Blob – Schrecken ohne Namen

Bluray-Cover für den Film "Blob -- Schrecken ohne Namen" (The Blob, USA 1958) von Irvin S. Yeaworth Jr.

The Blob (USA 1958)

 

Regie: Irvin S. Yeaworth Jr.

Drehbuch: Theodore Simonson und Kay Linaker (als Kate Phillips), nach einer Idee von Irvine H. Millgate. Kamera: Thomas E. Spalding. Schnitt: Alfred Hill­mann. Musik: Ralph Carmichael; Titelsong “The Blob” von Burt Bacharach und Mack David, gesungen von Bernie Knee (als “The Five Blobs”)

Darsteller: Steve McQueen (Steve Andrews), Aneta Corsaut (Jane Martin), Earl Rowe (Lt. Dave), John Benson (Sgt. Jim Bert), George Karas (Officer Ritchie), Stephen Chase (Dr. T. Hallen), Olin Howlin (alter Mann), Elbert Smith (Henry Martin), Audrey Metcalf (Mrs. Martin)  u. a.

Produzent: Jack H. Harris. Assoziierter Produzent: Russell S. Doughten Jr. Companies: Tonylyn Productions Inc., Valley Forge Films, Fairview Produc­tions; Paramount Pictures (Verleih). Laufzeit: 85 Minuten; Farbe

Premiere: 12. September 1958 (USA); 18. März 1960 (Deutschland; Filmtitel bei der deutschen Wiederaufführung 1977: Angriff aus dem Weltall)

 

In einem Wald in der Nähe einer amerikanischen Kleinstadt stürzt ein Meteor vom Himmel und bringt ein amorphes Lebewesen aus Protoplasma auf die Erde. Ein neugieriger alter Mann ist der Erste, der die Absturzstelle untersucht. Dabei setzt sich das Protoplasma auf seiner Hand fest und beginnt, sich langsam auf seinem Arm auszubreiten. In Panik läuft der Mann auf die Landstraße, wo ihn die Teenager Steve und Jane beinahe mit dem Auto anfahren. Die jungen Leute bringen den Unglücklichen in die Stadt zum Arzt Dr. Hallen. Dort geschieht wenig später Furchtbares: Der alte Mann wird vom Protoplasma vollständig absorbiert, und kurz darauf werden auch die Arzthelferin Kate und Dr. Hallen vom Monster gefressen.

 

Steve beobachtet durch das Fenster den grausigen Tod des Arztes und alarmiert sofort die Polizei. Als daraufhin die Polizisten die Praxis von Dr. Hallen untersuchen, finden sie die Räume verwüstet vor, doch vom Monster, von dem Steve berichtet hat, findet sich keine Spur. Da ihm die Polizei nicht glauben will, versucht Steve auf eigene Faust, mit­hilfe mehrerer Freunde die Stadt zu warnen und nach dem Monster zu suchen, denn er ist überzeugt, dass die Stadt in großer Gefahr schwebt. Derweil sucht sich das außerirdische Protoplasma immer neue Opfer und wird beständig grö­ßer und größer . . .

 

Ein menschenfressender Wackelpudding

 

Der muntere, in satten Bonbonfarben gedrehte Fifties-Monsterfilm Blob – Schrecken ohne Namen hat es unter Genre­fans zu kultigem Ruhm gebracht, und das nicht nur, weil Steve McQueen (1930–1980) hier in seiner ersten Hauptrolle zu sehen ist. Mit seinem einmaligen, genialen Titel und seinem glibberigen, gesichts- und strukturlosen Monster avan­cierte der Film rasch zur ikonischen Versinnbildlichung für all die absurden und billig produzierten Monsterstreifen der Lollipop- und Auto­kino-Ära der Fünfzigerjahre. Dazu verhalf ihm vor allem sein selbstironischer Touch, durch den der Film zu einem “camp”-Klassiker wurde, lange bevor der Begriff “camp” durch Susan Sontags Essay Notes on Camp (1964) unter Kulturkritikern populär wurde.

 

Blob wurde in den Sechzigerjahren in Amerika von Komikern wie Bob Hope oder Jack Benny regelmäßig als Synonym für einen schlechten Film augenzwinkernd aufs Korn genommen (vgl. Bill Warren, Keep Watching the Skies!, S. 116; John Brosnan, The Primal Screen, S. 100), was die Popularität des Films erheblich beförderte. Später wurde Blob öfters auch in anderen Science-Fiction-Filmen zitiert, von John Carpenters Finsterer Stern (1974) bis hin zu Pixars brillanter Science-Fiction-Komödie Monsters vs. Aliens (2009). 1972 erschien mit Beware! The Blob ein schwaches, rasch verges­senes Se­quel, bei dem kurioserweise Larry „J. R. Ewing“ Hagman Regie geführt hatte (der Film blieb die einzige Regie­arbeit des späteren Stars aus der TV-Serie Dallas), aber 1988 drehte Chuck Russell ein cleveres, tricktechnisch überzeu­gendes Remake von Blob, das den Kult um das Original weiter befeuerte.

Szenenfoto aus "Blob -- Schrecken ohne Namen" (The Blob, USA 1958) von Irvin S. Yeaworth Jr.; Olin Howlin
Ein alter Mann (Olin Howlin) entdeckt die vom Himmel gefallene glibberige Blob-Masse zuerst . . .

Besonders symphatisch ist der augenzwinkernde Schalk des Films. Blob erzählt seine Geschichte zwar mit der ganzen Ernsthaftigkeit, die damals in Monsterstreifen üblich war – und der Produzent des Films Jack H. Harris (1918–2017) be­tont im Audiokommentar auf der Bluray, dass es ihm wirklich darum ging, einen hochwertigen Science-Fiction-Film zu machen, der ordentlich Horror erzeugen sollte. Gleichzeitig aber signalisiert der Film deutlich den spaßigen Unernst der Veranstaltung. Schon das heitere Lied “The Blob” von Burt Bacharach und Mack David, gesungen von Bernie Knee alias “The Five Blobs”, das den Vorspann des Films untermalt, lässt darüber keine Zweifel aufkommen – eine hübsche Mid-Tempo-Tanznummer mit einem markanten Saxofon-Solo, die es damals sogar als Single auf Platz 33 der Billboard-Charts schaffte. Wo andere Monsterfilme mit schrillem Or­ches­terbombast eine düstere Atmosphäre und Horror erzeu­gen wollen, evoziert Bacharachs und Davids Song das zeitge­nössische Tanzlokal – typischer Treffpunkt der damaligen Jugend, die das hauptsächliche Publikum von Mon­sterfilmen ausmachte. Der Songtext nimmt die Angst vor dem Mon­ster auf die Schippe: “Oh, beware of The Blob, it creeps, and leaps, and glides and slides across the floor, right through the door, and all around the walls, a splotch, a blotch, be careful of The Blob!”

 

In einer nächtlichen Szene – der Blob hat bereits erste Opfer gefordert – sinniert Steve mit seiner Freundin Jane darü­ber, was wäre, wenn sich alles nur als böser Albtraum oder Illusion herausstellte – und reflektiert damit die Leinwand­illusion selbst. „Morgen geht wieder die Sonne auf und es ist ein ganz normaler Tag.“ Die schönste Selbstreferenz ge­lingt dem Film in der Szene, in der das Kino selbst zum Schauplatz wird. Es läuft ein schauriger Horrorstreifen (John Parkers Daughter of Horror alias Dementia von 1955), und die Schreie im Film übertönen die des Kinovorführers, als er im Projektorraum vom Blob gefressen wird. Als der Blob dann die Fenster des Projektorraums blutrot ausfüllt, der Film plötz­lich abreißt und das Monster in den Kinosaal quillt, strömen die Menschen voller Panik aus dem Gebäude und laufen da­von. Die Szene strotzt vor köstlicher Ironie – ob nun bewusst vom Filmteam so gewollt oder nicht – und setzt ins Bild, welche Wirkung Horror- und Monsterfilme nur zu gern erzielen würden. Tatsächlich weit davon entfernt, je das Publi­kum zum entsetzten Davonrennen zu bewegen, bleibt aber alles nur illusorischer Spaß, ein Spiel, und Blob spielt die­ses Spiel gern.

Szenenfoto aus "Blob -- Schrecken ohne Namen" (The Blob, USA 1958) von Irvin S. Yeaworth Jr.; Steve McQueen, Aneta Corsaut und Stephen Chase
Steve (Steve McQueen) und Jane (Aneta Corsaut) haben den alten Mann beim Arzt Dr. Hallen (Stephen Chase) abgeliefert – wo der Blob bald weiter sein Unwesen treiben wird . . .

In den Fünfzigerjahren entstand zum ersten Mal eine sich von den Erwachsenen klar abgrenzende Jugendkultur, und in der zweiten Hälfte der Dekade brachte die Filmindustrie im Fahrwasser der James-Dean-Filme viele Streifen ins Kino, die spe­ziell auf die Zielgruppe der Teenager zugeschnitten waren und aus der Perspektive der jugendlichen Rock-’n’-Roll-Generation erzählten. Im Science-Fiction-Kino, das seit jeher die größte Anziehungskraft auf Kinder und Jugendli-che ausübte, erschienen Exploitationfilme wie I Was a Teenage Werewolf (1957), I Was a Teenage Frankenstein (1957), Teenage Cave Man (1958), Teenage Monster (1959), Teenage Zombies (1959) oder Teenagers from Outer Space (1959), die regelmäßig ein zigfaches ihrer winzigen Budgets wieder einspielten. „Teenage in einem Filmtitel versprach schwar­ze Lederjacken, Streitigkeiten mit Eltern, Rockmusik und Entenschwanz-Haartollen“ (Bill Warren, Skies, S. 748). Auch Blob gehört zu dieser Art von Teenager-Science-Fiction-Filmen. Die Helden, die die Welt vor der tödlichen Bedrohung retten, sind Teenager, und viel Zeit verwendet der Film darauf, die Lebenswelt von Teenagern abzubilden: Steve fährt mit Jane in seinem himmelblauen 1953er Plymouth Cranbrook Convertible hinaus zur lover’s lane, um seinem Mädchen Sternschnuppen zu zeigen und sie anzuschmachten; die Jugendlichen cruisen mit ihren Autos durch den Ort und fah­ren illegale Rennen; sie überlegen, ob sie ins Kino gehen, und erzählen sich die Streiche, die sie mit den Erwachsenen getrieben haben. Später schleichen sich Jane und Steve heimlich durch die Fenster aus den elterlichen Häusern.

 

Die Erwachsenen indes misstrauen den Teenagern und sehen in ihnen die eigentliche Bedrohung ihrer spießigen Ord­nung. Nach der Teilnahme an einem harmlosen Autorennen im Ort muss sich Steve vom Polizisten Dave maßregeln lassen; als Steve und Jane den vom Blob befallenen alten Mann bei Dr. Hallen abliefern, fragt der Arzt als erstes, ob Steve den Mann vielleicht angefahren hätte, und unterstellt ihm damit jugendlichen Leichtsinn am Steuer; und als Steve später der Polizei den grausigen Tod von Dr. Hallen be­richtet, die Poli­zisten in Dr. Hallens Praxis aber keine Spur vom Opfer finden, werfen sie Steve vor, nur einen bösen Scherz getrieben zu haben. Allerdings ist der Film an einem fairen Ausgleich interessiert. Er behandelt nicht allein das Treiben der Ju­gendlichen mit milder Sympathie, sondern be­müht sich auch um Verständnis für die Haltung der Er­wachsenen. Die pedantische Korrektheit des besonders misstrau­ischen Polizisten Jim wird mit seiner militärischen Er­ziehung im Korea­krieg erklärt, und im Polizisten Dave finden die Jugendlichen einen Fürsprecher, der stets um Ver­ständnis und Unvor­eingenommenheit bemüht ist: „Nur weil Jugend­liche einen Streich spielen, ist es noch kein Verbre­chen, 17 Jahre alt zu sein“, verteidigt er sie.

 

Schlussendlich sind Steve, Jane und alle anderen Teenager im Film keine rebels without a cause, keine Kriminellen, sondern brave Bürger wie ihre Eltern, die jedoch zu ihrem Leidwesen von den Erwachsenen ständig diffamiert und nicht ernst genommen werden. Dave wird zum entscheidenden Mittler – er erkennt im Show­down des Films Steves heroischen Einsatz zur Rettung der Stadt an und arbeitet mit ihm zusammen. Selbst Janes autoritärer Vater, der ört­liche Schuldirektor, schließt sich dem Bündnis mit den Jugendlichen an, obwohl es ihm einige Überwindung kostet, einen Stein in die Hand zu nehmen und die Scheibe in der Tür seiner eigenen Schule einzuschla­gen, um von dort meh­rere Feuerlöscher – Waffen gegen den Blob – zu holen.

Szenenfoto aus "Blob -- Schrecken ohne Namen" (The Blob, USA 1958) von Irvin S. Yeaworth Jr.
Halbstarkenspielchen – Al, Tony und Mooch fordern Steve zu einem Autorennen heraus

Blob – Schrecken ohne Namen wurde nicht in Hollywood gedreht, sondern in den Valley Forge Film Studios in Chester Springs, Pennsylvania sowie in den benachbarten Ortschaften Downingtown, Phoenixville und Royersford. Jack H. Har­ris lebte damals in Philadelphia und hatte seine Brötchen bisher als lokaler Filmverleiher und PR-Profi in der Ver­mark­tung von Filmen verdient. Bereits seit er Das Ding aus einer anderen Welt (1951) gesehen hatte, hatte Harris mit dem Gedanken gespielt, selbst einen hochwertigen, effektvollen Science-Fiction-Film mit glaubwürdigen Charakteren und einer cleveren Story auf die Beine zu stellen. Als er schließlich eines Tages dem Produzenten Robert Lippert (1909–1976) offen ins Ge­sicht sagte, dass seine Filme minderwertiger Schund seien, forderte der in seiner Eitelkeit verletzte Lippert ihn offen heraus, es doch erst einmal selbst besser zu machen. Harris nahm die Herausforderung an und mach­te sich ans Werk. Sein Freund Irvine H. Millgate tüftel­te die grundlegende Storyidee von einem gallertartigen, unzer­störbaren Monster aus – wenngleich er beileibe nicht der erste damit war. In den britischen Hammer-Horrorfilmen Schock (1955)XX . . . Unbekannt (1956) und Feinde aus dem Nichts (1957) waren bereits ähnlich amorphe Blob-Monster zu se­hen gewesen, die Millgate wahrscheinlich auch inspiriert haben. Doch wie dem auch sei – mit der Blob-Idee im Gepäck traf sich Harris mit Irvin S. Yeaworth Jr. (1926–2004), einem Produzenten und Regisseur, dem die nicht weit von Phila­delphia gelegenen Valley Forge Studios gehörten. Harris vereinbarte mit ihm, dass sie in den Valley Forge Studios ge­meinsam den geplanten Film realisieren würden.

 

Der in Berlin geborene Yeaworth Jr. war ein Pastorensohn und frommer Christ, und sein lebenslanger Antrieb bestand darin, die frohe Botschaft Christi auf verschiedene Weisen zu verbreiten – durch das Radio, durch Filme und später auch durch Themenparks. Zu Beginn seiner Karriere hatte er christliche Radioprograme produziert, bis er 1949 als Pro­duzent und Regisseur in das TV- und Filmge­schäft einstieg. Er drehte zahlreiche religiöse Lehrfilme in 16 mm für Kir­chen und christliche Vereinigungen – zum Teil Dokumentationen, zum Teil fiktionale Filme –, wofür er die Valley Forge Studios in Chester Springs gründete. Yeaworth pflegte am Beginn eines jeden Arbeitstages stets mit seinem Filmteam gemeinsam zu beten. Es mutet daher etwas skurril an, dass ausgerechnet ein so religiöser Mann wie er einen so schril­len Science-Fiction-Film wie Blob inszenierte, denn Filme dieser Art wurden von der kirchlichen Film­kritik regelmäßig mit harschen Verrissen beharkt. Jack Harris überzeugte Yeaworth Jr. jedoch davon, dass ein nichtreligiöser Unterhal­tungs­film auch mehr Aufmerksamkeit auf die übrigen Produktionen der Valley Forge Studios lenken würde – und als angenehmen Nebeneffekt natürlich gutes Geld einzubringen versprach.

 

Das Drehbuch wurde von Theodore Simonson verfasst, der damals regelmäßig für Yeaworth Jr. schrieb. Abschießen­den Feinschliff erhielt das Drehbuch von der damals in New York lebenden ehemaligen Hollywood-Schauspielerin und gelegentlichen TV-Drehbuchautorin Kay Linaker (1913–2008) – unter dem Pseudonym Kate Phillips. Für die Hauptrolle konnte Harris Steve McQueen (1930–1980) gewinnen, der ihm zuvor in einer kleinen TV-Rolle imponiert hatte. Damals war McQueen noch kein Superstar und entsprechend günstig anzuheuern – sein Honorar betrug nur um die 3000 Dol­lar. Die Dreharbeiten mit ihm sollen allerdings nicht einfach gewesen sein, denn der Schauspieler war eigensinnig und bestand häufig darauf, die Szenen nach seinen Vorstellun­gen abzuwan­deln. Überdies sollen er und die weibliche Hauptdarstellerin Aneta Corsaut (1933–1995) sich regelrecht gehasst haben, was immer wieder zu Reibereien am Set führte. Die meisten anderen Schauspieler kamen entweder aus lokalen Theatergruppen oder wurden – wie Aneta Cor­saut – in New York angeheuert. Für die übrige Filmcrew war die Inszenierung von Blob ziemliches Neuland: Sie drehte erstmals in 35 mm, erstmals in Farbe und erstmals einen richtigen Featurefilm. Viele der dafür erforderlichen Fähigkei­ten musste sich die Crew erst während des Drehs aneig­nen. Das ist erstaunlich, denn dafür macht der Film einen außerordentlich professionellen Eindruck.

 

Gedreht wurde vier Wochen lang, und die Kosten, ursprünglich auf 100.000 Dollar angesetzt, betrugen Jack H. Harris Aussage im Audiokommentar zufolge am Ende 130.000 Dollar. Harris nahm über Beleihungen seines Privatvermögens soviel Geld auf, wie er konnte, auch Yeaworth Jr. butterte hinein, und der Rest wurde von Mike Friedman vom Com­prehensive Film Service New York finan­ziert (vgl. Bill Warren, Skies, S. 117). Als der Film nach langen Monaten, in denen die Spezialeffekte gedreht wurden, fertiggestellt war, gelang es Harris, ihn mit ordentlichem Gewinn an Paramount zu verkaufen, die ihn ursprünglich nur als second feature für ihren neuen Film I Married a Monster from Outer Space (1958) verwenden wollten. Als Testvorführungen vom Blob allerdings außerordentlich erfolgreich verliefen, entschied man sich, Blob als eigenständigen Film zu vermarkten. Tatsächlich erwies sich Blob an den Kinokassen mit satten vier Millionen Dollar Einnahmen als ein unerwarteter Hit. Harris und Yeaworth Jr. setzten ihre erfolgreiche Zusammenarbeit danach noch zweimal fort und schufen gemeinsam noch zwei weitere Science-Fiction-Filme: Der 4-D Mann (4D Man, 1959) und Mördersaurier (Dinosaurus!, 1960).

Szenenfoto aus "Blob -- Schrecken ohne Namen" (The Blob, USA 1958) von Irvin S. Yeaworth Jr.; Colonial Theatre
Panische Flucht aus dem Kino vor dem Blob! Diese Szene wird seit 2000 auf dem jährlichen "Blobfest" am originalen Colonial Theatre in Phoenixville beim "Friday Night Run-Out" mit viel Gaudi nachgespielt

Simonson und Linaker gaben Blob – Schrecken ohne Namen ein Drehbuch, das intelligenter und interessanter ist als die Drehbücher der meisten anderen Featurefilme der damaligen Zeit. Statt übliche Stereotypen zu wiederholen, wird das Be­mühen erkennbar, die Figuren zu charakterisieren und aus ihnen glaubwürdige Menschen aus Fleisch und Blut zu machen. Der Zuschauer erfährt vergleichsweise viel über ihre inneren Beweggründe. Die Dialoge sind klug, und viel Raum nimmt der Widerstreit der Haltungen der Figuren untereinander ein. Auch der logische Aufbau der Story ist bestechend. So wird der Blob immer größer, je mehr Opfer er absorbiert hat. Als er am Ende, riesenhaft gewachsen, ein ganzes Restaurant verschlingt, in dem der Held und die Heldin gefangen sitzen, versucht die Polizei, den Blob mit einer Hochspannungsleitung unter Strom zu setzen, doch erreicht sie damit nur, dass das Restaurant in Brand gerät (aufgrund des niedrigen Budgets sieht der Zuschauer das Feuer leider nie direkt). Beim Versuch des Restaurantbesit­zers, das Feuer mit einem Kohlendioxid-Feuerlöscher zu löschen, beobachtet Steve, wie sich der Blob unter dem kal­ten Dampf zurückzieht, und erinnert sich, dass das Monster auch nicht in den Kühlraum im Supermarkt eingedrungen war, in dem sich Steve und Jane zuvor verschanzt hatten. So erkennt er, dass der Blob mit Kälte zu besiegen ist. Mit Feuerlöschern frieren die Stadtbewohner das Monster ein. Am Ende des Films wird der Blob mit einem Fallschirm in der Arktis abgeworfen, wo er nicht wieder auftauen kann.

 

Steve McQueen und Aneta Corsaut überzeugen in ihren Rollen – er als junger Held, sie als adretter Backfisch –, aller­dings sind sie kaum als wirkliche Teenager glaubwürdig: Beide waren während der Dreharbeiten bereits Mitte bzw. Ende Zwan­zig. Die übrigen Schau­spieler sind sympathisch und agieren solide, wenn auch etwas steif. Yeaworth Jr.s betuliche Regie entwickelt lei­der nie ein Gespür für dramatische Action, und die Horrorszenen entfalten dadurch, dass der Blob sich nur langsam dahin­wälzt, nur mäßigen Thrill.

 

Tricktechnisch wurde der Blob passabel umgesetzt. Er bestand in den meisten Szenen aus einem Klumpen sehr wei­chen Silikons, der mit Lebensmittelfarbe rot eingefärbt worden war (vgl. Skies, S. 119). In vielen Szenen wurde der Blob mithilfe von vergrößert abgezogenen Fotografien des Sets animiert, die auf Sperrholzplatten geklebt worden waren. Zunächst wurde der Blob auf diesen Platten platziert. Die Platten wurden dann mitsamt der Kamera und der Beleuch­tung langsam in die gewünschte Richtung gekippt, sodass der Silikonklumpen auf der Fotografie begann, abwärts zu rollen; in der Aufnahme entstand die Illusion, der Blob würde sich horizontal auf dem Fußboden vorwärts bewegen. In anderen Szenen wie beispielsweise in der Autowerkstatt wurde ein Wetterballon als Blob benutzt, und ab und zu ka­men auch Zeichentricks oder auch nur simple Malereien vom Blob zum Einsatz. In einigen Einstellungen, zum Beispiel in der Kinoszene, wurden offenbar auch Frame-by-Frame-Aufnahmen gemacht, um die Bewegungen des Blobs zu be­schleunigen, wodurch diese wie Stop-Motion-Aufnahmen wirken. Mit all diesen tricktechnischen Einfällen wurden teure optische Effekte praktisch ganz vermieden. Insgesamt sind die Spezialeffekte recht clever gemacht, überzeugen jedoch auch nach dem Maßstab der damaligen technischen Standards nicht immer.

 

Die schauerlichste Wirkung erzeugt der Blob am Anfang des Films: Nachdem der alte Mann im Wald das Protoplasma entdeckt hat, wechselt die zunächst farblose Gallertmasse von einem Holzstock auf seine Hand über; wenig später ist die gesamte Hand von dem pulsierenden Protoplasma bedeckt, das sich inzwischen blutrot verfärbt hat. Von solidem Horror ist auch die Szene in Dr. Hallens Arztpraxis: Der alte Mann leidet auf einer Liege, und der Arzt vermag nichts gegen das sich ausbreitende Protoplasma an seinem Arm auszurichten. Wenig später ist der alte Mann plötzlich ganz verschwunden, und auf dem Fußboden kauert der rote, schillernde Blob, deutlich größer als vorher – und Dr. Hallen erklärt seiner Arzthelferin, dass das Wesen den alten Mann offenbar vollständig „absorbiert“ habe (was eigenartiger­weise die Kleidung und Schuhe des Opfers mit einschließt).

Szenenfoto aus "Blob -- Schrecken ohne Namen" (The Blob, USA 1958) von Irvin S. Yeaworth Jr.; Colonial Theatre
Der Blob, riesenhaft gewachsen, setzt vor dem Colonial Theatre zum finalen Angriff an

Von da an wird das Geschehen leider etwas albern, denn der Blob bewegt sich stets im Schneckentempo. So bleibt es völlig unglaubwürdig, dass der Arzthelferin und Dr. Hallen die Flucht nicht gelingen will und sie beide zu Opfern des Monsters werden. Zum Verdruss des Zuschauers geschieht dies auch noch off-screen. Die Einstellung, in der Steve den verzweifelten Arzt, bereits vom Blob bedeckt, kurz am Fenster erblickt, hat einen gewissen Horror, doch lei­der ist sie viel zu flüchtig und man erkennt kaum etwas. Janes Panik im Supermarkt vor dem Blob ist ähnlich albern – sie stürzt sogar hin vor Angst –, denn stets hat man den Eindruck, dass ein Entrinnen vor diesem langsam dahinkrie­chenden Monster ein Kinderspiel wäre – es reichte, sich im Spazierschritt zu entfernen.

 

Trotz der Defizite von Regie und Schnitt hat das Monster etwas Bestechendes. Es ist die reduzierteste Form eines Monsters, die sich denken lässt, eine strukturlose Masse, die nichts weiter tut als in dunklen Ecken zu lauern, Men­schen zu fressen und bedrohlich zu wachsen. Und da dem verblüffend Einfachen stets eine gewisse Eleganz und At­traktivität eignet, ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass der Blob der eigentliche Star des Films ist.

 

Blob – Schrecken ohne Namen ist auch heute noch ein unterhaltsamer, nostalgischer Monsterstreifen, der mit seinem schicken Fünfzigerjahre-Kolorit, seiner beschaulichen Dramaturgie und seinem moderaten Horror den Zuschauer grinsen lässt. Sein schwarzhumoriger Schalk, seine ironische Selbstreferentialität und sein interessanter Umgang mit dem Generationenkonflikt sind darüber hinaus erfreuliche Zugaben, die den Streifen über den Durchschnitt des dama­ligen Genrefilms emporheben. Ein sehenswerter Klassiker.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 22. Mai 2018

Szenenfotos © Tonylyn Productions, Inc.; Capelight Pictures