Feinde aus dem Nichts

DVD-Cover zu dem Film "Feinde aus dem Nichts" (Quatermass 2, GB 1957) von Val Guest

Quatermass 2 (GB 1957)

 

Regie: Val Guest

Drehbuch: Nigel Kneale und Val Guest, nach der sechsteiligen TV-Serie Quatermass II (BBC 1955) von Nigel Kneale (Autor) und Rudolph Cartier

Kamera: Gerald Gibbs. Schnitt: James Needs

Musik: James Bernard; John Hollingsworth (Dirigent)

Darsteller: Brian Donlevy (Prof. Bernard Quatermass), John Longden (Inspek­tor Lomax), Brian Forbes (Marsh), William Franklyn (Brand), Sidney James (Jimmy Hall), Vera Day (Sheila), Charles Lloyd Pack (Dawson), Tom Chatto (Broadhead) u. a.

Produzenten: Anthony Hinds; Michael Carreras (ausführender Produzent)

Company: Hammer Film Productions; United Artists (Verleih)

Laufzeit: 85 Minuten; Schwarzweiß

US-Titel: Enemy from Space

Premiere: 24. Mai 1957 (GB); 12. Juli 1957 (Deutschland); Sept. 1957 (USA)

 

Der Leiter des britischen Raumfahrtprogramms Bernard Quatermass wird auf einer Landstraße in der Nähe von Win­nerden Flats beinahe in einen Autounfall verwickelt. Der Beifahrer des anderen Wagens ist halb im Delirium und weist eine Verletzung im Gesicht auf, die wie ein Brandmal aussieht. Die aufgeregte Fahrerin erklärt, dass ihre Begleitung zu­vor einen vom Himmel gefallenen Meteoriten angefasst und dieser ihn verletzt habe. Quatermass nimmt den Meteori­ten an sich, um ihn an seinem Arbeitsplatz, eine Raketenbasis 90 Meilen südlich von Winnerden Flats, von seinen Mit­arbeitern untersuchen zu lassen.

 

Quatermass’ Mitarbeiter Marsh und Brand erklären, dass sie vor Kurzem per Radar ganze Schauer von Meteoriten be­obachtet haben, die in der Gegend von Winnerden Flats niedergegangen sind. Daraufhin fährt Quatermass mit Marsh in die Gegend zurück und stößt inmitten von Wiesen und Wäldern auf ein weitläufiges, von der Regierung abgerie­geltes Areal. Von einer erhöhten Landstraße aus erblicken die beiden Wissenschaftler auf dem Areal eine große, fast fertiggestellte Industrieanlage. In der Umgebung verstreut finden sich mehrere zerbrochene Meteoriten. Als Marsh im Gras einen unversehrten Meteoriten entdeckt und ihn aufhebt, platzt er auf und sprüht Marsh ein Gas ins Gesicht. So­fort bildet sich auf seiner Wange eine brandmalartige Verletzung. Kurz darauf erscheinen schwarz gekleidete und mit Maschinenpistolen bewaffnete Sicherheitskräfte des Industriegeländes, die ebenfalls Male in den Gesichtern haben. Sie schlagen Quatermass nieder und zwingen ihn, sich mit seinem Wagen davonzumachen, während sie Marsh ergrei­fen und in den Industriekomplex verschleppen.

 

In der nahegelegenen Siedlung der Arbeiter, die den Industriekomplex gebaut haben, will Quatermass den Vorfall bei der Polizei melden, doch seltsamerweise gibt es dort gar keine Polizeistation, und überall mahnen Schilder die Arbei­ter zur Verschwiegenheit über ihre Tätigkeit. Der Bürgermeister des Ortes weigert sich, Quatermass’ Fragen über das gesperrte Gelände zu beantworten. Auch auf der Polizeistation im nächstgelegenen Ort stößt Quatermass auf taube Ohren – man ist nicht gewillt, die Gewalttaten, die der Wissenschaftler erlebt hat, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Gehör findet Quatermass erst bei seinem alten Freund Inspektor Lomax vom Londoner Polizeipräsidium, der zwar auch an Quatermass’ seltsamer Geschichte zweifelt, immerhin aber von dem geheimen Industriekomplex von Winner­den Flats weiß. Angeblich wird dort künstliche Nahrung hergestellt, doch erscheint das aufgrund des Top-Secret-Sta­tus des Projekts als fragwürdig. Lomax verweist Quatermass an den Parlamentarier Broadhead, der ebenfalls aufklären will, was es mit dem enorm teuren Projekt auf sich hat. Broadhead hat sich daher mit einer Gruppe weiterer Politiker in Winnerden Flats zu einer Inspektion angemeldet. Er lädt Quatermass ein, die Gruppe begleiten.

 

Während des geführten Besuchs auf dem Industriegelände entfernt sich Broadhead heimlich von der Gruppe, um he­rauszufinden, was sich in den gewaltigen Kuppelgebäuden des Komplexes befindet. Sofort heulen Alarmsirenen los, und auch Quatermass entschwindet, um Broadhead zu suchen. Wenig später entdeckt er den Politiker, der über und über mit einem schwärzlichen, tödlich brennenden Schleim bedeckt ist – die Substanz, die tatsächlich auf dem Gelän­de hergestellt wird und zu einem großen Anteil aus Ammoniak besteht. Broadhead stirbt, und die Sicherheitskräfte eröffnen mit Maschinengewehren das Feuer auf Quatermass. Der Wissenschaftler kann jedoch mit einer Limousine vom Gelände fliehen.

 

Zurück in der Raketenbasis, erfährt Quatermass die Ergebnisse der Untersuchung des Meteoriten. Dieser ist offenbar ein künstliches Objekt, eine Art kleine Raumkapsel von der Größe und Form eines Rugbyballs. Nach und nach kann Quatermass sich die Zusammenhänge zusammenreimen: Offenbar sind massenhaft außerirdische Lebensformen in den Kapseln auf der Erde gelandet und sind in die Nervensysteme der Menschen, die mit ihnen in Berührung gekom­men sind, eingedrungen, um ihre Opfer mental zu übernehmen. Quatermass vermutet, dass alle Individuen der Spezies sich zu einem Verbund eines einzigen, multiplen Wesens zusammenschließen können. Im Industriekomplex stellen die Außerirdischen, die bereits die höchsten Kreise der Regierung unter Kontrolle haben, ihre für Menschen giftige Nah­rung her. In den riesigen Kuppelbauten des Komplexes leben amorphe Kreaturen von giganti­scher Größe, die sich aus zahllosen Aliens zusammengeschlossen haben, und werden dort von den von ihnen kontrollierten Menschen ernährt.

 

Quatermass kehrt mit Lomax und einem Reporter die Arbeitersiedlung von Winnerden Flats zurück. Als dort vor aller Augen das Barmädchen des Pubs von einem Meteoriten, der durch das Dach geschlagen ist, übernommen wird und die plötzlich auftauchenden Sicherheitskräfte des Industriekomplexes den Reporter kaltblütig niederschießen, wird den Arbeitern die Augen geöffnet, und ihre Wut kocht über. Sie erstürmen den Industriekomplex und geraten in ein wildes Feuergefecht mit den Wärtern. Es ist eine letzte, verzweifelte Chance für Quatermass, die Invasion der Außer­irdischen zu stoppen . . .

 

Ein mitreißender Paranoia-Streifen

 

Feinde aus dem Nichts ist der zweite Teil der berühmten und hochgelobten Quatermass-Trilogie, mit der die legendä­re Firma Hammer Film Productions begann, sich auf Horrorfilme zu spezialisieren. Vorausgegangen war ihm der exzel­lente Streifen Schock (1955), der wie Feinde aus dem Nichts von Val Guest (1911–2006) inszeniert worden war und in dem Brian Donlevy (1901–1972) die Rolle des Bernard Quatermass schon einmal gespielt hatte – so wirken beide Filme fast wie aus einem Guss und der zweite Film wie ein direktes Sequel des ersten. Der dritte Quatermass-Film Das grüne Blut der Dämonen (1967) von Roy Ward Baker (1916–2010) und mit Andrew Keir (1926–1997) in der Rolle des Qua­termass erschien erst zehn Jahre später und wurde zudem als einziger Teil der Trilogie in Farbe gedreht; er hebt sich deswegen stilistisch deutlich von den ersten beiden Filmen ab. Die Kritiker sind sich seit jeher nicht einig darüber, wel­cher der drei Quatermass-Filme denn nun der beste sei. Großartig sind alle drei, doch neige ich persönlich dazu, in die­ser Frage Feinde aus dem Nichts zum Sieger zu erklären. Das grüne Blut der Dämonen entfaltet gewiss die faszinieren­dere und vielschichtigere Spekulation, hat somit ein interessanteres Science-Fiction-Thema vorzuweisen. Aber Roy Ward Bakers Inszenierung ist im Vergleich zur Regie von Val Guest hölzern und Arthur Grants Kameraarbeit im Ver­gleich zur Kame­ra von Gerald Gibbs langweilig. Nirgends erreicht Das grüne Blut der Dämonen die Intensität und para­noide Schärfe von Feinde aus dem Nichts, der sich als einer der fesselndsten Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre ausweist.

Szenenfoto aus dem Film "Feinde aus dem Nichts" (Quatermass 2, GB 1957) von Val Guest; Brian Donlevy
Quatermass (Brian Donlevy) wird brüsk vom Gelände von Winnerden Flats vertrieben

Alle drei Quatermass-Filme sind Adaptionen von TV-Serien, die vom Autor Nigel Kneale (1922–2006) und vom Produ­zenten Rudolph Cartier (1904–1994) für die BBC realisiert worden waren. Nach dem großen Erfolg der ersten Serie The Quatermass Experiment (1953), von deren sechs Folgen nur zwei überliefert sind, wurden Kneale und Cartier von der BBC Anfang 1955 damit beauftragt, eine neue Quatermass-Serie zu produzieren. Inspiration für den Plot fand Kneale in beunruhigenden Berichten über Top-Secret-Forschungseinrichtungen des britischen Verteidigungsministeriums, über deren Aktivitäten so gut wie nichts bekannt war – Berichte über so geheimnisvolle Forschungseinrichtungen wie das Atomic Energy Research Establishment in Harwell und das Forschungszentrum von Porton Down, wo biologische und chemische Kampfstoffe entwickelt wurden. Die Medien wurden staatlicherseits über bestimmte Sachverhalte zur Ver­schwiegenheit verpflichtet, sodass auch Nigel Kneale selbst als BBC-Angestellter den Official Secrets Act unterschrei­ben musste.

 

Für die Produktion der neuen Serie stand mit über 7.500 Pfund etwa doppelt soviel Geld zur Verfügung, als für die erste Serie ausgegeben worden war. Dementsprechend konnten erheblich mehr Außenaufnahmen gedreht werden, die in die live im Fernsehstudio gespielten Episoden eingefügt wurden. Der Sechsteiler Quatermass II wurde vom 22. Oktober bis 26. November 1955 im britischen Fernsehen ausgestrahlt und erreichte mit bis zu neun Millionen Zu­schauern fast doppelt so viele Zuschauer wie die erste Serie – freilich auch deshalb, weil es inzwischen erheblich mehr Fernsehgeräte in den britischen Haushalten gab.

 

Hammer hatte von der BBC bereits die Filmrechte für ein Quatermass-Sequel gekauft, bevor überhaupt Quatermass II im Fernsehen ausgestrahlt worden war. Anders als beim ersten Film setzte Nigel Kneale diesmal durch, selbst ein Drehbuch für den Film schreiben zu dürfen, und erhielt auch eine bessere Bezahlung. Naturgemäß musste er die Hand­lung und Dialoge seiner TV-Serie im Drehbuch kräftig straffen. Kneales Drehbuch wurde dennoch von Val Guest noch einmal stark überarbeitet und gekürzt, womit Kneale sehr unzufrieden war. Neben der Änderung der Dialoge gibt es noch weitere signifikante Unterschiede von Guests Drehbuch zur TV-Serie. So wurden einige Figuren wie zum Beispiel Paula, die Tochter von Quatermass, gestrichen, dafür kehrten mit Inspektor Lomax und Marsh zwei Figuren aus Schock wieder, die in der TV-Serie fehlen; dadurch sind Schock und Feinde aus dem Nichts enger miteinander verklammert. Die Figur des Barmädchens Sheila (Vera Day), die ebenfalls von den Außerirdischen „infiziert“ wird, erscheint nur im Spielfilm. Die auffälligste Änderung betrifft das Ende: Während in der TV-Serie Quatermass selbst mit einer Rakete ins All fliegt und dort den großen Asteroiden, mit dem die Aliens in den Erdorbit gereist sind, vernichtet, indem er den Atoman­trieb seiner Rakete als Atombombe verwendet, zer­stört im Film Quatermass’ Assistent Brand den Asteroiden vom Boden aus, indem er Quatermass’ unbemannte Atomrakete ferngesteuert gegen den Asteroiden lenkt.

Szenenfoto aus dem Film "Feinde aus dem Nichts" (Quatermass 2, GB 1957) von Val Guest; Brian Donlevy und Tom Chatto
Quatermass ersucht die Hilfe des Parlamentariers Vincent Broadhead (Tom Chatto, l.)

Nigel Kneale musste zu seinem Leidwesen auch akzeptieren, dass der ihm verhasste Brian Donlevy ein weiteres Mal die Hauptrolle des Bernard Quatermass verkörpern würde. Kneales Auffassung von der Figur war eine vollkommen andere als die von Val Guest. Für Kneale war Quatermass ein integrer und besonnener Wissenschaftler, während Val Guest die Figur zu einem herrischen, kaltschnäuzigen, aber auch zupackenden und unnachgiebigen Macher umschrieb. Guests Quatermass hat viel von einem rauen Film-Noir-Helden, komplett mit Hut und Trenchcoat, und Brian Donlevy verkörperte diesen beherzten und energiegeladenen Typen perfekt.

 

Nigel Kneale verbreitete in Interviews die wenig erbauliche Geschichte, dass Brian Donlevys zügellose Alkoholsucht zu massiven Problemen bei den Dreharbeiten geführt haben soll. Der schon morgens sturzbetrunkene Schauspieler soll ständig seinen Text vergessen haben und hatte sich angeblich kaum auf den Beinen halten können, sodass Mitarbeiter am Set ihn dauernd stützen und davor bewahren mussten, nicht gegen Wände zu torkeln oder über Bordsteine zu stolpern. Und Hammers Produzent Anthony Hinds greinte, dass Donlevys Trunkenheit viele Retakes erfordert und da­her viel Zeit und Geld gekostet habe. Wieviel von dieser Geschichte übertrieben oder gar verleumderisch ist, lässt sich wohl nicht mehr klären. Im Film selbst liefert Donlevy eine blitzsaubere und beeindruckend konzentrierte Vorstellung ab, und von angeblichen Unsicherheiten ist nichts zu spüren. Val Guest hatte den Schauspieler stets in Schutz genom­men, wie beispielsweise in einem Interview, das er 1994 Tom Weaver gegeben hatte:

 

Ich kam gut mit Brian klar. Aber so viele Geschichten sind seitdem zusammengelogen worden, wie sehr er angeblich sternhagel­voll gewesen sei. Das ist absoluter Quatsch, weil er es nicht war. Er war zwar nicht stocknüchtern, aber er war ein Profi und er wusste seinen Text. Es gab Momente, wo er nicht wusste, worum die Geschichte sich gerade drehte, aber dann sagte er zu mir: „Gib mir einen kurzen Überblick bis hier hin.“ (zitiert nach Bill Warren, Keep Watching the Skies!, S. 253 f.)

 

Dasselbe sagte Val Guest auch ein paar Jahre zuvor schon zu John Brosnan:

 

[Brian Donlevy] war ein toller Kerl, mit dem sich gut arbeiten ließ. Allerdings war er seinem Drink zugetan, sodass er etwa nach dem Mittagessen zu mir zu kommen pflegte und sagte: „Gib mir einen kurzen Überblick von der Geschichte bis hier hin. Wo war ich gerade vor dieser Szene gewesen?“ Wir gaben ihm jeden Morgen schwarzen Kaffee zu trinken, bis wir merkten, dass er ihn mit Alkohol versetzte. Aber er war ein sehr professioneller Schauspieler, und es war sehr leicht, mit ihm zu arbeiten. (John Bros­nan, The Primal Screen, S. 77)

 

Nigel Kneale hielt Feinde aus dem Nichts wie alle Kino-Adaptionen seiner Quatermass-Serien für völlig missraten. Als nach Jahren die Rechte an dem Film auf ihn übergingen, sorgte er dafür, dass der Film nirgendwo mehr aufgeführt werden durfte. Bis zu seiner Veröffentlichung auf Videocassette und später auf DVD war der Film daher für viele Jahre extrem schwer zugänglich, was damals unter Science-Fiction-Fans seinen Nimbus als „verschollenes“ Meisterwerk na­türlich erheblich steigerte. Die Mehrheit der Kritiker ist sich längst einig, dass der Film keineswegs Anlass für Kneale bot, sich für ihn zu schämen. Auch wer wenig von dem Film hielt, räumte ein, dass er immerhin ein solide produziertes, unterhaltsames Genrestück mit Hand und Fuß darstellt.

Szenenfoto aus dem Film "Feinde aus dem Nichts" (Quatermass 2, GB 1957) von Val Guest; Brian Donlevy
Eine Shell-Ölraffinerie diente als effektiver Schauplatz für den Industriekomplex von Winnerden Flats. Die Kuppelbauten wurden allerdings als mattes hinzugefügt

Feinde aus dem Nichts ist gewissermaßen die britische Spielart von Don Siegels Die Dämonischen (1956), womit aller­dings keine Abkupferei in die eine oder andere Richtung unterstellt werden soll. Die TV-Serie Quatermass II wurde, wie bereits erwähnt, ab Ende Oktober 1955 in Großbritannien ausgestrahlt, während Die Dämonischen im Februar 1956 in den US-Kinos anlief. Das Thema der mentalen Übernahme von Menschen durch Außerirdische ist in der Science-Fic­tion-Literatur schließlich uralt und auch im Science-Fiction-Film nicht erst seit William Cameron Menzies’ Invasion vom Mars (1953) etabliert (ein früheres Beispiel wäre etwa Edgar G. Ulmers The Man from Planet X von 1951). Es ist allerdings von origineller Qualität, wie der britische Film das Body Snatcher-Thema umsetzt. Feinde aus dem Nichts bezieht sei­nen Horror vor allem aus dem ungeheuren Ausmaß, zu dem sich die albtraumhafte Paranoia langsam auswächst, und die außergewöhnliche Brutalität, mit der die von finsteren Kräften kontrollierte Staatsmacht gegen ihre Widersacher zuschlägt. Polizei und Regierung sind, wie Quatermass nach und nach herausfindet, schon seit zwei Jahren bis in die höchsten Kreise von den Außerirdischen unterwandert und zu Instrumenten ihrer Zwecke gemacht worden. Fast alle nicht Unterwanderten hingegen konspirieren bereitwillig, indem sie sich untertänig mit dem offiziellen Hinweis auf die nötige strenge Geheimhaltung der Aktivitäten zufriedengeben, keine weiteren Fragen stellen und weiter für das Sys­tem funktionieren. Als Inspektor Lomax sich zunächst weigert zu handeln und Quatermass darauf hinweist, dass Win­nerden Flats “Top Secret” sei, ereifert sich der Wissenschaftler: “Secret? You put a label like that on anything and law and order go out of the window, is that it?”

 

Für Quatermass wird es zunehmend unsicher, wem er noch vertrauen darf, bis er sich scheinbar an niemanden mehr wenden kann. Schockierend ist die kaltherzige Brutalität, mit der die unterwanderte Staatsmacht gegen jeden Auf­müpfigen vorgeht. Wer versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen, wird zunächst verprügelt und mit vorgehaltener Waffe davongejagt und später sogar ohne zu zögern mit Maschinenpistolen niedergemäht.

Szenenfoto aus dem Film "Feinde aus dem Nichts" (Quatermass 2, GB 1957) von Val Guest; Tom Chatto
Broadhead ereilt ein grausiges Ende, als ihn die Nahrung der Außerirdischen verätzt

Wie alle Geschichten von heimlichen Alieninvasionen aus der Zeit des Kalten Krieges lässt sich auch Feinde aus dem Nichts generell als Reflex der damals aktuellen Angst vor der kommunistischen Unterwanderung deuten. Aber anders als etwa Invasion vom Mars oder Die Dämonischen betont der Film mit Nachdruck die Unterwanderung der Staatsor­gane bis hinauf in das Parlament und die Regierung. Daher wurde der Film bisweilen als Ausdruck eines typisch briti­schen Unbehagens gegen den Staat ausgelegt, und Quatermass’ Kampf gegen die Mauer der Geheimhaltung ist natür­lich zunächst einmal auf die Geheimniskrämerei der britischen Regierung in Bezug auf ihre militärischen Forschungen, die Nigel Kneale zu seiner Erzählung inspiriert hat, zu beziehen. Vor allem der britische Genrekritiker Kim Newman (geb. 1959), der mit der BFI-Publikation Quatermass and the Pit (2014) ein ganzes Buch über die Quatermass-Produk­tionen geschrieben hat, hat wiederholt die Auffassung von einer spezifisch britischen Note in dem Film vertre­ten. 1986 interpretierte er den Film als „eine gezielte Attacke auf die konservative Regierung jener Zeit, bis hin zur Einbezie­hung mehrerer Figuren, die klarerweise auf realen politischen Figuren basieren“ (Jack Sullivan [Hrsg.], The Pen­guin En­cyclopedia of Horror and the Supernatural, S. 341 f.). Und in der 2003 auf BBC Four ausgestrahlten TV-Dokumen­tation The Kneale Tapes, wo Newman über die zugrundeliegende TV-Serie sprach, sagte er: „Was Quatermass II macht, ist, diese Metapher zu nehmen und sie auf die bestimmten Umstände Großbritanniens in den Fünfzigern anzuwenden – nicht nur auf die Paranoia des Kalten Krieges, sondern auch auf den traditionellen, murrenden Unmut der Briten gegen die Bürokratie“.

 

Ich kann nicht beurteilen, wie weit diese soziologische Sichtweise, die das Klima in der britischen Gesellschaft der Fünfzigerjahre umfassend auszuloten hätte, tragfähig ist. In der TV-Serie ist es vor allem eine Szene aus der ersten Episode, die „murrenden Un­mut gegen die Bürokratie“ zum Ausdruck bringt: Quatermass spricht in einem Pub in der Nähe von Winnerden Flats mit einem alten Mann, der über das undurchsichtige Verhalten der “Go­vernment people” greint. Im Film fehlt diese Szene. Sowohl in der TV-Serie als auch im Film kommt jedoch das ge­naue Gegenteil viel stärker zum Tragen: das treuherzige Vertrauen der Arbeiter in die Ob­rigkeiten, das erst am Ende des Films erschüttert wird. Fakt ist, dass die Prämisse von Feinde aus dem Nichts durchaus das Potenzial hat, auch in anderen Ländern als Großbritannien zu verfangen. So mag vielleicht in Deutschland das Ver­trauen auf die Unbestechlichkeit und Tüchtig­keit der staatlichen Institutionen aus der preußischen Tradition heraus gefestigter sein als in Großbritan­nien, doch sollte unter dieser Vo­raussetzung die Vorstellung, dass die gut geschmier­te bürokratische Maschinerie feindlich unter­wandert sein könn­te, nur umso mehr eine beunruhigende Wirkung entfalten.

 

Feinde aus dem Nichts wurde von Val Guest sehr straff, erfrischend lebendig und in einem glasklaren, realistischen Stil inszeniert. Die Kameraführung von Gerald Gibbs ist exzellent und abwechslungsreich – manchmal wurde sogar mit Handkamera gefilmt –, die Darsteller agieren ohne Fehl und Tadel und die Dialoge sind intelligent geschrieben. Die we­nigen Spezialeffekte machen einen aufgeräumten Eindruck und sind meistens überzeugend – mit Ausnahme vielleicht der riesigen Alienmonster am Ende des Films, die kaum irgendwo Beifall gefunden haben, die ich aber durchaus okay finde. Mit 92.000 Pfund stand der Produktion ein erheblich größeres Budget zur Verfügung als für Schock, sodass wie schon bei der TV-Serie mehr Außenaufnahmen möglich waren. Der wichtigste und beeindruckendste Drehort war die Ölraffinerie Shell Haven in Stanford-Le-Hope in Essex, für die der Ölkonzern problemlos eine Drehgenehmigung gab (auf derselben Raffinerie wurden zuvor auch schon die Außenaufnahmen der TV-Serie gedreht). Das Gewirr aus Rohr­leitungen, Pumpenhäusern und riesigen Öl- und Gastanks gab eine perfekte Kulisse für den Indus­triekomplex von Winnerden Flats ab. Die großen Kuppelbauten indes, in denen die gigantischen außerirdischen Krea­turen aufgepäp­pelt wurden, gehören nicht dazu und wurden mit gelungenen matte paintings und Modellbauten rea­lisiert.

Szenenfoto aus dem Film "Feinde aus dem Nichts" (Quatermass 2, GB 1957) von Val Guest; das außerirdische Monster
Am Ende des Films brechen riesige, außerirdische Blobs aus den Kuppelbauten hervor

Der Showdown des Films ist spektakulär: Die bis dahin getäuschten Arbeiter rotten sich in einem wütenden Mob zu­sammen, erstürmen das Fabrikgelände und leisten sich ein wildes Feuergefecht mit den unterwanderten Sicherheits­kräften. Eine tödliche Schlacht unter dem hämmernden Stakkato der Maschinengewehre entbrennt. Anders als in In­vasion vom Mars ist es nicht das Militär, das die Rettung herbeiführt – hier sind die Streitkräfte längst unter der Kon­trolle der Aliens –, sondern der Aufstand des Volkes selbst fegt das konspirative Geflecht samt Teufelsbrut hinweg. Das Happy End gelingt dann etwas zu glatt, aber das ist nicht so tragisch. Eine weitere Schwäche betrifft die etwas unklare Konzeption der Aliens. Sie scheinen eine Art Schwarmintelligenz zu sein, wie Quatermass vermutet – “a thou­sand billion intelligences, if you like, but one single consciousness” –, doch die Beziehung der Aliens aus den Meteori­ten, die die Menschen übernommen haben, zu den gigantischen, Blob-ähnlichen Alienmonstern in den Kuppelbauten, die sich dort mit ammoniakhaltiger künstlicher Nahrung füttern lassen, bleibt unklar. In der TV-Serie wird diese Bezie­hung hingegen ausführlich erörtert. Demnach sind die Blobs in den Kuppeln Zusammenschlüsse von zahlreichen Aliens aus den Meteoriten, die in der Lage sind, sich in Größe, Gestalt und Masse zu wandeln.

 

Mit Feinde aus dem Nichts haben Nigel Kneale und Val Guest einen der besten Science-Fiction-Filme der Fünfziger­jahre geschaffen. Der packende Sci-Fi-Reißer ist auch heute noch sehr kurzweilig und unterhaltsam und jedem Aficio­nado nur wärmstens ans Herz zu legen.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 7. September 2018

Szenenfotos © Hammer Film Productions