Larry Niven/Edward M. Lerner: Die Flotte der Puppenspieler

Buchcover des Romans "Die Flotte der Puppenspieler" (Fleet of Worlds, 2007) von Larry Niven und Edward M. Lerner

Fleet of Worlds (2007). Science-Fiction-Roman. 2008 in Deutsch im Bastei Lübbe Verlag Köln erschienen (Bastei Lübbe Taschenbuch 24373). Übersetzung von Ulf Ritgen. Taschenbuch, 428 Seiten.

 

Im Jahre 2197 befindet sich das irdische Raumschiff Long Pass mit Unterlichtgeschwindigkeit auf dem Weg durch die interstellaren Weiten zu einem anderen Sonnensystem, um dort eine menschliche Kolonie zu gründen. Ein erster Kon­takt mit einer fremden Spezies führt jedoch für die Schiffsbesatzung zu einer Katastrophe.

 

450 Jahre später hat das außerirdische Volk der „Puppenspieler“ seine Flucht aus der Galaxis angetreten, die wegen einer gewaltigen Explosion in ihrem Kern als Lebensraum zu unsicher geworden ist. Für ihre lange Reise haben die Puppenspieler ihre dicht besiedelte Heimatwelt Hearth sowie fünf weitere Planeten, die als Landwirtschaftskolonien dienen, zu einer ringförmigen Formation angeordnet und damit begonnen, diese „Weltenflotte“ mit reaktionslosen Antrieben aus der Galaxis hinaus zu verschieben. Mit der Erkundung des vorausliegenden Weges wird der Puppenspie­ler Nessus betraut (der über 200 Jahre später mit Louis Wu die Ringwelt erforschen wird). Nessus rekrutiert seinerseits eine Gruppe von Menschen, die einer Menschenkolonie auf einer der sechs Puppenspielerwelten angehören, und bildet sie für die gefährlichen Erkundungsflüge aus. Allerdings hat der Puppenspieler nicht damit gerechnet, dass die ausgewählten Menschen im Verlauf ihrer Ausbildung immer mehr Interesse daran entwickeln, die von Geheimnissen umwölkte Beziehung ihrer eigenen Spezies zu den Puppenspielern zu hinterfragen – mit unangenehmen Folgen für die Regierung der Weltenflotte . . .

 

Ein kurzweiliges Abenteuer aus dem Ringwelt-Universum

 

Die Flotte der Puppenspieler ist ein gelungener Roman aus Larry Nivens „Ringwelt-Universum“ mit einem spannenden, interessanten Plot und symphatischen, glaubwürdigen Figuren. Der Ton und Erzählfluss ist deutlich anders als in den ursprünglichen drei Ringwelt-Romanen Ringwelt (1970), Ringwelt-Ingenieure (1980) und Ringwelt-Thron (1996) – abge­klärter und ruhiger – und scheint mir auf Edward M. Lerners Konto zu gehen. Es stellt sich der leise Verdacht ein, dass die schriftstellerische Hauptarbeit der Ko-Autor geleistet hat. Wie auch immer, auf jeden Fall ist dieser Roman ein will­kommenes, flott und unterhaltsam zu lesendes Kapitel aus dem „Ringwelt-Universum“.

 

Die Flotte der Puppenspieler fabuliert Elemente der Vorgeschichte zum Roman Ringwelt aus, die dort nur kurz skiz­ziert worden waren – vor allem die Flucht der Weltenflotte der Puppenspieler sowie die Manipulation der Geburts­rechts­gesetze im menschlich besiedelten Weltraum, die bereits in Ringwelt ein unrühmliches Licht auf den ansonsten sehr sympathischen Nessus geworfen hatte. Das „Wiedersehen“ mit Nessus ist für jeden Ringwelt-Fan natürlich höchst erfreulich; außerdem begeistert, dass hier zum ersten Mal die überaus interessant gezeichnete Puppenspieler-Spezies in den Mittelpunkt gestellt wird, um ihr erzählerisches Potenzial endlich einmal auszuschöpfen. Hinzu tritt eine wen­dungsreiche, originelle Erzählung, die sich um die Verflechtung der in der Weltenflotte lebenden Menschen mit den Puppenspielern dreht.

 

Die Puppenspieler machen ihrem Namen erneut alle Ehre. Sie erscheinen mit wohldurchdachter, nachvollziehbarer Charakteristik, die über die stereotype Ängstlichkeit des Herdentieres hinausreicht. Die Puppenspieler manipulieren fremde Spezies mit einer Kaltblütigkeit, die, wenn es sein muss, auch vor der totalen Auslöschung nicht zurück­schreckt. Gleichzeitig werden sie aber auch als höchst sensibel und kultiviert dargestellt. Kunst und feingeistiger Müßiggang sind ihre Lieblingsbeschäftigungen auf Hearth, ihrer Heimatwelt, auf der sie ein vollkommen gesichertes Leben in Harmonie und Wohlstand führen. Generell haben die Puppenspieler durchaus ihre Skrupel und Moralbegriffe und ziehen es lieber vor, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Wenn es aber darauf ankommt, spielen Rücksichten keine Rolle mehr; der Schutz der Herde – sprich: der eigenen Spezies – geht über alles. Besonders Nessus selbst wirkt in dieser Hinsicht sehr widersprüchlich, um nicht zu sagen schizophren.

 

Sehr interessant werden auch die „Gw’oth“ gezeichnet, eine auf einem Eismond lebende intelligente Spezies, die wie Seesterne aussehen und sich zu großen denkenden Einheiten zusammenschließen können. Die menschlichen Prota­gonisten sind nüchterne Raumfahrer, die vielleicht ein wenig zu milde und rational gezeichnet werden; gleichwohl wirken sie auf den Leser symphatisch. Ihr Handeln bleibt nachvollziehbar und glaubwürdig, während ihr Idealismus gegen Ende hin fast rührend wirkt. Sie sind teilweise ziemlich naiv und wären im Verlauf der Handlung schon x-mal gescheitert, würden die Puppenspieler ihre Ziele nur mit konsequenter Brutalität verfolgen. Die Naivität der Menschen erklärt sich aber glaubwürdig aus ihrer Vorgeschichte heraus.

 

Ein Manko ist, dass der Konflikt sich nicht stärker zuspitzt. Im Verlauf der Handlung gibt es zuwenig ernstliche Wider­stände, und am Ende löst sich alles viel zu glatt und einfach auf. So gibt es in der Mitte des Buches einen leichten Spannungsabfall, doch steigt die Spannung im Showdown dann wieder an, auch wenn dieser noch dramatischer hätte werden können. Insgesamt ist der Roman aber dennoch empfehlenswert und ist auch für Neueinsteiger ins Ringwelt-Universum problemlos lesbar.

 

 

© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 29. Oktober 2016