Der Blob

DVD-Cover zu dem Film "Der Blob" (The Blob, USA 1988) von Chuck Russell

The Blob (USA 1988)

 

Regie: Chuck Russell

Drehbuch: Chuck Russell und Frank Darabont, nach Motiven des Drehbuchs für Blob – Schrecken ohne Namen (1958) von Irvine H. Millgate, Theodore Simonson und Kay Linaker. Kamera: Mark Irwin. Schnitt: Tod Feuerman und Terry Stokes

Musik: Michael Hoenig

Darsteller: Kevin Dillon (Brian Flagg), Shawnee Smith (Meg Penny), Jeffrey DeMunn (Sheriff Herb Geller), Paul McCrane (Deputy Bill Briggs), Candy Clark (Fran Hewitt), Joe Seneca (Dr. Meddows), Del Close (Reverend Meeker), Sharon Spelman (Mrs. Penny), Beau Billingslea (Moss Woodley), Donovan Leitch Jr. (Paul Taylor), Michael Kenworthy (Kevin Penny), Billy Beck (alter Mann) u. a.

Produzenten: Jack H. Harris und Elliott Kastner

Companies: Palisades California Inc.; TriStar Pictures (Verleih)

Laufzeit: 95 Minuten; Farbe; FSK 18

Premiere: 5. August 1988 (USA); 20. Oktober 1988 (Deutschland)

 

In der Nähe der Kleinstadt Arbeville in Kalifornien fällt ein Meteor vom Himmel. Ein alter Landstreicher, der den Fall des Meteors beobachtet hat, inspiziert daraufhin die Einschlagstelle. Als er mit einem Stock in dem glühenden Klum­pen im Krater herumstochert, gleitet eine ätzende, glibberige Masse aus dem Klumpen heraus, setzt sich auf seiner Hand fest und beginnt, sie aufzulösen und zu verdauen. Unter Schmerzen stolpert der Landstreicher davon und stößt zufällig auf den Teenager Brian Flagg, der im Wald gerade sein defektes Motorrad repariert. Der alte Mann läuft wei­ter, gefolgt von Brian, und stürzt auf eine Landstraße – direkt vor das Auto von Paul, der gerade seine Freundin Meg zu einem Date ausführt.

 

Paul und Meg kennen Brian, da sie einst mit ihm zusammen zur Schule gingen. Die drei jungen Leute bringen den Mann nach Arbeville ins Krankenhaus, und als Brian feststellt, dass er nicht mehr gebraucht wird, geht er sofort wie­der, während Paul und Meg bleiben, um Papierkram auszufüllen. Bald darauf geschieht Entsetzliches: Der „Blob“ auf der Hand des alten Mannes absorbiert zunächst dessen halben Körper, verbirgt sich dann an der Zimmerdecke und verschlingt schließlich auch Paul und den behandelnden Arzt, bevor er spurlos verschwindet.

 

Meg, die Pauls grauenhaften Tod mitansehen muss, erleidet einen schweren Schock. Niemand will ihr ihre Geschichte von einem amorphen, protoplasmischen Monster glauben. Daher fleht sie Brian um Hilfe an. Brian ist ein aus armen Verhältnissen stammender Außenseiter in der Stadt, der bereits öfters mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, und eigentlich will er mit den hochnäsigen Middleclass-Teenagern seiner ehemaligen Schule nichts zu tun haben. Dennoch lässt er sich überreden, Meg beim Beweis ihrer Geschichte zu helfen. Schon bald müssen Brian und Meg allerdings um ihr nacktes Überleben kämpfen, denn der „Blob“ verschlingt immer mehr Menschen in der Stadt, wird dabei immer größer und lauert seinen Opfern überall auf. Als schließlich Scharen von Militärs in weißen Schutzanzügen in der Stadt einfallen, um den „Blob“ einzufangen, kommt Brian dahinter, dass der vom Himmel gefallene Meteor in Wirklichkeit ein künstlicher Satellit und der „Blob“ die außer Kontrolle geratene Testversion einer neu entwickelten bakteriologischen Waffe ist . . .

 

Cooles Gore-Remake des 1958er Sci-Fi-Klassikers

 

Chuck Russells Neuverfilmung des klassischen, von Irwin S. Yeaworth Jr. inszenierten Science-Fiction-Streifens Blob – Schrecken ohne Namen (1958) zählt zu den seltenen Fällen, in denen das Remake das Original um Längen übertrifft. Der symphatisch besetzte Film ist kurzweilig und voller unerwarteter Wendungen; vor allem aber löst er mit seinen zahlreichen Schockmomenten den Horror ein, den das putzige Original nur versprochen hat. Damit macht er enormen Spaß. Ich schätze das Original mit Steve McQueen sehr, wie in meiner Rezension zu dem Film ausführlich nachzulesen ist. Aber das Original ist in erster Linie ein Nostalgiestück, das in der Darstellung des Horrors den zahmen Konventio­nen der Fünfzigerjahre nur zu willig gehorcht. Das Remake hingegen, das wie das Original von Jack H. Harris (1918–2017) produziert wurde, macht mit seinen weidlich ausgekosteten Splatter- und Gore-Effekten aus dem Erzählstoff endlich den Horrorschocker, den man von der Story auch erwartet.

Szenenfoto aus dem Film "Der Blob" (The Blob, USA 1988) von Chuck Russell
Der Blob hat von dem alten Mann nicht sehr viel übriggelassen . . .

Wobei das mit der Nostalgie ja so eine Sache ist. Als Der Blob im Sommer 1988 in die amerikanischen und im Herbst dann auch in die deutschen Kinos kam, waren viele Kritiker damals der Ansicht, dass das Remake „überflüssig“ sei – und bemühten damit einen Standardvorwurf, der gerne gegen jedwede Neuverfilmung erhoben wird. Phil Hardys Sci­ence Fiction Filmenzyklopädie (1998) verriss den Film auf ganzer Linie und nannte ihn „eine kostspielige Neuauflage, die dem Original nichts hinzuzufügen hat“, ja, mehr noch: Das Monster sei hier „irgendwie weniger gruselig im Ver­gleich zum kindisch-einfachen Schleimwesen des Originals“ (S. 436). Und das TIP-Magazin meinte: „Mit dem naiven Charme des Ur-Blobs, das hat Regisseur Chuck Russell sehr wohl begriffen, kann das Remake nicht konkurrieren“ (zi­tiert nach Hahn/Jansen, Lexikon des Science Fiction Films, 7. Aufl. 1997, S. 113). Inzwischen hat das Remake nach dreißig Jahren längst selbst einen nostalgischen Achtzigerjahre-Charme entwickelt – der sich am augenfälligsten in der „hand­gemachten“, physischen Tricktechnik und der Vokuhila-Frisur und Röhrenjeans des jugendlichen Helden manifestiert. Der Streifen kostete etwa 17 Millionen Dollar, spielte auf dem heimischen Markt allerdings nur magere 8,2 Millionen Dollar wieder ein und war somit im Kino ein Flop. Das ist eigenartig, denn eigentlich macht der Film nichts falsch, wäh­rend er seine Zielgruppe – Teenager – konsequent im Auge hat. John Brosnan (1947–2005), der den Film mochte, kom­mentierte das trocken so:

 

„Wie der alte Blob zielte dieser neue sehr stark auf ein Teenager-Publikum, aber im Gegensatz zum alten Film verfehlte er sein Ziel. Ich weiß nicht warum. Die Dialoge sind nicht ganz so toll, doch in jeder anderen Hinsicht dachte ich, dass der Film gut ist. Die Kinder heutzutage . . . wissen einfach nicht, wie gut sie’s haben.“ (The Primal Screen, S. 303)

 

Inzwischen hält eine solide Fangemeinde zum 1988er Blob, die allerdings, so vermute ich, mehrheitlich über vier­zig sein dürfte und ihrerseits mit nostalgischen Gefühlen auf einen Film zurückblickt, den sie einst als Teens im Kino erlebt hatten – ganz so, wie eine Generation zuvor das Original in Ehren hielt.

 

Chuck Russell (geb. 1958), der ein Jahr vor dem Blob mit Nightmare III – Freddy Krueger lebt (1987) sein Regiedebut ge­geben hatte und später weitere Genrefilme wie Die Maske (1994), Eraser (1996) und The Scorpion King (2002) insze­nierte, liefert mit Der Blob einen krassen Horrorstreifen mit erstklassigen Gore-Effekten ab, die tricktechnisch noch nach alter Schule ohne CGI-Unterstützung realisiert wurden und anno 1988 in jeder Hinsicht den state of the art dar­stellten. Man fühlt sich in vielen Szenen an das ähnlich ausgelassene wie perfekt getrickste Gore-Feuerwerk erinnert, das Rob Bottin in John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt (1982) entfesselte. Alle tricktechnischen Möglich­keiten und Makeup-Künste kamen zum Einsatz, von Stop-Motion-Animation über Animatronik und Modellbauten bis hin zu Latexmasken und -prothesen. Verantwortlich für die aufwendigen Makeup-Effekte war Tony Gardner, der seit seiner ersten Arbeit, Michael Jacksons Thriller-Video (1983), in zahlreichen Genrefilmen seine Kunst unter Beweis ge­stellt hat  beispielswei­se in Aliens – Die Rückkehr (1986), Armee der Finsternis (1992), Batman und Robin (1997) oder Scary Movie 2 (2001). Lyle Conway, einer der maßgeblichen Effektdesigner, erklärte in Cinefantastique Vol. 19, Nr. 1–2 (1989), dass der Job einem Albtraum gleichkam. „Das ist der einzige Film, an den ich mich erinnern kann, wo der Star des Films in einem Eimer an­kam. Es war die Hölle, aus ihm eine Performance herauszuholen.“

Szenenfoto aus dem Film "Der Blob" (The Blob, USA 1988) von Chuck Russell; Donovan Leitch Jr.
Megs schmucken Freund Paul (Donovan Leitch Jr.) ereilt ein unappetitliches Ende

Die Ergebnisse sind allerdings vollkommen überzeugend. Das Monster ist anders als im gemütlichen Original ein ex­trem schnelles und höllisch gerissenes Wesen, das seinen Opfern heimtückisch auflauert und sie sehr schnell einholt – selbst wenn es sie an der Decke kriechend verfolgt. Damit hat der Film das Hauptmanko des originalen Monsters gründlich ausgemerzt. Der neue Blob hat zudem die Fähigkeit, seine Gestalt beliebig zu wandeln und lange Tentakel zu bilden, mit denen er nach seiner Beute greift. Es gibt eine Reihe einfallsreicher, surrealer Szenen, die sich unweiger­lich ins Gedächtnis brennen – allen voran die unvergessliche Szene, in der die Küchenhilfe in Frans Diner vom Blob vollständig durch ein Fünf-Zentimeter-Abflussrohr (!) gezogen wird, dass das Blut nur so durch die Rohrmuffen spritzt, oder Frans verzweifelte Lage in einer Telefonzelle, die vom Blob umflossen wird, sodass Fran voller Entsetzen die ent­stellten Überreste des Gesichts vom bereits gefressenen Sheriff wie in einem glibberigen Aquarium ansehen muss, be­vor die Telefonzelle implodiert und Fran selbst absorbiert wird. Nicht minder effektvoll sind Szenen, in denen der Blob an der Decke über seinen Opfern klebt und dabei noch Konturen des zuvor verschlungenen Opfers aufweist, oder sich in einem Kino über Massen von Kinobesuchern hergemacht hat, sodass der Blob, tentakelschwingend, den halben Ki­nosaal ausfüllt. In einer Szene versucht Meg verzweifelt, ihren bereits halb zersetzten Freund aus der Blobmasse he­rauszuziehen, und reißt ihm dabei einen blutigen Arm ab, der zuckend auf dem Boden liegen bleibt.

 

Das Drehbuch wiederholt eine Menge Ideen des Originals – etwa die Geschichte um den alten, in der Wildnis leben­den Mann, der als erster vom Blob angefallen wird, die Szenerie der Polizeistation, die Flucht des Heldenpaares in ein Kühlhaus und natürlich die berühmte, selbstreferenzielle Szene, in der der Blob in einem Kino sein Unwesen treibt. All dies wird keineswegs plump kopiert, sondern gekonnt gehandhabt und in die liberalere Gegenwart des Films übertra­gen. Auch das sozialkritische Thema, das dem Originalfilm im Gefolge der James-Dean-Filme unterlegt worden war – der Konflikt der Teenager mit den Erwachsenen, die in ihnen nur Störer der spießigen Ordnung sehen – wiederholt und modernisiert der Film. Die junge Heldenrolle, die Steve McQueen im Original bekleidete, ist hier weitaus rebelli­scher gezeichnet und wird von Kevin Dillon (geb. 1965), dem Bruder von Matt Dillon, überzeugend gespielt. Nicht nur, dass seine Figur Brian Flagg Lederjacke trägt und Motorrad fährt – sie entstammt überdies dem white trash der Arbei­terklasse und ist schon öfters kriminell geworden. Der Deputy der Stadt hingegen kann es kaum abwarten, dass Brian endlich 18 Jahre alt wird und nach Erwachsenenstrafrecht hinter Gitter gebracht werden kann, und es steht für ihn auch außer Frage, dass Brian die Schuld am Verschwinden von Paul trägt.

 

Im Gegensatz zu ihm ist die junge Heldin Meg Penny, dargestellt von Shawnee Smith (geb. 1969), ein sauberes Mäd­chen aus gutem, bürgerlichen Hause, das sich anfangs nur mit ihrem schnöseligen Freund Paul (Donovan Leitch Jr.) ab­gibt. Dass der saubere Paul recht schnell ein Opfer des Blobs wird und vor den Augen seiner Freundin einen alles an­dere als sauberen, nämlich abstoßenden, schleimig-monströsen Tod findet, kommt für den Zuschauer überraschend; überhaupt hat der Film seine Freude daran, Figuren, die zunächst als Sympathieträger präsentiert wurden, wenig spä­ter vom Blob killen zu lassen. Selbst ein Kind, der Kumpel von Megs Bruder Kevin, wird Opfer des Blobs. Das Teenager-Thema spiegelt in seinem Antagonismus zwischen den schicken Middleclass-Jugendlichen und dem rebellischen Un­derdog aus der Arbeiterschicht ein Stück weit die damals sehr populären Teenager-Komödien von John Hughes – es weht ein Hauch von Breakfast Club (1985) durch den Blob.

Szenenfoto aus dem Film "Der Blob" (The Blob, USA 1988) von Chuck Russell; Shawnee Smith und Kevin Dillon
Meg (Shawnee Smith) und Brian (Kevin Dillon) verschanzen sich im Kühlhaus des Diners vor dem Blob

Die gravierendste Neuerung im Drehbuch betrifft die Herkunft des Blobs, der nun nicht länger ein Alien aus dem Welt­raum, sondern eine im Auftrag des US-Militärs geschaffene biologische Waffe darstellt, die außer Kontrolle geraten ist. Aus nicht erläuterten Gründen wurde eine Probe der gentechnisch entwickelten Mikroorganismen an Bord einer Raumsonde ins All geschossen, wo sie unter der kosmischen Strahlung offenbar zum protoplasmischen Blob mutierte. Im Bemühen, den Blob wieder einzufangen, riegelt das Militär die gesamte Gegend hermetisch ab und ist bereit, im Dienste der Geheimhaltung auch mitleidlos über Leichen zu gehen. „Zivilisten sind entbehrlich“, erklärt der Leiter der Operation Dr. Meddows kühl, und gibt mehrfach im Film den Befehl, auf Brian zu schießen. Gleichzeitig ist Meddows ganz besessen vom Blob und sieht in ihm die ultimative biologische Waffe; diese sei „der größte Durchbruch in der Waffenforschung seit der Spaltung des Atoms.“ So mischt das Drehbuch das seit Watergate und Filmen wie Androme­da – Tödlicher Staub aus dem All (1971) und Phase IV (1974) gängig gewordene Misstrauen gegenüber einer verschwö­rerischen, kaltblütigen Staatsmacht und der mit ihr verbündeten Wissenschaft seiner Rezeptur hinzu, und neben dem Blob müssen sich Brian und Meg nun auch gegen die Gefahr wehren, die von den mörderischen Militärs in weißen Schutzanzügen und ihrem skrupellosen Anführer Dr. Meddows ausgeht. Ich muss allerdings sagen, dass ich über diese Wendung in der Geschichte enttäuscht war und bin. Ich hätte es lieber gesehen, wenn der Blob auch hier eine garsti­ge, fremde Lebensform aus dem All dargestellt hätte.

 

Doch das ist eigentlich auch schon der einzige, ganz persönliche Einwand, den ich gegen Der Blob vorbringen kann. Alles in allem ist der Film ein hervorragend gelungenes Remake, das das Original deutlich übertrifft – was man von vielen anderen Remakes wie beispielsweise Tobe Hoopers Invasion vom Mars (1986) nicht unbedingt behaupten kann. Auch sind die Makeup- und Spezialeffekte in den letzten dreißig Jahren erstaunlich gut gealtert und sehen immer noch klasse aus. Chapeau!

 

Seit einigen Jahren schon kursieren Gerüchte um ein geplante weitere Neuverfilmung des Blob, die der Produzent und Regisseur Simon West (Con Air; Lara Croft: Tomb Raider; The Expendables 2; Night of the Living Dead: Darkest Dawn) auf die Beine stellen will. Die letzten Berichte darüber vermelden, dass Halle Berry und Samuel L. Jackson ihre Mitwir­kung in dem Film schon zugesagt haben. West selbst äußerte sich 2015 in einem Interview über das Projekt und sprach davon, dass seine Version einen wesentlich größeren Skopus erhalten soll als die Vorgängerfilme; sie soll stärker in Richtung Science-Fiction gehen und mehr ein Alien-Invasions-Thriller statt ein klassischer, räumlich eng begrenzter Horrorfilm werden. Überdies soll der Blob aus dem All eine Backstory über seine Herkunft erhalten. Das alles klingt für meine Begriffe nicht gerade vielversprechend – braucht der Blob wirklich eine Backstory? –, aber ein Urteil über all diese Ideen ist natürlich erst möglich, wenn der geplante Film auch fertig gestellt werden sollte. Hoffen wir für das Projekt das Beste!

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 3. Juli 2018

Szenenfotos © TriStar Pictures; Columbia TriStar Home Entertainment