Forrest J. Ackerman’s World of Science Fiction

Science-Fiction-Sachbuch. Mit einer Einleitung von A. E. van Vogt und einem Vorwort von John Landis. General Publishing Group, Inc., Los Angeles 1997. Großformatige, gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 240 Seiten.

 

“The Golden Age of science fiction is twelve” ist ein altbekannter, augenzwinkernder Spruch im Fan­dom. Forrest J. Ackerman (1916–2008), der wohl berühmteste und umtriebigste Science-Fiction-Fan der Welt, erlebte sein persönli­ches „golde­nes Alter“, in dem er dem unwiderstehlichen Zauber des Genres verfiel, mit neun. Gleich zu Beginn seines Buches schildert er dieses Erlebnis:

 

It was in October – of 1926 to be precise – that I, little 9-year-old Forry Ackerman, with wide, wondering eyes, received the Hal­loween gift that would influence, orient, and govern my entire life. Standing in front of a newsstand at the northeast corner of Santa Monica and Western Bouldevards in Los Angeles, the October issure of Amazing Stories jumped off the magazine rack, grabbed hold of me, and spoke to me. It said, “Take me home, little boy. You will love me!” (S. 27)

 

Mit der Lektüre jener Ausgabe von Amazing Stories, dem ersten Pulp-Magazin, das sich ausschließlich der „scienti­fiction“ widmete, wie das Genre damals noch genannt wurde, und das erst wenige Monate zuvor im April 1926 unter der Herausgeberschaft von Hugo Gernsback (1884–1967) gestartet war, begann Forrest “Forry” J. Ackermans lebenslan­ge, leidenschaftliche Liebe für die Science-Fiction. Ackerman wurde ein begieriger Leser und engagierter Fan, der als einer der allerersten damit begann, Fanclubs aufzubauen (unter anderem die noch heute existierende, 1934 gegründe­te Los Angeles Science Fantasy Society, der auch der junge Ray Bradbury angehörte), Fanzines herauszugeben und auf diese Weise begeisterte Gleichgesinnte landesweit miteinander zu vernetzen. Er profilierte sich damit als einer der wichtig­sten Pioniere in der Schaffung und Organisation eines aktiven „Fandoms“. Ackerman war gemeinsam mit Sam Mosko­witz (1920–1997), Julius Schwartz (1915–2004) und anderen an der Ausrichtung der ersten “World Science Fiction Con­vention” beteiligt, die 1939 in New York stattfand (vgl. S. 124), und fehlte auch auf allen folgenden WorldCons so gut wie nie.

Forrest J. Ackerman (1916–2008), um 1970
Forrest J. Ackerman (1916–2008), um 1970

Beruflich betätigte sich Forry Ackerman vor allem als Herausgeber von Science-Fiction-Anthologien und Zeitschriften, unter anderem von der Zeitschrift Fa­mous Monsters of Filmland (1958–1983); außerdem arbeitete Ackerman lange Jahre als Literaturagent zahlreicher, namhafter Science-Fiction-Autoren. Viele Größen des Genres zählten zu seinen engen Freunden, unter anderem Ray Bradbury (1920–2012), Ray Harryhausen (1920 –2013), A. E. van Vogt (1912–2000), Curt Siodmak (1902–2000) oder George Pal (1908–1980), und es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass er das gesamte internationale Who is who? der Science-Fiction-Szene persönlich kannte. Neben diesen Aktivitäten schrieb und veröffentlichte Ackerman auch selbst Science-Fiction-Kurzgeschichten und trat in mehreren unbedeutenden Science-Fiction- und Horrorfilmen in kleineren Rollen oder Cameos auf. Legendär war seine unvergleichliche Science-Fiction-Sammlung im “Ackermansion”, seinem Privathaus in den Hollywood Hills, in dem er in 18 Räumen über 300.000 Sammlerstücke beherbergte und interessier­ten Besuchern kostenlos zu zeigen pflegte (über 50.000 Bücher und Pulp-Ma­gazine, ungezählte originale Props aus Science-Fiction- und Horrorfilmen, Kinoposter, Bilder und Memorabilia aller Art; nach Ackermans Tode wurde die Sammlung leider aufgelöst und stückweise verkauft).

 

Es war Forry Ackerman, der 1953 das Kürzel “sci-fi” prägte, für das er von Harlan Ellison (1934–2018) voller Hass ange­griffen wurde (vgl. S. 77). Lange Jahre durfte man auch hier in Deutschland das Kürzel nicht verwenden, ohne angewi­dertes Naserümpfen der Snobs zu ernten. Wer als Leser „besserer“ Science-Fiction-Literatur etwas auf sich hielt, ver­wendete ausschließlich das Kürzel „SF“ – „Sci-Fi“ reservierte man demgegenüber nur für den „Schrott“ im Genre. Heut­zutage ist der Umgang der Fans mit diesen Kürzeln gottlob viel entspannter; „Trekker“ springen dir auch heute nicht mehr wie ehedem an die Gurgel, wenn man sie in naiver Ahnungslosigkeit „Trekkies“ nennt.

 

Forrest J. Ackerman’s World of Science Fiction ist ein sehr persönlicher Streifzug des “Mr. Science fiction” durch das Genre, ein überaus üppig bebildeter, wunderschön aufgemachter, hochwertig gedruckter Band, der Seite für Seite be­geistert und in dem man sich unweigerlich sofort „festliest“. 1998 ist das Buch auch in deutscher Übersetzung im Bene­dikt Taschen Verlag (Köln) erschienen. Die im Buch behandelten Themen wirken auf den ersten Blick etwas disparat, aber wie gesagt, ist dies ein persönlicher Blick Forry Ackermans auf das Genre. Nach einer Einleitung von A. E. van Vogt und einem Vorwort von John Landis folgt ein einleitendes Kapitel “In the Beginning”, in dem Ackerman nostalgisch seine erste Berührung mit dem Science-Fiction-Genre schildert (beigefügt ist ein Foto, aufgenommen im Juli 1939 in einer Straße in New York, das ihn in einem futuristischen Kostüm zeigt, das er anlässlich der ersten World Science Fiction Convention trug und ihn als einen der ersten Cosplayer der Geschichte ausweist). Daran schließen sich die fünf Hauptkapitel des Buchs an, die sich mit 1. Frankenstein, 2. wichtigen Autoren der Science-Fiction, 3. den Pulp-Magazi­nen, 4. der Science-Fiction im Kino und 5. der Science-Fiction im Fernsehen beschäftigen. Ein Schlusswort, weiterfüh­rende Literaturhinweise, ein Index und Danksagungen beschließen das Buch.

Cover der deutschen Ausgabe, 1998
Cover der deutschen Ausgabe, 1998

Es erstaunt, dass ein ganzes Hauptkapitel dem ikonischen Frankenstein-Monster gewidmet ist. Aber offenbar war Ackerman ganz besonders von diesem berühmtesten Monster der Filmgeschichte angetan. Manch Kurioses erfährt man hier: zum Beispiel, dass Ackerman, obwohl er den originalen Roman von Mary Wollstonecraft Shelley (1797–1851) für “intolerably dull” (S. 34) hält, über 250 verschiedene Ausgaben dieses Romans gesammelt hat, die hier auch in Auswahl abgebildet zu bestaunen sind. Ackerman referiert auch die ver­schiedenen Frankenstein-Verfilmungen, die seit den frühen Stummfilmta­gen bis hin zu Mary Shelley’s Frankenstein (1995) von Kenneth Branagh entstanden sind. Neues wird der beschlagene Aficiona­do hier nicht lernen, aber als unterhaltsam geschriebener Überblick über die filmischen Inkarnationen des untoten Monsters macht das Kapitel dennoch Laune.

 

Das zweite Kapitel präsentiert in quasi lexikalischen Einträgen eine Reihe von Science-Fiction-Autoren, die Forry Ackerman in besonderer Weise für wichtig hält, die ihn besonders fasziniert und geprägt haben oder von de­nen er – wie etwa im Falle von Henry Kuttner und C. L. Moore – glaubt, dass sie zu Unrecht inzwischen fast vergessen sind. Ackerman ehrt insbesondere seine Helden aus der „goldenen“ Ära der Pulp-Magazine, also der Zwanziger-, Drei­ßiger- und Vierzigerjahre. Folgende Autoren haben einen Abschnitt er­halten (und es mag sich jeder Leser selbst fra­gen, welche Namen er hier vielleicht vermisst): Brian W. Aldiss (1925–2017), Isaac Asimov (1920–1992), Ray Bradbury (1920–2012), Edgar Rice Burroughs (1875–1950), John W. Campbell Jr. (1910–1971), Arthur C. Clarke (1917–2008), Stanton A. Coblentz (1896–1982), Sir Arthur Conan Doyle (1859–1930), Harlan Ellison (1934–2018), Hugo Gernsback (1884–1967), Robert A. Heinlein (1907–1988), Aldous Huxley (1894–1963), David H. Keller (1880–1966), Henry Kuttner (1915–1958), C. L. Moore (1911–1987), Murray Leinster (1896–1975), Abraham Merritt (1884–1943), Bob Olsen (1884–1956), George Orwell (1903–1950), Eric Frank Russell (1905–1978), Aladra Septama (Pseu­donym für Jud­son W. Reeves, 1874–1950), Theodore Sturgeon (1918–1985), Garrett Putnam Serviss (1851–1929), M. P. Shiel (1865–1947), Clifford D. Simak (1904–1988), Curt Siodmak (1902–2000), Olaf Stapledon (1886–1950), John Taine (1883–1960), A. E. van Vogt (1912–2000), Jules Verne (1828–1905), Stanley G. Weinbaum (1902–1935), S. Fowler Wright (1874–1965) und H. G. Wells (1886–1946).

 

Das dritte Kapitel gibt einen sehr schönen Überblick über die Geschichte der wichtigsten Science-Fiction-Pulp-Maga­zine – jenes Medium, das Forry Ackerman neben den Science-Fiction-Filmen am meisten gefesselt hatte. Wer in den Pulps noch nicht so bewandert ist, erfährt hier viel Interessantes. Ackerman beschäftigt sich insbesondere mit Ama­zing Stories, Science Wonder Stories (später Wonder Stories), Thrilling Wonder Stories, Astounding (Astounding Sto­ries of Super Science, später Astounding Stories, dann Astounding Science-Fiction, schließlich Analog Science Fact – Science Fiction) und, summarischer, mit „den anderen Pulps“ wie Super Science Stories, Comet Stories, Famous Fan­tastic Mysteries, Science Fiction, Marvel Science Stories, Planet Stories und vor allem den einflussreichen Pulps The Magazine of Fantasy and Science Fiction und Galaxy.

Amazing Stories, Ausgabe vom Oktober 1926
Amazing Stories, Ausgabe vom Oktober 1926

Im vierten Kapitel beleuchtet Forry Ackerman die Science-Fiction im Kino, be­ginnend mit dem dreiminütigen Kurzfilm La lune à une mètre (1899) von Geor­ge Méliès (S. 137). Ein Überblick über die gesamte Geschichte des Science-Fiction-Films auf 76 Seiten, von denen die meisten ganzseitig mit movie stills bebildert sind – es ist klar, dass der Diskurs auf so knappem Raum nur sehr oberflächlich sein kann und kaum mehr leistet, als die lange Reihe der Meilen­steine abzuhaken. Dabei ist allein eine ganze Seite den Leistungen von Steven Spielberg gewidmet (S. 162). George Lucas findet dem­gegenüber kaum Erwäh­nung – zum Ausgleich gibt’s ganze acht Seiten präch­tiger movie stills aus Star Wars (1977). Ackerman bekennt, welche Science-Fiction-Filme in seinen jun­gen Jahren den stärksten Eindruck auf ihn gemacht haben: Fritz Langs Metro­polis (1927), der heute fast vergessene britische Film High Treason (1929) von Maurice Elvey und der inzwischen ebenso obskure Just Imagine (1930) von David Butler. Allen dreien widmet Ackerman in seinem Buch ein besonderes Augenmerk.

 

Im fünften Kapitel widmet sich Forry Ackerman schließlich der Science-Fiction im Fernsehen, mit besonderem Gewicht auf The Twilight Zone (1958–1964), The Outer Limits (1963–1965), Star Trek (1966–1969), den Produktionen von Irwin Allen wie beispielsweise The Time Tunnel (1966/67), My Favourite Martian (1963–1966) und der von ihm hoch gelobten Serie The X Files (1993–2002). Die TV-Sci-Fi der Siebzigerjahre kommt bei Ackerman demgegenüber sehr schlecht weg; über die Spezialeffekte in Battlestar Galactica (1978/79) behauptet er sogar, sie seien “ineffective on the small screen” gewesen (S. 228), was sogar nicht einmal die vielen Hasser der Show behauptet hatten, als sie seinerzeit die Serie in Zeitungen und Zeitschriften verrissen, nur weil sie nicht Star Trek oder Star Wars gewesen war.

 

Forrest J. Ackerman’s World of Science Fiction ist ein sehr kurzweiliger, faszinierender, subjektiver Blick auf das Genre von einem der besten Kenner der Materie, gewürzt mit Anekdotischem aus dem an Erfahrungen überreichen Sci-Fi-Leben des Autors. Der Band ist damit weit mehr als ein bloßes Bilderbuch mit einem kargen Alibi-Begleittext. Insbe­sondere über die von Forry Ackerman so geliebten Pulps und die von ihm besprochenen Autoren wird man sogar sehr gut informiert. Vor allem aber ist der Band ausgesprochen unterhaltsam geschrieben – ein wahrer page turner, den man nicht mehr aus der Hand legen wird, bis man ihn komplett durchgelesen hat. Ein begeisterndes Buch!

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 1. Dezember 2018