Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Heyne Science Fiction Jahresband 1980

Buchcover vom "Heyne Science Fiction Jahresband 1980" von Wolfgang Jeschke (Hrsg.)

Heyne Science Fiction Jahresband 1980. Acht Romane und Erzählungen prominen­ter SF-Autoren, zusammengestellt und herausgegeben von Wolfgang Jeschke. Wil­helm Heyne Verlag München 1980 (Heyne Band 3729). Übersetzungen ins Deutsche von Rose Eichele, Birgit Reß-Bohusch, Charlotte Winheller, Walter Ernsting, René Mahlow und Fritz Steinberg. Taschenbuch, 464 Seiten.

 

Mit diesem Band startete Science-Fiction-Herausgeber Wolfgang Jeschke beim Heyne-Verlag eine jährlich erscheinen­de Anthologiereihe zu einem günstigen Preis (anfangs nur 4,80 DM; schon ein Jahr später stieg der Preis auf 5,80 DM), die sich als sehr erfolgreich herausstellte und bis zum Jahr 2000 fortgesetzt werden sollte. Der Heyne Science Fiction Jahresband versammelte stets hochkarätige Autoren – ab dem zweiten Band vermehrt auch aus Europa – und bot eine gute Mischung aus Kurzgeschichten, Novellen und kürzeren Romanen, von vielgepriesenen Genreperlen und weniger bekannten Storys. Das Gros der Texte war älter, und des Öfteren wurden auch Romane und Storys aufgenom­men, die der Heyne-Verlag schon früher als Taschenbuch oder in anderen Anthologien veröffentlicht hatte. Die Aus­wahl sollte auch neue Leser an die Science-Fiction-Literatur heranführen und zeigen, dass das Genre mehr als nur an­spruchslose Heftchenromane zu bieten hat. Einer der damals neu gewonnenen Leser war ich gewesen.

 

Obwohl viele der präsentierten Erzählungen aus heutiger Sicht angestaubt wirken, bieten die Bände auch heute noch meistenteils gute Unterhaltung. Bei den enthaltenen Romanen sollte man sich jedoch darüber im Klaren sein, dass sie, wie damals leider üblich, im Zuge der Übersetzung und deutschen Veröffentlichung oft gekürzt wurden.

 

1.  Poul Anderson: Jägermond

 

Hunter’s Moon (1978); 48 Seiten. Auf Medea, einem paradiesisch anmutenden, tropischen Mond des Ringplaneten Argo, der sich im knapp 50 Lichtjahre entfernten Castor-System befindet, haben die Menschen erste bescheidene Kolonien errichtet. Die miteinander verheirateten Wissenschaftler Hugh Brokket und Jannika Rezek widmen sich auf Medea der Erforschung der beiden intelligenten Spezies, die auf dem Mond zuhause sind. Die „Dromiden“ oder auch „Füchse“ sind zentaurenartige, fuchsköpfige Landbewohner, die Werkzeuge, die Jagd und das Feuer kennen und an­sonsten wie nomadische Naturvölker leben. Die „Ouraniden“ oder auch „Ballons“ hingegen sehen wie in der Luft schwebende große Quallen aus. Sie treiben in Herden in der Atmosphäre umher und kennen keinerlei Technologie. Hugh und Jannika haben jeweils ein Exemplar beider Spezies mit einem elektronischen Gerät ausgestattet, über das sie das jeweilige Gehirn des Fremdwesens mit dem eigenen Gehirn vernetzen können: Ziel ist es, die Eindrücke und Gedanken der Fremden direkt nachzuempfinden, gewissermaßen die außerirdischen Gedanken zu „lesen“. Als es zu einem Krieg der Dromiden gegen die Ouraniden kommt, erkennen die Wissenschaftler zu spät, dass ihr forschender Zugriff auf beide Spezies einen fatalen, unvorhergesehenen psychischen Einfluss gehabt hat.

 

Mit dieser hervorragenden Kurzgeschichte demonstrierte Poul Anderson (1926–2001) ein weiteres Mal, dass mehr in ihm steckte als das Schreiben oberflächlicher Space Operas – seinem hauptsächlichen Metier. Hunter’s Moon wurde im August 1979 vom SF-Worldcon in Brighton zur besten Science-Fiction-Kurzgeschichte des Jahres 1978 gekürt – eine vollauf nachvollziehbare Entscheidung. Anderson kreiert interessante, wirklich fremdartige außerirdische Rassen, und es gelingt ihm, sprachlich eine Vorstellung von deren fremdartigem Erleben und Denken zu vermitteln, auch wenn hier manches recht esoterisch gerät. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen zwei phänomenologische Weisheiten. Zum einen stellt das forschende Fragen und Beobachten bereits einen verfälschenden Eingriff in den Forschungsgegen­stand dar. Zum anderen wird Realität in unserem Kopf psychisch konstruiert. Beide Erkenntnisse sind nicht neu, wer­den hier jedoch zu frappierend originellen Konsequenzen geführt. Eine vielseitige und nachdenkenswerte Geschichte.

 

Negativ fallen lediglich die für Poul Anderson leider so typischen Seifenoper-Elemente auf. Erneut regiert die Ander­sonsche freie Liebe, obwohl die Hauptfiguren miteinander verheiratet sind, woraus sich Eifersüchteleien und ein reich­lich abgeschmackter Ehestreit ergeben, bei dem Hugh sich mit Whiskey „volllaufen“ lässt und ihm sogar die Hand ge­gen Jannika „ausrutscht“ (S. 46). Willkommen in Dallas. Ein weiterer Schwachpunkt ist die unnütze Einführung der Figur Chrisoula Gryparis am Beginn der Geschichte, die nach ihrer ersten und einzigen Szene überhaupt keine Rolle mehr spielt.

 

Hunter’s Moon ist wenig spektakulär und actionreich. Dafür brilliert die Geschichte mit atmosphärischen Beschreibun­gen der elysischen Landschaft Medeas und ihrem rötlichen Himmel, der vom Ringplaneten mit seinen Monden und mehreren Sonnen besetzt ist. Ein weiteres Mal fühlt man sich an James Camerons Avatar (2009) erinnert – Medea hat viel von Camerons Pandora. Ob am Ende doch etwas am Verdacht dran ist, dass James Cameron Poul Anderson gele­sen hat? Dazu ist mehr in meiner Rezension zu Andersons Roman Das Avatar (1978) zu lesen.

 

2.  Isaac Asimov: Die Maschine, die den Krieg gewann

 

The Machine That Won The War (1961); 6 Seiten. Nachdem die Erde alle militärischen Entscheidungen in einem langen Krieg gegen Deneb vom Supercomputer Multivac fällen ließ, gelang der Sieg, und die Politiker und Wissenschaftler feiern „die Maschine, die den Krieg gewann“. Die drei Leiter des Multivac-Projekts indes sehen dies mit gemischten Gefühlen. Der erste gesteht den anderen beiden ein, dass er über Jahre den Computer mit fehlerhaften Daten versorg­te, die er nach eigenem Gutdünken „reparierte“. Daraufhin gibt der zweite zu, die ihm fehlerhaft erscheinenden Be­rechnungen des Computers heimlich korrigiert und abgeändert zu haben, um nicht das Vertrauen der militärischen Führung in Multivac zu erschüttern. Der Chef des Projekts schließlich, der Militär Lamar Swift, versichert, dass all dies egal sei: Da er Multivac ohnehin immer misstraut habe und ihm der Computer auch nicht die Last der Verantwortung nehmen konnte, missachtete er ständig Multivacs Entscheidungen und warf stattdessen häufig einfach eine Münze.

 

Eine hübsche Miniatur mit einem starken Titel und einem interessanten Gedankenspiel über das Verhältnis menschli­cher Verantwortung zum vermeintlich überlegenen „Elektronengehirn“, die immer noch aktuell anmutet. Es geht hier allerdings nicht um künstliche Intelligenz, die dem Gedankenspiel mehr Schärfe gegeben hätte – Multivac ist ein ein­facher Computer, der nur Entscheidungshilfen liefern soll, letztlich aber nicht selbst entscheidet.

 

3.  Ray Bradbury: Heimkehr

 

Homecoming (1946); 15 Seiten. Timothy gehört einer großen, viele Generationen umfassenden Familie von Gespen­stern, Vampiren, Werwölfen und anderen unterweltlichen Kreaturen an. Doch er gilt in ihrem Kreis als behindert, denn als einziger ist er ein normaler Sterblicher ohne übernatürliche Fähigkeiten. Das bekommt Timothy schmerzlich zu spü­ren, als sich alle Verwandten zu Halloween in seinem Elternhaus zu einem rauschenden Fest einfinden.

 

Sprachlich ist Ray Bradburys Heimkehr eine fein ziselierte, fast lyrische Meditation über die schauerlichen Ängste der Nacht, unheimliche Fantasien über die Finsternis und das jugendliche Gefühl des Außenseitertums. Atmosphärisch ge­lungen, ist die Kurzgeschichte ein weiterer Beleg für Ray Bradburys außergewöhnliche literarische Fähigkeiten. Nur – es ist eine weird tale, keine Science-Fiction, und hat demgemäß in dieser Anthologie eigentlich nichts verloren.

4.  Robert A. Heinlein: Der Mann, der den Mond verkaufte

 

The Man Who Sold the Moon (1950); 73 Seiten. D. D. Harriman ist ein hartgesottener, mit allen Wassern gewaschener Tycoon, ein Bilderbuchkapitalist, der neben seinem Profitstreben von einem großen Traum beseelt ist: einem bemann­ten Flug zum Mond. Da sich die Regierung für ein solches Projekt nicht interessiert und Harriman auch gar kein Interes­se hat, die verhassten Bürokraten des Staates mitreden zu lassen, setzt Harriman gemeinsam mit seinem Freund und Geschäftspartner George Strong vielfältige Ideen um, mit denen er den Mond lukrativ vermarktet. Auf diese Weise bringt Harriman das Geld für das Mondflugprojekt zusammen. Er gründet weltweit Briefkastenfirmen, über die er scheinbar wertlose Grundstücksrechte der Nationen am Mond erwirbt, und verkauft anschließend Optionen für künf­tige Mondmärkte – beispielsweise exklusive TV-Rechte auf dem Mond. Eine andere Idee sind besondere Mond-Post­briefe, die Sammler kaufen sollen, um sie auf dem Mond postalisch abstempeln zu lassen.

 

Das alles ist ziemlich hanebüchener Quark und liest sich zäh wie ein Geschäftsbericht. Mit D. D. Harriman präsentiert uns Hardliner Robert A. Heinlein (1907–1988) ein weiteres Mal seinen Lieblings-Heldentypus: einen eisenharten Unter­nehmer, dem die heiligen kapitalistischen Werte Amerikas über alles gehen – zu denen Heinlein ungeniert auch Trick­sereien, Betrug und Steuerhinterziehung zählt. Mäßig interessant ist die Geschichte allein dadurch, dass sie im Zusam­menhang mit dem Science-Fiction-Film Endstation Mond (1950) von George Pal und Irving Pichel steht, dessen Dreh­buch Heinlein mitgeschrieben hat. D. D. Harriman erscheint als eine andere Inkarnation des schneidigen Konzernlen­kers Jim Barnes aus dem Film. Während Jim Barnes die amerikanische Industrie allein mit Patriotismus vom Mondflug überzeugt, versucht Heinlein in Der Mann, der den Mond verkaufte, schlagende kommerzielle Argumente für poten­zielle Investoren zu finden. Die Erzählung ist zweifellos der Tiefpunkt dieser Anthologie.

 

5.  Robert Silverberg: Reise ans Ende der Welt

 

When We Went to See the End of the World (1972); 10 Seiten. In einer luxuriösen Zukunft sind Zeitreisen längst zu ei­nem lukrativen Tourismusgeschäft geworden. Das Highlight ist eine „Reise ans Ende der Welt“: In einer schweben­den Zeitreise-Blase können die Touristen die letzten Stunden der Erde Milliarden Jahre in der Zukunft beobachten. Auf einer Party treffen sich mehrere verheiratete Middleclass-Paare, um mit ihren spektakulären Zeitreisen anzugeben und nebenher ungeniert miteinander zu flirten. Sie ärgern sich, dass niemand den anderen übertrumpfen kann: Offenbar haben bereits alle anwesenden Paare eine Reise ans Ende der Welt absolviert. Es verwirrt sie jedoch, dass jedes Paar offenbar ein ganz anderes Ende der Welt erlebt hat: Mal bestand das Ende der Welt im Sterben des letzten Krebses an einem Strand, mal im Überfluten des letzten Flecken Lands, mal im Aufblähen der Sonne zu einem roten Riesen, mal in ihrem Erkalten als ausgebrannter Stern. Die Story, die sich mit ihrem Szenario vom fernen Ende der Erde unverkennbar vor H. G. Wells’ Roman Die Zeitmaschine (1895) verneigt, ist ein kühler Kommentar auf die Prahlerei bürgerlicher Spie­ßer und liest sich recht nett. Allerdings ist sie sprachlich eher trocken, und es mangelt ihr auch an einer gewitzten Pointe.

 

6.  Tanith Lee: Weggefährten

 

Companions On the Road (1975); 83 Seiten. Das königliche Heer erobert im Norden einer mittelalterlichen Fantasywelt die noch letzte widerstehende Bastion, die altehrwürdige Stadt Avillis. Die Stadt wird geplündert und gebrandschatzt. Zur siegreichen Armee gehört auch der junge Hauptmann Havor, für den es nun, nach dem Ende des Krieges, nichts mehr zu tun gibt. Eine Zufälligkeit führt dazu, dass Havor gemeinsam mit seinem ehemaligen Stellvertreter Feluce und dem Dieb Kachil in die Katakomben unterhalb der Zitadelle der Stadt hinabsteigt, auf der sich die qualmenden Ruinen des Königspalastes von Avillis befinden. Kachil hat von einem Schatz gehört, der sich dort befinden soll, und tatsäch­lich entdecken sie in einer dunklen Kammer einen prunkvollen, heidnischen Kelch, den eine unheilvolle Aura umgibt. Das Trio stiehlt den Kelch und begibt sich auf eine Reise westwärts, dem Ort Venca entgegen, wo Havor noch ein Ver­sprechen einlösen will, das er gegenüber einem seiner gefallenen Soldaten gegeben hat. Der Weg führt durch Schnee­stürme über fast vollkommen einsame Landstriche und wird zunehmend zu einer quälenden Flucht vor dem Tod, denn schon bald erkennen die drei Weggefährten, dass auf dem Kelch ein unheilvoller Fluch lastet.

 

Tanith Lee (1947–2015) war eine sprachlich höchst virtuose Fantasy- und Science-Fiction-Autorin, und auch in dieser Er­zählung aus den ersten Jahren ihres Schaffens beeindruckt die Autorin mit ihrer außergewöhnlichen literarischen Kunstfertigkeit. Der Plot der Erzählung ist relativ simpel und geradlinig, aber wie es Tanith Lee gelingt, mit immer wie­der neuen, verblüffend farbigen und eindringlichen Sprachbildern die Szenerie auszumalen und Atmosphäre herzustel­len, ist schlichtweg grandios. Weggefährten ist eine Fantasy-Story, keine Science-Fiction, und damit in diesem Band ebenso deplatziert wie Bradburys Heimkehr. Das Vorwort zur Story bezeichnet die Fantasy als „Randgebiet“ und „Sub-Genre“ der Science-Fiction, was heute wohl kein Herausgeber mehr unterschreiben würde. Allerdings ist das ange­sichts der Brillanz von Weggefährten völlig egal. Die Erzählung ist der literarisch faszinierendste Beitrag dieses Sam­melbandes.

 

7.  John Varley: Das Phantom von Kansas

 

The Phantom of Kansas (1975); 47 Seiten. Die auf dem Mond lebende Fuchs ist eine hoch bezahlte, gefeierte Künstlerin, die sich mit künstlerisch arrangiertem Wetter beschäftigt. Unglücklicherweise hat sie ein Problem: Sie wurde bereits dreimal ermordet. Da die meisten Menschen persönliche Gedächtnisspeicher in Bankschließfächern aufbewahren las­sen, ist die „Wiedererweckung“ nach einer Ermordung zwar generell kein Problem: Nachdem eine geklonte Kopie ei­nes Verstorbenen angefertigt wurde, lässt sich anschließend der Gedächtnisspeicher auf das Gehirn des Klons über­spielen. In die Bank, die Fuchs’ Speicher aufbewahrte, ist jedoch unlängst eingebrochen worden, wobei ihr Gedächt­nisspeicher mutwillig zerstört wurde. Offenbar trachtet jemand danach, Fuchs unwiderbringlich auszulöschen; die Wiederbelebung gelang nur mittels einer kurz nach dem Einbruch angefertigten Kopie von der Kopie. Wer trachtet Fuchs nach dem Leben?

 

John Varleys schwungvoll und lakonisch erzählte Geschichte besticht vor allem mit der Idee des Gedächtnisspeichers und der Übertragung des gespeicherten Ichs auf einen Klon. Diese Idee, die in John Scalzis Krieg der Klone (2005) eine zentrale Rolle spielt, war auch schon 1975 ein alter Hut, und es zeigt sich ein weiteres Mal, dass es in der Genreliteratur nur selten darum geht, originelle neue Ideen zu formulieren, sondern meist darum, die lang etablierten Ideen und Ver­satzstücke originell zu rekombinieren und ansprechend zu schildern.

 

8.  Alfred E. van Vogt: Der Krieg gegen die Rull

 

The War Against the Rull (1959); 154 Seiten. Van Vogts knackiger Abenteuerroman spielt in ferner Zukunft, in der sich die Menschheit über die halbe Galaxis ausgebreitet hat und in einen erbarmungslosen Krieg mit den Rull verwickelt ist, einer wurmartigen Spezies einer Nachbargalaxis. Die Rull verfügen über die Fähigkeit, das Licht ihres Erscheinungs­bilds zu manipulieren und sich so nahezu perfekt als Menschen zu tarnen. Trevor Jamieson, „Chefwissenschaftler der interstellaren Militärkommission“, ist der stahlharte Held der Geschichte und könnte ein Neffe von Flash Gordon sein: Immer wieder gerät Jamieson in die aussichtslosesten Gefahren, doch gelingt es ihm jedes Mal mit Schläue und Ent­schlusskraft, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Zu Beginn des Romans sehen wir, wie Jamiesons Raumschiff, das von den Rull abgeschossen wurde, über dem lebensfeindlichen Dschungelplaneten Eristan II abstürzt. Jamieson und der Ezwal, den Jamieson an Bord seines Schiffes als Gefangenen mitgeführt hatte, können sich retten. Die Ezwal sind eine telepathische, bärenartige Spezies vom Planeten Carson mit sechs Beinen, drei Augen und blauer Haut. Jamieson hofft, mithilfe der Telepathie der Ezwals die Rull, die bereits die Menschheit tiefgreifend unterwandert haben, besie­gen zu können. Doch zunächst muss er auf Eristan II den feindseligen Ezwal davon überzeugen, dass sie nur gemein­sam in der unwirtlichen Umgebung überleben können . . .

 

Alfred E. van Vogt (1912–2000) gehört zweifellos zu den bedeutendsten Science-Fiction-Autoren aller Zeiten. Seine einflussreichsten Werke erschienen in den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Bereits seine erste veröffentlichte Kurzge­schichte Black Destroyer, die im Juli 1939 im Astounding erschien und die van Vogt später in seinen Roman The Voya­ge of the Space Beagle einfügte, gilt als Klassiker, Prototyp der bug eyed monster stories und Vorlage von Ridley Scotts Monsterschocker Alien (1979). Van Vogt war ein Meister abenteuerlicher Space Operas, in denen das Schicksal ganzer Galaxien von der Tatkraft fast übermenschlicher Helden abhängt. The War Against the Rull ist ein Vertreter dieser Art von Science-Fiction. Van Vogt setzte den Roman aus fünf Kurzgeschichten zusammen, die er zwischen 1940 und 1950 im Astounding veröffentlicht hatte. Entsprechend episodenhaft und teilweise wiederholend wirkt die Struk­tur des Romans, eine Aneinanderreihung nur schwach miteinander verbundener Abenteuergeschichten um Trevor Jamieson. Diese aber sind mit außerordentlichem Schwung und actionreich erzählt und enthalten eine Fülle fantasie­voller Einfälle, sodass das Ganze sehr kurzweilig und unterhaltsam zu lesen ist. Eine große Rolle spielt die Paranoia – aufseiten der Menschen, die sich gegenseitig ständig verdächtigen, getarnte Rulls zu sein, und aufseiten der Rull, die einen erbarmungslosen Ausrottungskrieg gegen die menschliche Galaxis führen. Ein anderes zentrales Motiv des Romans ist die Hypnose: Menschen und Rull führen eine Art Psychokrieg gegeneinander, in dem sie durch Hypnose und die Pavlovsche Konditionierung des Feindes aufeinander Einfluss zu nehmen versuchen.

 

Der Krieg gegen die Rull ist ein gutes Beispiel für die juvenile Abenteuer-Science-Fiction der Vierzigerjahre – an­spruchslos, aber höchst unterhaltsam. Leider wurde der Roman in der deutschen Bearbeitung, die bei Heyne bereits 1963 als Taschenbuch erschien, um etwa 15 % gekürzt, und die Übersetzung ist für meine Begriffe recht lässig gehand­habt worden. An mindestens einer Stelle (S. 312) ist sie sogar sinnentstellend, indem sie behauptet, ein Ezwal-Schiff hätte Jamiesons Raumschiff über Eristan II abgeschossen. Das lässt den Leser staunen, da die Ezwal über gar keine Technologie verfügen. Die Nachprüfung des Originaltextes offenbart, dass an entsprechender Stelle von einem “Rull warship” die Rede ist.

 

Heynes Science Fiction Jahresband 1980 war ein guter Anfang für die neue Anthologie-Reihe, die noch lange Jahre ihre hohen Qualitätsansprüche halten sollte. Auch heute noch ist der Band unterhaltsam und lesenswert.

 

 

© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 9. Mai 2017