John Scalzi: The Rough Guide to Sci-Fi Movies

Buchcover von John Scalzi: Rough Guide to Sci-Fi Movies" (New York/London 2005)

Science-Fiction-Sachbuch. Rough Guides Ltd., New York/Lon­don 2005. Mit zahlreichen schwarzweißen Abbildungen und einem Index. Broschiert, 336 Seiten.

 

Autor dieses „groben Führers“ durch das Science-Fiction-Kino ist der renommierte Science-Fiction-Autor und Publizist John Scalzi (geb. 1969), der das Buch im Fahrwasser seines sensationell erfolgreichen Debutromans Krieg der Klone (2005) veröffentlichte. Die Erwartungshaltung war hoch – doch leider wurde sie alles in allem enttäuscht. John Scalzis Rough Guide to Sci-Fi Movies ist eine kurzweilige Lektüre und liefert zum Teil auch interessante Informationen; den­noch bleibt das Buch seltsam flach und entbehrlich.

 

„Ein Buch wie das Internet“ – das war der erste Gedanke, als ich den Rough Guide zu lesen begann. Die Struktur ist ein konfuses Durcheinander, und die Textschnipsel, aus denen das Buch zusammengefügt wurde, wirken in ihrem Gehalt häufig ebenso anspruchslos und unausgewogen wie das übliche Fangeschwurbel, das man auch im Internet lesen kann – mit dem Unterschied, das dort keine elf bis zwölf Euro dafür fällig werden. Scalzi kennt sich aus im Genre, keine Frage, aber seine apodiktischen, oft hämischen Urteilssprüche über die Filme sind allein seinem persönlichem Gusto verpflichtet; nur weil sie es in ein gedrucktes Werk geschafft haben, sind sie deshalb kaum gewichtiger. Der bemüht lustige, saloppe Sprachstil, der dem Leser quasi ständig freundlich lächelnd auf die Schulter klopft und ihn so verein­nahmen will, macht die Sache auch nicht besser – im Gegenteil. Er wirkt eher unprofessionell.

 

Doch der Reihe nach. Das Buch will ein „Führer“ durch das Science-Fiction-Kino sein. Dies ließe sich prinzipiell auf drei Wegen bewerkstelligen: Die Materie ließe sich historisch, lexikalisch oder morphologisch aufbereiten. Doch schon in dieser grundlegenden Entscheidung ist das Buch unentschlossen. Es beginnt historisch mit zwei Kapiteln über die Ge­schichte der Science-Fiction-Literatur und des Science-Fiction-Films, setzt lexikalisch mit einem alphabetisch sortier-ten “Canon” von 50 wichtigen Science-Fiction-Filmen fort, um mit einem unordentlichen morphologischen Teil abzu­schließen, der in fünf Kapiteln das Genre unter verschiedenen Aspekten aufschlüsselt.

 

Das erste Kapitel “The Origins: Science Fiction Literature” ist eine ermüdende Geschichte der Science-Fiction-Literatur. Mir erschließt sich bis heute nicht, warum es immer wieder Autoren gibt, die meinen, dass sie in Büchern über das Science-Fiction-Kino die Science-Fiction-Literatur gleich mit referieren müssten – und das bevorzugt am Anfang des Buches, wo der Leser gelangweilt darauf wartet, dass der Autor endlich zum eigentlichen Thema findet. Das Kapitel ist sehr knapp und oberflächlich, sodass es allenfalls dem völligen Neuling in Sachen Science-Fiction-Literatur nützlich sein dürfte. Auch zeigen Ungenauigkeiten wie z. B. die falsche Inhaltswiedergabe von Alexei Tolstois Roman Aelita (1922/23) auf S. 14, dass Scalzi längst nicht alles gelesen hat, worüber er schreibt. Das prekäre Verhältnis der Science-Fiction-Literatur zum Science-Fiction-Film beleuchtet Scalzi dagegen kaum. Beide hatten, zumindest im älteren Science-Fiction-Kino, nur geringe Berührung miteinander. Die Adaptionen literarischer Werke waren in ihrer Anzahl begrenzt und wurden von den Fans meist als krude Verstümmelungen gegeißelt, was unter anderem darauf zurück­zuführen ist, dass die Produzenten, Regisseure und Drehbuchautoren selten in der Science-Fiction-Literatur bewan­dert waren. Dies hat sich erst seit den Siebzigerjahren deutlich gebessert. In Scalzis Buch liest man über diese Entwick­lung nichts.

 

Stattdessen nutzt Scalzi den Kapitelabschnitt “From the Book to the Film” dazu, ein persönliches Hühnchen mit Paul Verhoevens Verfilmung von Robert A. Heinleins Roman Starship Troopers (1959) zu rupfen (vgl. S. 18). Der Roman ist, mit Verlaub, eine menschenverachtende Kampfschrift, die bedingungslos Soldatentum und Kadergehorsam verherr­licht – eine werktreue Verfilmung wäre eine unerträgliche Zumutung. Heinlein-Verehrer Scalzi freilich sieht das anders. Er listet auf, wo der Film von der literarischen Vorlage abgewichen ist, rechtfertigt Heinleins Buch als “great science fiction novel” und verharmlost dessen amoklaufende militaristische Ideologie als “entertaining lesson out of the idea of moral responsibility”. Verhoevens Film, der das faschistoide Potenzial von Heinleins Machwerk durchaus erkennt und satirisch betont, wird dagegen als leeres Spektakel diffamiert, das einfach nur “loud and violent” sein will. Bashing statt Darstellung, Meinung statt Objektivität – zu einer „Einführung“ in das Genre des Science-Fiction-Films will dieser Stil nicht passen.

 

Das zweite Kapitel “The History: A Warp-Speed Tour” ist mit dem ersten vergleichbar: Es bietet auf 22 Seiten einen knappen Überblick über einhundert Jahre Kinogeschichte. Der immerhin ist besser gelungen als im ersten Kapitel, nicht zuletzt, weil er strenger chronologisch geordnet ist – und auch mehr mit dem Thema zu tun hat.

 

Canon ex cathedra

 

Das dritte Kapitel “The Canon: 50 Sci-Fi Classics” ist das Kernstück des Buches, auch wenn es mit 96 Seiten Umfang nur gut ein Drittel von ihm ausfüllt. Scalzi bespricht hier 50 Science-Fiction-Filme, die er aus dem einen oder anderen Grund für relevant hält. Der Begriff “Canon” ist natürlich reichlich übertrieben, insbesondere wenn er eigentlich nichts weiter als eine schwach kaschierte persönliche Favoritenliste darstellt. Das weiß auch Scalzi und entschuldigt sich da­für vorauseilend im Vorwort: “The Canon is not the end for the discussion for science film [sic!]: we hope it is just the beginning” (S. viii). In der Tat: Es ist bizarr, dass Filme wie Akira, The Incredibles und Delicatessen im “Canon” enthalten sind, The Incredible Shrinking Man und This Island Earth dagegen nicht. This Island Earth wird im gesamten Buch nicht einmal erwähnt! Es mag ja angehen, dass Mr. Scalzi den Film nicht mag – er ist aber unbezweifelbar einer der wichtig­sten Klassiker des Genres, und ihn einfach zu ignorieren, lässt nur kopfschütteln.

 

Die Filmbesprechungen selbst sind von schwankender Güte. Sie sind flüssig lesbar und enthalten hier und da auch an­regende Gedanken, aber wieder stellt sich das Gefühl ein, dass Scalzi sein Thema verfehlt. Statt die Filme erst einmal genauer darzustellen – Inhaltsangaben, so öde sie vielleicht zu schreiben sind, wären nicht schlecht! –, steigt Scalzi jeweils sofort in die Diskussion des Gehalts und die Bewertung der Filme ein. Dem Leser seine persönliche Meinung zu vermitteln ist sichtlich Scalzis Hauptinteresse. Nun ist es praktisch unmöglich, sinnvoll über Filme zu reden, ohne nicht auch eine wohlbegründete Meinung über sie zu formulieren. Scalzi jedoch wird mit seiner Meinung zu aufdringlich und lässt die objektive Ausgewogenheit vermissen, die meines Erachtens geboten wäre.

 

Besonders schlimm sind die etwa 200 winzigen Abschnitte über all die Science-Fiction-Filme, die es nicht in den “Ca­non” geschafft haben. Diese Schnipsel – selten länger als sechs Zeilen – sind völlig chaotisch überall im Buch einge­streut und liefern neben einem knappen Hinweis auf den Filminhalt in ein, zwei Sätzen Scalzis Urteil über den Film. Scalzi hat sichtlich Spaß am Verlachen und bashing der Filme, die er nicht mag – er ist in der bequemen Lage, den mangelnden Platz zur Ausrede dafür machen zu können, sich vor Argumenten zu drücken. Der Leser indes ist rasch genervt von Scalzis hingerotzten Urteilen, und der mäßig lustige Humor entschädigt nicht.

 

Beispiele gefällig? Auf S. 40 zu Michael Andersons Logan’s Run (1976): “Ironically, all the film’s stars (Michael York, Richard Jordan and Jenny Agutter) were over 30 when they made it, which is only the first of many issues with this silly and oh-so-very-70s flick, which has emphatically not aged well; like its characters, it schould probably put down at the age of 30.” Wer sich die Lachtränen über diesen oh-so-very-funny joke aus den Augen gewischt hat, sollte anschließend zur Kenntnis nehmen, dass Jenny Agutter während der Dreharbeiten 22 Jahre alt gewesen war. Und dass er auch nicht mehr über diesen Film bei Scalzi zu hören bekommen wird. Oder auf S. 226 zu Andrzej Bartkowiaks Doom (2005): “Don’t expect this to be the next 2001.” Ach ja? Eine platte Selbstverständlichkeit wird als unlustiger Scherz verpackt auch nicht interessanter. Der Informationsgehalt des Eintrags über diesen Film geht ebenfalls gen null. Oder auf S. 171: “Honestly – has there ever been a genuinely good Godzilla film? No. There have been Godzilla films that were good for a Godzilla film. But they have never been good compared to other films. Die Zustimmung, die Scalzi hier heischt, wird er bei der nicht unbeträchtlichen Kaiju Eiga-Fangemeinde wohl kaum finden. Zumal Scalzi offen lässt, was er für einen “good film” hält. Dass es für ihn keinen großartigeren Film als Star Wars gibt (siehe dazu weiter unten), sollte an dieser Stelle ausreichen, um Scalzis Bewertungsmaßstäbe in ein angemessenes Licht zu rücken. Hier schlägt nur ein Fanlager auf ein anderes ein, weiter nichts. Zuguterletzt ein Bei­spiel auf S. 280: “Battlestar Galactica first exis­ted as an expensive but bad 1978 show, designed to capitalize on the Star Wars craze. It lasted for two seasons and became a cult favourite afterwards, which says more about the paucity of good TV sci-fi than any inherent quality of the show.” Scalzi holzt munter im Fandom drauflos, intolerant, undiffe­renziert, wie’s sein persönlicher, selbstredend „guter“ Geschmack gerade will. Fans der “re-imagined” Galactica werden applaudieren – Glückwunsch, sie haben das richtige Buch gekauft! Mir dagegen als Fan der klassischen Battlestar Ga­lactica, für den Scalzi nur Bedauern übrig hat, stößt’s sauer auf.

 

Sammelsurium der Aspekte

 

Das Kapitel “The Icons: Faces of Sci-Fi Film” enthält einige Lichtblicke. Die Einträge über signifikante Filmschaffende des Science-Fiction-Kinos – Produzenten, Regisseure, Tricktechniker, Komponisten – sind lesbar und interessant; die Einträge über ihre Schöpfungen aber, z. B. Charaktere wie Roy Batty aus Blade Runner oder C-3PO und R2D2 aus Star Wars, sind einfach nur albern und sagen kaum mehr als „Schau – welch coole Ikone!“ In “The Crossovers: Blurring Sci-Fi” stellt Scalzi die Berührungspunkte des Science-Ficion-Kinos mit anderen Genres wie Comedy, Action-Abenteuern oder Fantasy dar, sodass es bizarrerweise sogar Peter Jacksons Herr der Ringe zu einem eigenen Eintrag einschließlich ganzseitigem movie still geschafft hat (S. 182).

 

Leidlich ergiebig ist auch das nächste Kapitel “The Science: Theories That Fuel Sci-Fi”, das die wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Grundlagen der Science-Fiction und Science-Fiction-Filme anreißt. Das Kapitel “The Locations: Star Tours” ist dagegen eine überflüssige Spielerei. Sind noch die sechs Seiten darüber, an welchen Orten und in welchen Studios weltweit die wichtigsten Science-Fiction-Filme entstanden, informativ, bietet der Rest des Kapitels einen Überblick über die beliebtesten Settings von Science-Fiction-Filmen, über die Arktis, London, Los Angeles usw. bis hin zum Mond, zum Mars und anderen, erfundenen Planeten. Hier wurde über Gebühr Platz verschwendet. Das Kapitel “Global: Sci-Fi Film Around the World” referiert in gewohnter Knappheit über das Filmschaffen in anderen Ländern als den USA und Großbritannien (die Scalzi seltsamerweise immer zusammengefasst als eine Einheit sieht). Das letzte Kapitel schließlich, “Information: The Wider Picture” liefert einen Überblick über Science-Fiction im TV, in Videogames und Soundtracks. Am Ende des Kapitels werden Hinweise auf interessante Websites, Magazine und eine Handvoll Bücher gegeben – wobei auf eine umfassende Bibliografie leider verzichtet wurde.

 

Fanboy-Alarm!

 

Besonders störend ist Scalzis ständige, aufdringliche Lobhudelei, die er George Lucas’ Star Wars angedeihen lässt. Schon in den ersten Sätzen seiner Einleitung erzählt John Scalzi, dass er 1977 als achtjähriger Junge im Kino von Star Wars im Handumdrehen erobert wurde (S. vii) – wie so viele kleine Jungs damals. Scalzi ist ein Fanboy durch und durch, und wenn er von seiner Generation als der “Generation Star Wars” (S. 119) spricht, ist das nicht übertrieben. Dennoch versteigt sich Scalzi auf Schritt und Tritt in der maßlosen Überbewertung von Star Wars – das geht sogar soweit, dass er Lucas’ Comicstrip im All allen Ernstes “the most significant and influential film in the history of film in general” nennt (S. 118). Sorry – das ist dann doch zuviel. Star Wars wird in Scalzis Buch bei jeder Gelegenheit gefeiert, die sich bietet, dieser Film ist die Sonne in Scalzis Universum, um die alles zu kreisen hat. In der Geschichte des Scien­ce-Fiction-Kinos gibt es für Scalzi ein „vor“ und „nach“ Star Wars – und wirklich alles, was danach kam, verdankt Star Wars und dem unvergleichlichen Genie von George Lucas seine Existenz. Und wo Mr. Lucas offensichtliche Schwächen aufweist, wie beispielsweise in der zweiten Trilogie der Star Wars-Filme (Episoden I–III), werden sie zwar aufrichtig benannt, in nahezu schreiend einseitiger Nachsichtigkeit aber auch entschuldigt: “He made the films his way, for bet­ter or worse, which is something filmmakers today get to do all too rarely” (S. 123).

 

The Rough Guide to Sci-Fi Movies ist ein lesbares und stellenweise auch unterhaltsames Buch. Aber es ist auch ein fürchterlich unübersichtliches Durcheinander und kommt in seinem Gehalt selten über das übliche Fangeschwurbel und dumme bashing hinaus, das man zuhauf auch in Internet-Foren, Portalen, Weblogs und Wikis lesen kann – und zwar umsonst. Als „Einführung“ lässt das Buch an allen Ecken und Enden die Objektivität vermissen. Was John Scalzi seinen Lesern über Sidney J. Furies Superman IV (1987) kurz und bündig empfiehlt (S. 126), lässt sich somit auch über dieses Buch sagen: “skip this one”.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 6. August 2016