Plan 9 aus dem Weltall

DVD-Cover zu dem Film "Plan 9 aus dem Weltall" (Plan 9 from Outer Space, USA 1959) von Edward D. Wood Jr.

Plan 9 From Outer Space (USA 1959)

 

Regie: Edward D. Wood Jr.

Drehbuch: Edward D. Wood Jr.

Kamera: William C. Thompson. Schnitt: Edward D. Wood Jr.

Musik: Gordon Zahler (Editor); Emil Ascher (ungenannt)

Darsteller: Bela Lugosi (alter Mann/Untoter), Maila Nurmi (alias Vampira; Unto­te), Tor Johnson (Inspektor Daniel Clay), Gregory Walcott (Jeff Trent), Mona McKinnon (Paula Trent), Dudley Manlove (Eros), Joanna Lee (Tanna), John Bre­ckinridge (außerirdischer Herrscher), Tom Mason (Untoter mit Umhang vor dem Gesicht), Lyle Talbot (Gen. Roberts), Tom Keene (Col. Tom Edwards), Duke Moore (Lt. Johnny Harper), Carl Anthony (Polizist Larry), Conrad Brooks (Polizist Jamie), Paul Marco (Polizist Kelton), Jerome King Criswell (Erzähler) u. a.

Produzent: Edward D. Wood Jr. Companies: Reynolds Pictures; DCA (Verleih)

Laufzeit: 79 Min.; Schwarzweiß (auch nachkoloriert)

Premiere: 22. Juli 1959 (USA)

 

Außerirdische planen, die Menschheit an der „Zerstörung des Universums“ zu hindern, denn sie sind überzeugt davon, dass die Menschen in naher Zukunft eine „Solarbombe“ entwickeln werden, die das ins Weltall abgestrahlte Licht der Sonne zum Explodieren bringen wird. Doch die Außerirdischen haben Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen, weil die irdischen Regierungen beharrlich die Existenz von UFOs und Außerirdischen leugnen und als Top-Secret-Angele­genheit unter Verschluss halten. Um sich gegen diese unerhörte Ignoranz durchzusetzen, wenden die Außerirdischen ihren „Plan 9“ an: Mittels geheimnisvoller Strahlen erwecken sie die Toten auf der Erde zu Zombies. Auf diese Weise soll der Menschheit das Fürchten gelehrt werden.

 

Auf einem schauerlichen Friedhof nahe Hollywood setzen die Außerirdischen ihren Plan um, und kurze Zeit später trei­ben drei Untote dort ihr Unwesen. Von einem von ihnen wird die junge Ehefrau eines Flugzeugpiloten heimgesucht, die in der Nachbarschaft des Friedhofs wohnt. Sie kann jedoch fliehen. Mehrere Polizisten ermitteln gemeinsam mit dem Ehemann der Frau auf dem Friedhof. Sie finden das gelandete UFO, und der Außerirdische Eros lässt sie eintreten. Eros erläutert eindringlich die Gefahr, die von der Menschheit ausgeht, doch die Menschen lassen Eros’ Warnungen nicht gelten und setzen sich zur Wehr. Sie beginnen eine Schlägerei mit den Außerirdischen, bei der das UFO in Brand gerät. Die Menschen verlassen rechtzeitig die Untertasse, bevor sie sich brennend in den Himmel erhebt und explo­diert. Die Erde ist gerade noch einmal davongekommen . . . Oder nicht?

 

Der beknackteste Trashfilm aller Zeiten?

 

Ja, es ist wahr: Plan 9 aus dem Weltall, das bekannteste Machwerk des legendären Trashfilmers Edward D. Wood Jr. (1924–1978), ist ein unglaublich dümmlicher, schlechter Film. Der Streifen ist in allen nur erdenklichen Belangen stüm­perhaft zusammengeschustert. Er strotzt nur so vor debilen Gaga-Dialogen, grottenschlechten schauspielerischen „Leistungen“ und unfassbar plumpen Kontinuitätsbrüchen (z. B. das ständige unmögliche Nebeneinander von Tag und Nacht in ein und derselben Szene). Auf Schritt und Tritt werden dem Zuschauer unlogische und lachhaft bescheuerte Plotwendungen zugemutet – ja, streckenweise gibt es nicht einmal einen zusammenhängenden Plot. Dazu gesellen sich ein aus Pappe, Sperrholz und Elektroschrott zusammengewurschteltes Setdesign, das jeder Beschreibung spottet, und die miesesten silbrigen Plastik-Untertassen, die je an Bindfäden baumelnd die Leinwand behelligten. So weit, so schlecht.

Szenenfoto aus dem Film "Plan 9 aus dem Weltall" (Plan 9 from Outer Space, USA 1959) von Edward D. Wood Jr.; Vampira
Planlos – Vampira als stilsichere Untote

Als Plan 9 aus dem Weltall im Juli 1959 veröffentlicht wurde, hatte der Film, abgesehen von einigen vernichtenden Kri­tiken, so gut wie keinerlei Aufmerksamkeit erregt und war danach rasch in der Versenkung verschwunden. Erst Ende der Siebzigerjahre wurde er von einer kleinen, abseitigen Gemeinde von Trashfilm-Liebhabern wiederentdeckt. In einer Leserabstimmung, die Harry und Michael Medved in ihrem Buch The Golden Turkey Awards (1980) veröffentlich­ten, wurde der Streifen zum „schlechtesten Film aller Zeiten“ gewählt. Dieser zweifelhafte Ehrentitel machte den Film berühmt: Seither ist Plan 9 aus dem Weltall das gekrönte Meisterwerk des Trashfilms, und sein 1978 verarmt und alko­holabhängig verstorbener Regisseur Ed Wood gilt seither als der offizielle König des filmischen Schunds. Plan 9 aus dem Weltall ist wahrhaftig und ohne Übertreibung ein „Kultfilm“.

 

Dabei ist der ästhetische Superlativ natürlich Unsinn. Plan 9 aus dem Weltall ist definitiv nicht der „schlechteste Film aller Zeiten“, sondern allenfalls der „berühmteste schlechteste Film aller Zeiten“. Andere haben das Machwerk als den „unterhaltsamsten schlechtesten Film aller Zeiten“ bezeichnet. In der Tat gibt es ungezählte billig produzierte Trash­filme, die weitaus dümmlicher, humorloser und langweiliger gemacht sind als Ed Woods naive Perle filmischen Unver­mögens. Immerhin gelingt es Plan 9 aus dem Weltall, mit seinem Dilettantismus, seinem Schwachsinn und seinen ab­wegigen Einfällen tatsächlich auf eine bizarre Art und Weise zu unterhalten. Und wenn ein Film das schafft – und sei es auch nur durch unfreiwillige Komik –, hat er bereits das vorrangigste Ziel des Filmemachens erreicht. It’s showtime, Ed!

 

Vom Kinde, das auszog, große Hollywoodfilme zu drehen . . .

 

Vielleicht ist es wirklich dem viel beschworenen Enthusiasmus von Ed Wood zu verdanken, dass sein Film auf so ei­gentümliche Weise unter vielen anderen Schundfilmen herausragt. Ed Wood war ein Filmliebhaber, der mit naivem, ja, geradezu närrischem Idealismus seine Filmprojekte anfasste – ohne dass es ihm gelang, dafür nennenswerte Budgets zusammenzukratzen (Plan 9 aus dem Weltall soll nur etwa 60.000 Dollar gekostet haben). Der gute Wille musste aus­reichen. Was bedurfte es auch schon einer durchdachten Story, guter Schauspieler, hochwertiger Sets oder überzeu­gender Spezialeffekte? Das Cowboy spielende Kind bellt ja auch nur „Peng!“, wenn es seinen Spielzeug-Revolver ab­feuert, und in diesem Moment reicht ihm die Vorstellung eines Schusses vollkommen aus. Filme waren Ed Wood vor allem großer, unechter Budenzauber, und der konnte auch ohne die teuren, verfeinerten Mittel der etablierten Holly­woodstudios funktionieren. Und auf subversive, höchst bizarre Art und Weise funktioniert er in Ed Woods Filmen wirk­lich.

Szenenfoto aus dem Film "Plan 9 aus dem Weltall" (Plan 9 from Outer Space, USA 1959) von Edward D. Wood Jr.; Tor Johnson und Mona McKinnon
Tor Johnson und Mona KcKinnon in klassischer Monsterfilmpose

Der Film als Blendwerk, bei dem die Story völlig untergeordnet ist und es ganz auf den plakativen, bildlichen Effekt an­kommt – das erinnert stark an die ganz frühen Anfänge der Kinematografie um die Jahrhundertwende, als Filme selten länger als zehn Minuten und vor allem Jahrmarkts-Attraktionen waren. Und es erinnert an den Expressionismus der Stummfilmzeit in den Zwanzigerjahren, die von den Darstellern pantomimisches Schauspiel verlangte. Auch Plan 9 aus dem Weltall wirkt über weite Strecken wie ein pantomimischer Stummfilm – vor allem in der ersten Viertelstunde, wo der Erzähler Criswell mit ausdrucksstarker, getragener Stimme und in bemerkenswert dick aufgetragener, poetischer Sprache das Geschehen erzählt, das die Darsteller gerade spielen (und damit die Texttafeln des Stummfilms ersetzt). Dabei bleiben sämtliche Figuren nur leere Stanzformen, die wie in einem Schattenspiel über die Bühne geführt wer­den. Sie haben keine Persönlichkeit, keine Geschichte, kein Innenleben, zum Teil nicht einmal Namen. So präsentiert sich die dramaturgische Form extrem rudimentär, grobschlächtig, kindisch – und hat doch eine eigentümliche, beunru­higende Wirkung, weil sie die so selbstverständlich gewordenen elementaren Regeln, die die Sehgewohnheiten von Spielfilmen steuern, radikal verletzt.

 

So ist festzuhalten, dass es nicht allein die unfreiwillige, hohnlachende Komik und der Spott über all die dilettanti­schen Fehler ist, die den Unterhaltungswert des Films ausmachen. Auch, jawohl, auch optisch hat der Film durchaus starke, suggestive Momente, selbst wenn diese ebenfalls nur wieder Rückgriffe darstellen – in diesem Fall Rückgriffe auf die Bildersprache des Dreißiger- und Vierzigerjahre-Horrorkinos. Die ehemalige TV-Ansagerin für Horrorfilme, die Finnin Maila Nurmi (1922–2008) alias Vampira, gibt eine durchaus eindrucksvolle Performance als gruselige Untote ab, auch wenn sie kein einziges Wort zu sprechen hat und eigentlich nur den ganzen Film hindurch unmotiviert auf dem Friedhof herumgeistert. Überzeugend ist auch Tor Johnson (1902–1971) als untoter, glatzköpfiger Unhold mit weißen Pupillen und offen stehendem Leichenmund. Im vielleicht stärksten Moment des Films erhebt er sich schauerlich aus seinem Grab.

 

Dagegen wirken die wenigen Szenen mit dem gealterten und verarmten Bela Lugosi (1882–1956) in vollem Dracula-Ornat bedauernswert blass. Ed Wood drehte sie mit Lugosi bereits drei Jahre zuvor – damals noch ohne konkrete Vor­stellung, wie er die Szenen später einmal verwenden könnte. Kurz darauf verstarb Lugosi. Um die Szenen trotzdem im Film einbauen zu können, wurde Lugosis Figur von Tom Mason (1920–1980), dem Chiropraktiker von Woods Ehefrau, übernommen. Da er Lugosi überhaupt nicht ähnelte, trägt er im Film ständig seinen Umhang vor seinem Gesicht.

 

Wo die Hirnströme des Genres verdimmen . . .

 

Plan 9 aus dem Weltall erzeugt ein tief berührendes, würgendes Unbehagen: Der Film hält in seiner unbekümmert ver­queren, die Vernunft regelrecht beleidigenden und verletzenden Art und Weise den Unzulänglichkeiten des Science-Fiction-Genres schamlos den Spiegel vor. Das hat der Film wahrscheinlich nicht gewollt – aber er tut es. Hat man nicht sämtliche Verbrechen, die Ed Wood hier an der Filmkunst verzapft und zu einem fast ungenießbaren Brei verrührt, nicht auch schon in abgeschwächten Formen in zahllosen anderen Science-Fiction-Filmen erlebt? Und auch wenn man die rein handwerklichen Mängel beiseite lässt und nur den inhaltlichen Murks in den Blick nimmt: Enthalten nicht auch viele Science-Fiction-Filme, die wesentlich besser produziert sind, immer wieder schlimme Logiklöcher? Wie oft hat man auch in anderen, besseren Science-Fiction-Filmen undurchdachte und aberwitzig unlogische Plots ertragen müs­sen, die einem als ernsthafte Spekulationen verkauft werden?

 

Auch viele moderne Science-Fiction-Filme sind oft nur effektheischender Unsinn, der lediglich wegen der ausgefeilten Tricktechnik gut aussieht. Selbst auf Hochglanz polierte, visuell atemberaubende Big-Budget-Produktionen leisten sich immer wieder krude, ärgerliche Drehbücher. Gewiss hat sich die Qualität des Science-Fiction-Films seit den Fünfziger­jahren enorm gesteigert und das Genre auch immer wieder großartige Meisterwerke hervorgebracht. Gedankenlos zusammengeschraubten Schund gibt es daneben aber nach wie vor und wird es wohl immer geben – nur dass er heutzutage Millionen-Dollar-Budgets verpulvern darf.

Szenenfoto aus dem Film "Plan 9 aus dem Weltall" (Plan 9 from Outer Space, USA 1959) von Edward D. Wood Jr.; UFOs
Kinderspielzeug an Bindfäden – schaukelnde UFOs vor einer Rückprojektion

“It’s an interesting thing when you consider the Earth people who can think are so frightened by those who cannot, the dead”. Diese krude Weisheit des Außerirdischen Eros lässt sich auch selbstreferenziell auf Plan 9 aus dem Weltall übertragen. Wenn die Negation des Denkens dem Tod gleichzusetzen ist, ist der gesamte Film ein schauerlicher, morbider Totentanz, in dem sich alle Figuren, nicht allein die Zombies, drehen.

 

Plan 9 aus dem Weltall offenbart die Pathologie des Genres wie unter einem Brennglas. Der Film ist ein skurriles Faszi­nosum, und unter robuster, bierseliger Erheiterung kann er nach Herzenslust verlacht werden und löst so seinen Un­terhaltungsanspruch vollauf ein. Unter ernsterer Betrachtung aber sollte die Mahnung nicht übersehen werden, die in ihm steckt: Es ist wirklich für alle Beteiligten besser, Science-Fiction-Filme mit Köpfchen zu machen. Das vor allem ist die wichtigste Erkenntnis des Genreliebhabers, nachdem er sich in einem tollkühnen Anflug von Neugier Plan 9 aus dem Weltall zu Gemüte geführt hat.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 1. Januar 2019