdem Val Guest aufgrund anderweitiger Verpflichtungen ablehnen musste, und Bernard Quatermass wurde dies­mal von Andrew Keir (1926–1997) verkörpert, der Nigel Kneales Vorstellung von der Figur weitaus näher kam als Brian Donlevy. Dass die dritte Quatermass-Kinoverwertung so lange auf sich warten ließ, hatte mit den besonderen Bezie­hungen der Hammer Films zu den US-Verleihern zu tun. Die Filmrechte an Quatermass and the Pit hatte Hammer be­reits zur Zeit der Ausstrahlung der Serie erworben. Doch als das Studio mit Frankensteins Fluch (1957) einen sensatio­nellen Erfolg feierte, forderten die amerikanischen Verleiher von Hammer weitere Horrorfilme, die auf klassischen Hol­lywood-Horrorstoffen basierten. So lieferte Hammer – und verschob den dritten Quatermass-Film immer wieder, bis er schließlich mit zehnjähriger Verspätung unter dem Hammer-Produzenten Anthony Nelson Keys (1911–1985) realisiert wurde.

Szenenfoto aus dem Film "Das grüne Blut der Dämonen" (Quatermass and the Pit, GB 1967) von Roy Ward Baker
Im Untergrund Londons wird ein mysteriöses UFO ausgegraben, das okkulte Kräfte in sich birgt

Traditionell wird Das grüne Blut der Dämonen in der Science-Fiction-Szene als der beste der drei Quatermass-Filme gefeiert, und zwar vor allem aufgrund seiner kühnen „wissenschaftlichen“ Ideen, die, das sei zugegeben, auf den ers­ten Blick auch durchaus interessant sind. Nigel Kneale, der für diesen Film zum ersten Mal das Drehbuch schreiben durfte, ohne dass es anschließend noch einmal überarbeitet wurde, bietet dem Zuschauer nichts weniger als eine „rationale“ Erklärung für den Glauben an den Teufel, okkulte Phänomene und die Präsenz des Bösen im Menschen an: All das sei vor Jahrmillionen erst mit den insektenhaften Marsianern auf die Erde gekommen, wo all diese parapsycho­logischen „Kräfte“ und Vorstellungen in unsere frühen, affenartigen Vorfahren eingepflanzt worden seien. Dass Kneales verwegene Spekulationen anthropologisch völlig absurder Quark ist, der zudem noch unlogisch zusammengerührt wurde, scheint dabei die wenigsten Fans des Films zu stören. Die Vorstellungskraft wird hier doch arg strapaziert, und mit „Science-Fiction“ im engeren Sinn hat Kneales Okkultismusbrei in meinen Augen nur wenig zu tun, auch wenn hier unübersehbare Parallelen zu Arthur C. Clarkes Roman Die letzte Generation (Childhood’s End, 1953), zu Stanley Kub­ricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968) und zu Erich von Dänikens „Gott-war-ein-Astronaut“-Ideen auszumachen sind.

 

Geschwächt wird Kneales wackelige Fabel vor allem durch den konfusen Schlussakt. Die Marsianer an Bord des UFOs sind tot, doch Quatermass, der in diesem Film quasi allwissend stets Antworten aus dem Hut zaubert, bevor er auch nur einen Hauch gesicherter Evidenz hat, spekuliert, dass das UFO selbst in irgendeiner Form lebendig sein könnte. Ein lebendes UFO? Soll diese Randbemerkung von Quatermass etwa motivieren, weshalb das UFO am Ende plötzlich energetisch zu leuchten beginnt, parapsychologischen Einfluss auf die Menschen nimmt, jede Menge Poltergeist-Phänomene mit herumfliegenden Gegenständen auslöst, Colonel Breen unverständlicherweise zu einer Horrorgestalt verbrennt und am Ende ein drohendes Teufelsgesicht an den Himmel Londons wirft? Und was soll dieser Hokuspokus am Ende bewirken? Dass ein lebendes (oder energetisches) UFO „die Erde übernimmt“? Dass die Menschen, die noch Aliengene in sich tragen und daher parapsychologische Kräfte haben, jene auslöschen, die diese Gene nicht haben – womit eine subtile Anspielung auf Unruhen in der schwarzen Bevölkerung Englands ausgedrückt wäre, wie gern in Be­zug auf Nigel Kneales inspirierende Quellen behauptet wird? Mag sein, dass mir am Ende die eine oder andere ver­steckte Antwort des Films auf diese Fragen entgangen ist. In meinen Augen bleibt das Ende ein chaotisches Durchein­ander, in dem nichts mehr recht zusammenpassen will. Abgesehen davon hat Kneales Idee, dass „das Böse“, also die Aggression, etwas sein könne, das uns gar nicht eigen ist, sondern uns von fremden Aliens eingeimpft wurde, einen unangenehmen, entschuldigenden Beigeschmack.

Szenenfoto aus dem Film "Das grüne Blut der Dämonen" (Quatermass and the Pit, GB 1967) von Roy Ward Baker; James Donald und Andrew Keir
Dr. Roney (James Donald, Mitte) und Prof. Quatermass (Andrew Keir, r.) haben einen Marsianer geborgen

Hammer war eben kompromisslos auf deftigen Horror gepolt, sodass Kneales Okkultismus-Thema für das Studio das eigentlich Reizvolle an dem Stoff darstellte, nicht als „Science-Fiction-Spekulation“, wie die Science-Fiction-Fans stän­dig meinen, sondern als ein Thema, das sich mit dämonischen Wirbelstürmen, von herumfliegenden Pflastersteinen Erschlagenen und breitbeinig dastehenden Hexengestalten bebildern ließ. Horror – und eben nicht Science-Fiction.

 

Es gibt weitere Gründe, weshalb ich Das grüne Blut der Dämonen nicht für den besten, sondern für den schwächsten der drei Quatermass-Filme halte (der beste ist in meinen Augen der zweite Film Feinde aus dem Nichts). Das konfuse Geflecht von Kneales Ideen entwirrt sich im Film nur schleppend und niemals ganz, und der Großteil der Laufzeit wird für das Exposé der Story vergeudet. Der Film hat ein flottes Tempo, bleibt dicht und ohne viele Umschweife an seiner Erzählung und hält so durchgängig das Interesse wach, und dennoch entwickelt sich nirgends eine entnervende Inten­sität oder eine unter die Haut gehende Spannung wie in den beiden ersten Quatermass-Filmen. Roy Ward Bakers Re­gie ist steif und einfallslos, und die statische Kameraarbeit von Arthur Grant (1915–1972) ist der Kamera in Schock (Wal­ter J. Harvey) und Feinde aus dem Nichts (Gerald Gibbs) klar unterlegen. Die Schauspieler agieren ohne Fehl und Tadel – insbesondere gefallen Julian Glover (geb. 1935) als schneidiger Colonel Breen, James Donald (1917–1993) als integrer Dr. Roney und Duncan Lamont (1918–1978) als Sladden (der im übrigen in der ersten Quatermass-TV-Serie den unglück­lichen Raumfahrer Victor Carroon spielte). Doch ob Andrew Keir in der Rolle des Quatermass wirklich eine bessere Figur macht als Brian Donlevy, wie Nigel Kneale meinte, sei dahingestellt. Donlevy verkörperte die Figur als schroffen, herrischen Macher, womit der Wissenschaftler auch selbst in ein gewisses Zwielicht gestellt wurde – er ist nicht der unfehlbare wissenschaftliche Held, sondern auch der Frankenstein, der das Monster unachtsam selbst geschaffen hat. In Andrew Keirs Version der Figur wird Quatermass zum würdevollen, besonnenen Akademiker – und zu einem ausge­sprochenen Langweiler, dem James Donald, der eigentliche Held im Showdown, mühelos den Rang abläuft.

Szenenfoto aus dem Film "Das grüne Blut der Dämonen" (Quatermass and the Pit, GB 1967) von Roy Ward Baker; Andrew Keir und Barbara Shelley
Quatermass (Andrew Keir) und Barbara Judd (Barbara Shelley) sind der Parapsychologie auf der Spur

Roy Ward Baker hatte das Glück, den Film in den großzügigen Sets der MGM British Studios in Borehamwood, Hert­fordshire drehen zu können. So wirken die Sets und Straßenszenen nie eng oder billig, und auch die Ausstattung, ins­besondere die grün triefenden Insektoiden vom Mars, sind eindrucksvoll und gelungen. Andererseits verleihen die satten Farben, die grelle Ausleuchtung und die zu sauberen Oberflächen dem Film eine Hochglanzoptik, die nicht zum schaurigen Thema passen will. Als farbiger Horrorfilm von Hammer bleibt der Streifen eigentümlich distanziert und kühl, um nicht zu sagen „blutleer“.

 

Das grüne Blut der Dämonen ist ein durchaus unterhaltsamer Eintrag ins Science-Fiction-Kino der Sechzigerjahre und als Klassiker allemal sehenswert. Allerdings entwickelt er weder unter die Haut gehenden Thrill noch eine nennenswer­te Spannung. In seinem Versuch, Aberglauben, Hexerei und Okkultismus mit dem klassischen Science-Fiction-Thema früher außerirdischer Besucher auf der Erde zu vermählen, scheitert der Film, sodass er alles in allem einen enttäu­schenden Abschluss der Quatermass-Trilogie bildet.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 18. November 2018

Szenenfotos © Hammer Film Productions