Body Snatchers – Die Körperfresser

DVD-Cover zu dem Film "Body Snatchers" (USA 1993) von Abel Ferrara

Body Snatchers (USA 1993)

 

Regie: Abel Ferrara

Drehbuch: Raymond Cistheri, Larry Cohen (Story); Stuart Gordon, Dennis Paoli, Nicholas St. John (Drehbuch), nach dem Roman The Body Snatchers (1954) von Jack Finney

Kamera: Bojan Bazelli. Schnitt: Anthony Redman. Musik: Joe Delia

Darsteller: Gabrielle Anwar (Marti Malone), Terry Kinney (Steve Malone), Meg Tilly (Carol Malone), Billy Wirth (Tim Young), Christine Elise (Jenn Platt), Forest Whitaker (Major Collins), R. Lee Ermey (General Platt) u. a.

Produzenten: Robert H. Solo; Michael Jaffe (Ko-Produzent)

Companies: Robert H. Solo Productions; Dorset Productions; Warner Bros.

Laufzeit: 87 Minuten; Farbe

Premiere: 9. Juni 1993 (Frankreich); 7. Okt. 1993 (Deutschld.); 28. Jan. 1994 (USA)

 

Der Biologe Steve Malone ist mit der Überwachung von Umweltschutzauf­lagen an Standorten der US-Armee betraut. Dafür zieht er mit seiner Frau Meg, seiner 17-jährigen Tochter Marti und seinem kleinen Sohn Andy häufig von Kaserne zu Kaserne um. Marti, die noch aus erster Ehe ihres Vaters stammt, ist vom Vagabundendasein ihrer Familie angeödet. Ihr Vater scheint sich kaum für sie zu interessieren und das Verhältnis zu ihrer Stiefmutter ist angespannt.

 

In einer Kaserne im Süden der USA erle­ben die Malones rätselhafte Dinge. Auf einer nahegelegenen Tankstelle wird Marti von einem panischen Soldaten angefallen, der sie mit düsteren Worten warnt: „Sie sind da draußen! Sie holen dich, wenn du schläfst!“ Später tritt der Stabsarzt Major Collins an Martis Vater heran und fragt, ob die Umweltgifte in einem Bach auf dem Kasernengelände möglicherweise für die paranoide Ver­wirrung zahlreicher Soldaten verant­wort­lich sein könnten. Und der kleine Andy beharrt plötzlich darauf, dass Meg nicht mehr seine Mutter sei – seine wahre Mutter sei tot.

 

Marti erkennt bald die grausige Wahr­heit: Die Kaserne ist von zahlreichen Exemplaren einer außerirdischen Lebens­form übernommen worden, die zunächst als pflanzliche Samenschote im Sumpf heranwächst und sich schließlich zu einer äußerlich perfekten Kopie eines Menschen transformiert, während dieser schläft. Nachdem der originale Körper zu Staub zerfallen ist, nimmt seine Kopie unbemerkt dessen Stelle ein. Marti muss um ihr Leben laufen, wobei sie nicht weiß, wem sie noch trauen kann, denn nahezu alle in der Kaserne scheinen bereits durch die außerirdischen „Pods“ ersetzt worden zu sein . . .

 

„Körperfresser“ als Teenie-Horror

 

Jack Finneys Roman The Body Snatchers (1954) gehört zu den meistverfilmten Erzählungen der Science-Fiction-Litera­tur. Nach Don Siegels Die Dämonischen (1956) und Philip Kaufmans Die Körper­fresser kommen (1978) ist Abel Ferraras Body Snatchers – Die Körperfresser die dritte Verfilmung des Stoffs. Oliver Hirschbiegel inszenierte mit Invasion (2007) eine vierte Fassung, an die sich die unterirdisch schlechte Trittbrett-Produktion Körperfresser 2 – Die Rückkehr (2007) von der berüchtigten Produktionsfirma Asylum als fünfte Version anschloss. Alle Filme handhabten Finneys exzentri­sche Parabel sehr frei und passten sie jeweils den aktuellen Verhältnissen an. Die Dämonischen halluzinierte in lupen­reiner Noir-Thriller-Manier einen wahnwitzigen Albtraum, der auf die Konformität und Paranoia des Spießbürgertums der McCarthy-Ära verwies; Die Körperfresser kommen artikulierte mit seiner bizarren Machart auf brillante Art und Weise den Nihilismus, der nach den Umbrüchen von ’68er-Bewegung, Vietnamkrieg und Watergate die Siebzigerjahre prägte. Abel Ferrara (geb. 1951) ging mit seinem Film einen anderen Weg. Auch er bemüht sich um aktuelle Zeitbezüge, doch liegt sein Augenmerk stärker darauf, beim jugendlichen Zielpublikum zu gefallen. Body Snatchers – Die Körper­fresser kommt als geschliffen produzierter und mit moderatem Sex aufgeladener Teenie-Schocker daher.

Szenenfoto aus dem Film "Body Snatchers" (USA 1993) von Abel Ferrara; Gabrielle Anwar
Marti (Gabrielle Anwar) ist vom neuerlichen Umzug in eine weitere Armeekaserne wenig begeistert

Ferrara weiß durchaus Spannung aufzubauen und wartet mit einem ganzen Bündel interessanter neuer Ideen und Wendungen auf. Im Mittelpunkt steht die Jugendliche Marti, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Bojan Bazellis brillante Kamera eröffnet den Film mit sommerlichen Bildern, in denen die Familie im heißen Süden der USA mit dem Auto unterwegs ist – eine Szene, die offenbar ganz bewusst den Anfang der Teen-Romanze Dirty Dancing (1987) kopiert. Gabrielle Anwar überzeugt als genervte Halbwüchsige, die sich von ihrem Vater unbeachtet fühlt und ihre Stiefmutter ablehnt, und nimmt von Beginn an den Zuschauer für ihre Geschichte ein. Clever verknüpft der Film dabei das Body-Snatcher-Thema mit der kriselnden Familie, in der die Tochter schon vor der Übernahme ihrer Eltern durch außerirdische Samenschoten das Gefühl hat, sie seien kalte, interesselose „Pods“. Martis Patchwork-Familie und die pupertären Zwiste mit ihrem Vater werden dabei in ihrer völlig normalen, tristen Durchschnittlichkeit hervorra­gend getroffen.

 

Ein anderer interessanter Einfall des Drehbuchs ist die Verlegung des Body­Snatcher-Themas in eine Militärkaserne, obwohl die damit intendierte Aussage nebulös bleibt. Ferraras Film stellt eine allegorische Frage: Sind die straff orga­nisierten und uniform gekleideten Soldaten nicht ohnehin schon gleichgeschaltete „Pods“? Wirklich symphatische Soldaten finden sich in der Kaserne jedenfalls nicht. Alle, auch der verängstigte Stabsarzt Major Collins, bleiben den Zivilisten gegenüber distanziert, sodass von Anfang an nicht erkennbar ist, wer bereits übernommen worden ist oder nicht. Selbst der junge Helikopter-Pilot Tim, mit dem sich Marti anfreundet, wirkt meistens unterkühlt und stellt eine versteinerte Miene zur Schau. Tim war im Irakkrieg und hat dort töten müssen, wie Marti von ihm erfährt, und so scheint der Film die Ansicht zu vertreten, dass auch der Krieg die Menschen gewissermaßen zu „Pods“ verwandelt. Erlösung findet Tim jedoch in der Liebe zu Marti – wenn beide im rasanten Showdown um ihr Leben rennen müssen, halten sie zusammen und erretten sich gegenseitig.

Szenenfoto aus dem Film "Body Snatchers" (USA 1993) von Abel Ferrara; Billy Wirth, Gabrielle Anwar und Christine Elise
Marti freundet sich mit dem Soldaten Tim (Billy Wirth) und der Generalstochter Jenn (Christine Elise) an

Das Rätselraten über Ferraras Aussageabsichten hat in der Filmkritik zu keinen überzeugenden Antworten geführt. Der neuseeländische Kritiker Richard Scheib kann sich nicht entscheiden und mutmaßt zum einen, dass „die Pods in die­sem Film für den sozio-moralischen Kollaps der USA zu stehen scheinen, von dem die amerikanischen Medien in den 1990er Jahren so häufig besessen waren“ (Moria). Aber schon im nächsten Absatz versucht er eine andere, recht herge­holte Erklärung: „Der Film ist zum Teil ein metaphorisches Heraustreten aus der Kindheit in eine Welt der erwachsenen Verantwortung, wo der amerikanische Traum von Familienleben und Romantik, tatsächlich alle komfortablen Werte, von der Notwendigkeit des puren Überlebens brutal zertreten werden“. Auch Roger Ebert fiel kein schlagender Sinn­bezug ein; er fragt achselzuckend: „Vielleicht ist [in diesem Film] die Furcht vor AIDS der Motor“ (Chicago Sun-Times vom 25. Februar 1994). Und Phil Hardy blieb noch unverbindlicher – für ihn spricht der Film einfach „über die Ängste der Neunziger“, was immer er damit gemeint haben mag (Die Science Fiction Filmenzyklopädie, S. 493).

 

Von den bemüht wirkenden allegorischen Sinnbezügen abgesehen, entfaltet Ferraras spannende Inszenierung in vie­len Szenen kalte Beklemmung und schaurigen Horror – Body Snatchers ist ein gut getimter, kurzweiliger und gewitz­ter Schocker. Vor allem mit der Weiterentwicklung des Samenschoten-Motivs aus Kaufmans Die Körperfresser kom­men hat Ferrara seine helle Freude. Mit aufwendigen, schönen Stop-Motion-Effekten zeigt Ferrara den Prozess der Übernahme durch eine Samenschote, die in einer Zwischendecke über der Badewanne deponiert ist, in der Marti fata­lerweise gerade eingenickert ist. Weißliche Tentakel wachsen herab, umschlingen die Badende, kriechen ihr in Mund, Nase und Ohren und beginnen, ihr die Lebensenergie auszusaugen. Derweil wächst in der Schote ein Fötus heran, der in Rekordtempo zu einem Ebenbild Martis wird und genau in dem Moment, in dem Marti plötzlich erwacht, durch die Decke bricht und in die Badewanne platscht! Ein herrlicher Schockeffekt, der noch einmal ähnlich wiederholt wird, als Tim Marti im letzten Moment aus der Krankenstation zerrt, während sich in Martis Krankenbett bereits eine verführe­rische nackte Kopie des Mädchens räkelt und Tim lockt. Der kalte Ekel ist gelungen. Jedoch wird die Frage, woher die Körperkopie die Masse ihres raschen Wachstums nimmt, wie schon in den früheren Filmen nicht beantwortet. Aus dem Originalkörper kann sie nicht stammen, da Original und Kopie zumindest für kurze Zeit nebeneinander existieren. Auch bleibt nach wie vor unklar, warum der Originalkörper verschrumpelt und schließlich zu zerbröseltem Staub zerfällt. Science-Fiction im engeren Sinn ist dieses Geschehen nicht, sondern durch und durch übernatürlicher Horror.

Szenenfoto aus dem Film "Body Snatchers" (USA 1993) von Abel Ferrara; Meg Tilly
Aus dem 1978er Remake übernahm Abel Ferrara das Motiv der Schreie, die die Pods ausstoßen (hier: Meg Tilly)

Die Schauspieler gefallen gut – mit Ausnahme von Terry Kinney, der als Martis Vater blass bleibt. Auch die Tricks und die übrigen Produktionswerte des Films (das Budget betrug ca. 13 Millionen Dollar) sind adrett. Ferrara spielt das übli­che Body-Snatcher-Spiel mit der falschen Identität – wer ist noch normal, wer bereits ein Feind? –, wobei er sich wie seine Vorgänger unnötige logische Fehler erlaubt: Wieso ist beispielsweise Martis Vater plötzlich ein „Pod“, wenn er nicht zuvor geschlafen hat? Mit einigen Elementen klebt Ferrara zu stark am Vorbild von Philip Kaufmans Film – etwa mit der Art und Weise, wie die kopierten Körper in sich zusammenfallen, oder mit den höllischen Schreien der „Pods“, wenn sie einen Menschen erkennen. Ferrara schert sich kurioserweise auch nicht darum, die Relevanz der Samenscho­ten – wo kommen sie her, was wollen sie? – dem Zuschauer zu vermitteln; er setzt einfach das Vorwissen aus den älteren Filmen voraus. Der Showdown schließlich verliert sich zu sehr in wilder Action, die damit endet, dass Tim mit Raketengeschützen das gesamte Militärcamp in die Luft sprengt. Trotz dieses Versuchs, die Ausbreitung der Samen­schoten zu verhindern, bleibt der Schluss des Films aber düster, denn es wird angedeutet, dass die Schoten längst weitere Kreise unterwandert haben.

 

Trotz kleinerer Schwächen ist Body Snatchers – Die Körperfresser ein unterhaltsamer, effektiver und einfallsreicher Horrorfilm, der neben seinen beiden großen Vorbildern Die Dämonischen und Die Körperfresser kommen eine gute Figur macht – wenn er auch nicht ganz an deren Klasse heranreicht.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 26. September 2018

Szenenfotos © Warner Bros.