Invasion

Kinoplakat zu dem Film "Invasion" (The Invasion, USA 2007) von Oliver Hirschbiegel

The Invasion (USA 2007)

 

Regie: Oliver Hirschbiegel; James McTeigue

Drehbuch: David Kajganich, nach dem Roman The Body Snatchers (1954) von Jack Finney. Kamera: Rainer Klausmann. Schnitt: Hans Funck und Joel Negron.

Musik: John Ottman

Darsteller: Nicole Kidman (Carol Bennell), Daniel Craig (Ben Driscoll), Jeremy Northam (Tucker Kaufman), Jackson Bond (Oliver), Jeffrey Wright (Dr. Stephen Galeano), Veronica Cartwright (Wendy Lenk), Josef Sommer (Dr. Henryk Beli­cec), Celia Weston (Ludmilla Belicec), Roger Rees (Yorish)  u. a.

Produzent: Joel Silver

Companies: Warner Bros.; Village Roadshow Pictures; Silver Pictures; Vertigo Entertainment

Laufzeit: 99 Minuten; Farbe

Premiere: 17. August 2007 (USA); 8. Oktober 2007 (Deutschland)

 

Als das aus dem All zurückkehrende Space Shuttle Patriot über dem Osten der USA auseinanderbricht und seine Trüm­mer weithin niederregnen, wird an den Absturzstellen eine außerirdische biologische Substanz entdeckt, die hochan­steckende Sporen absondert. Alle Quarantänemaßnahmen kommen zu spät – viele Menschen werden unmerklich infiziert. Bei der Untersuchung einer der Absturzstellen erwischt es auch den Gesundheitsinspektor Tucker Kaufman.

 

Kaufmans Exfrau Carol Bennell arbeitet als Psychiaterin in Washington D.C. Eines Tages erklärt ihr ihre Patientin Wendy Lenk unter Tränen, dass ihr Ehemann plötzlich und ohne erkennbaren Grund völlig gefühlskalt geworden sei und unter anderem mit bloßen Händen ihrem Hund das Genick gebrochen habe. Im Internet entdeckt Carol bald darauf zahlrei­che Schilderungen von anderen Leuten, die ähnliche bizarre Verwandlungen ihrer Angehörigen beklagen. Auch immer mehr Menschen in Carols Umgebung scheinen sich plötzlich merkwürdig kühl und fremdartig zu benehmen. Mithilfe ihres Freundes Ben Driscoll entdeckt Carol bald die Wahrheit: Menschen, die von den außerirdischen, offiziell weiter­hin verheimlichten Sporen befallen werden, werden in ihrer tiefsten REM-Schlafphase genetisch übernommen und umprogrammiert – ein Vorgang, der äußerlich mit einem recht hässlichen Verpuppungs- und Häutungsprozess ver­bunden ist. Die individuellen Emotionen und Antriebe werden dabei ausgelöscht und der übernommene Mensch einer kollektiv vernetzten Lebensform zugeführt, die gezielt auf die Assimilation der gesamten Menschheit hinarbeitet.

 

Kaum jemandem können Carol und Ben jetzt noch trauen – es zeigt sich, dass fast die ganze Stadt bereits von der außerirdischen Lebensform übernommen worden ist. Carol hat nur noch ein Ziel: Sie will ihren kleinen Sohn Oliver aus der Obhut ihres Exmannes Tucker retten, bei dem das Kind für ein Wochenende bleiben sollte. Ihr gelingt mit Oliver die Flucht, jedoch wird sie zuvor von Tucker ebenfalls mit den Sporen infiziert. Während sie und Oliver von Scharen von „Hülsenmenschen“ verfolgt werden, kämpft Carol verzweifelt dagegen an, nicht einzuschlafen – die einzige Chance, ihr Ich zu erhalten . . .

 

Ein glückloser Science-Fiction-Reißer

 

Jack Finneys Science-Fiction-Roman The Body Snatchers (1954) gehört zu den meistverfilmten Erzählstoffen des Gen­res; bis dato sind fünf verschiedene Filmfassungen über die „Körperfresser“ entstanden – wobei die jüngste, die unsäg­lich schlechte Asylum-Billigproduktion Körperfresser 2 – Die Rückkehr (2007), keiner weiteren Erwähnung wert ist. Dabei wäre Finneys Roman wahrscheinlich rasch vergessen worden, hätte er nicht nach seiner Erstveröffentlichung im Collier’s-Magazin zufällig die Aufmerksamkeit des Filmproduzenten Walter Wanger (1894–1968) erregt. Wanger be­fand, dass sich The Body Snatchers gut als Vorlage für einen hübschen kleinen Science-Fiction-Film eignen würde, kaufte die Rechte und ließ von Regisseur Don Siegel Die Dämonischen (1956) inszenieren. Siegels Film war kommerziell erfolgreich, erregte darüber hinaus aber keine besondere Aufmerksamkeit. Erst in den Siebzigerjahren begannen Film­kritiker, Die Dämonischen als großartigen Paranoia-Streifen zu feiern; seither wird er zu den wichtigsten Science-Fic­tion-Filmen aller Zeiten gezählt. Dabei war das grundlegende Thema des Films, die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität, keineswegs neu – es gehört seit jeher zu den tragenden Säulen des Science-Fiction-Genres – und die Prä­misse außerirdischer Samenschoten, aus denen innerhalb von Stunden perfekte Kopien von Menschen keimen, ist nüchtern betrachtet reichlich absurd. Aber in den Augen der Kritiker schien der Film nahezu mustergültig seine Entste­hungszeit zu reflektieren und dabei das stickige, von Angst durchherrschte gesellschaftliche Klima jener Zeit in Frage zu stellen. Die Dämonischen wurde mit einigem Recht als Parabel auf die berüchtigte McCarthy-Ära begriffen: Die ent­individualisierten, emotionslosen „Hülsenmenschen“, die „Pods“, konnten wahlweise als Zerrbild des kommunistischen „neuen Menschen“ oder aber des angepassten, uniform dahinvegetierenden amerikanischen Spießbürgers aufgefasst werden.

Szenenfoto aus dem Film "Invasion" (The Invasion, USA 2007) von Oliver Hirschbiegel; Nicole Kidman
Carol Bennell (Nicole Kidman) bemüht sich, nicht unter den emotionslosen "Hülsenmenschen" aufzufallen

1978 inszenierte Philip Kaufman mit Die Körperfresser kommen ein erstes, vollauf gelungenes Remake von Die Dämoni­schen, das die Erzählung geschickt in die Gegenwart der späten Siebzigerjahre transferierte und vor allem mit einer bizarren Atmosphäre und düsterem Horror überzeugen konnte. Auch das zweite Remake, Abel Ferraras Body Snat­chers – Die Körperfresser (1993), fasste den Erzählstoff neu und hatte atmosphärische und dramaturgische Qualitäten vorzuweisen, fiel gegenüber Kaufmans Film jedoch deutlich ab. Ferraras Film war in erster Linie als moderat dosierter Schocker für Teenager der Beverly Hills 90210-Generation konzipiert und hielt sich in vielen Dingen zu eng am Vorbild von 1978. Die Kritikermeinungen waren durchwachsen.

 

Das lässt sich über Oliver Hirschbiegels Invasion, dem dritten Remake des Erzählstoffs, nicht behaupten. Der Film fiel in der Kritik fast einhellig durch und war an den Kinokassen ein schlimmer Flop – bei geschätzten 65 Millionen Dollar Pro­duktionskosten (laut Wikipedia; allein Nicole Kidman erhielt ca. 17 Millionen Dollar Gage) spielte der Streifen bis März 2008 weltweit magere 40 Millionen Dollar ein. Offenbar hatte die bewegte Produktionsgeschichte ihre Schatten weit voraus geworfen. Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel (geb. 1957), der mit Das Experiment (2001) und vor allem mit Der Untergang (2004), einem Film über die letzten Tage Adolf Hitlers, auf sich aufmerksam gemacht hatte, erhielt mit Invasion von Produzent Joel Silver die große Chance, in Hollywood Fuß zu fassen. Doch die Testvorführungen des bereits 2005 fertiggestellten Films verliefen ernüchternd. Das Filmstudio entschied, das Storyboard abzuändern, die Stars noch einmal zurückzuholen und einige Sequenzen nachdrehen zu lassen. Hirschbiegel wurde gefeuert und durch James McTeigue (V wie Vendetta) ersetzt. Die neuen Szenen ließ das Studio von Lana und Lilly Wachowski (Matrix) schreiben, die auch bei den Nachdrehs assistierten. Vor allem das Ende des Films wurde mit deutlich mehr Action auf­gepeppt, doch lässt sich nicht behaupten, dass das dem Werk gutgetan hätte. Erst mit starker Verspätung, im August 2007, gelangte der Film endlich in die Kinos – und erntete fast ausnahmslos Verrisse. Schwach, seelenlos und uninspi­riert – so der Tenor der Kritik.

 

Meines Erachtens ein zu hartes Urteil. Invasion ist in meinen Augen eine durchaus gelungene und spannend inszenier­te Version des schon „ausgelutscht“ geglaubten Erzählstoffs, die mit einer hervorragenden Starbesetzung punktet und in ihrer Figurenzeichnung und ihren Dialogen weitaus erwachsener wirkt als Abel Ferraras Body Snatchers – wenn­gleich sie, das sei zugegeben, allegorisch unentschlossen bleibt und intellektuell wie atmosphärisch nicht an die Klasse der Filme von Don Siegel und Philip Kaufman heranreicht.

 

Bestechend ist vor allem, dass hier endlich die meisten logischen Schwächen des grundlegenden Konzepts ausge­räumt wurden, die alle älteren Fassungen schwer belastet hatten. Das Drehbuch von David Kajganich (geb. 1969) gibt die Idee der Samenschoten, aus denen binnen kürzester Zeit perfekte Körperkopien wachsen, vollständig auf. Ein Pro­blem dieser Idee war, dass dem Zuschauer nie eine befriedigende Antwort auf die Frage vermittelt wurde, was mit dem originalen Körper passiert, nachdem die Schote ihn kopiert hat. In Don Siegels Film erzählt einer der Pods, dass die Körper von den Schoten „Atom für Atom“ absorbiert würden, doch wird dieser Vorgang nicht gezeigt und lässt sich auch nur schwer vorstellen. Philip Kaufman ließ den Originalkörper verschrumpeln und in sich zusammenfallen wie eine leere Hülle, bis nur noch zerbröselter Staub übrig war; Ferrara wiederholte diese Lösung in seinem Film. Auch die­ses Geschehen blieb surreal und die Frage, woher die Samenschote gleichzeitig die Masse für ihr Wachstum nahm, fand keine Antwort (sowohl bei Kaufman als auch bei Ferrara existieren in einigen Szenen das Original und die Kopie gleichzeitig nebeneinander, sodass von Absorption also in beiden Filmen keine Rede sein kann).

Szenenfoto aus dem Film "Invasion" (The Invasion, USA 2007) von Oliver Hirschbiegel; Nicole Kidman und Daniel Craig
Carols Freund Ben Driscoll (Daniel Craig) ist ihr eine Stütze – bis auch er zu einem "Hülsenmensch" wird . . .

In Invasion entstehen die gefühllosen „Pods“ aus den originalen Körpern selbst, und zwar durch den Befall mit außerir­dischen Sporen, die die Gene des Wirtskörpers umbauen. Dieses Konzept ist biologisch gewiss am glaubwürdigsten. Allerdings: Auf die beeindruckenden Horroreffekte der Vorgängerfilme will auch Hirschbiegels Version des Body-Snat­cher-Themas nicht verzichten, und so „verpuppen“ sich die tiefschlafenden Menschen in einem ekligen Häutungspro­zess, während sie von der mikrobischen Lebensform übernommen werden. Im Film wird zwar hierfür eine überzeu­gend klingende pseudo-wissenschaftliche Erklärung geliefert, doch tatsächlich ist die Häutung der Opfer unsinnig, da die Opfer ja nicht äußerlich, sondern nur innerlich transformiert werden. Die wenigen Spezialeffekt-Szenen für die Ver­puppung sind allerdings schön abstoßend und nach der guten alten Schule des Zombieschockers gemacht.

 

Kajganichs Drehbuch nimmt auch anderweitig mehrere Veränderungen vor, die die Geschichte modernisieren und bis zum Schluss interessant halten sollen. Der Absturz der Patriot ist eine überflüssige Aktualisierung des schockierenden Absturzes der Columbia-Raumfähre vom 1. Februar 2003. Dr. Bennell ist jetzt eine Frau und die Handlung wurde nach Washington verlegt, der Schaltzentrale der Macht. Mit der außerirdischen Unterwanderung der Regierung erklärt der Film, weshalb die Wahrheit über die Seuche so lange unter Verschluss gehalten wird, die – eine weitere Neuerung – offiziell als schwere Grippewelle deklariert wird. Die meisten der Änderungen funktionieren gut. Gleichwohl verneigt sich Invasion auch vor den früheren Filmen. Nicole Kidman wiederholt die berühmte Szene, in der Bennell verzweifelt auf der Straße zwischen den vorbeifahrenden Autos um Hilfe ruft und von den Autofahrern ignoriert wird, und es feh­len auch nicht die Szenen, in denen Bennell vor Scharen von Hülsenmenschen davonläuft. Wie in den Versionen von 1956 und 1978 wird Bennell zum ersten Mal im Hause der Belicecs Zeuge der Transformation eines Opfers. Nett ist auch der Cameo-Auftritt von Veronica Cartwright (geb. 1949), die in Philip Kaufmans Film Nancy Belicec spielte und hier als Wendy Lenk erscheint.

 

Hirschbiegels Inszenierung ist erfreulich schwungvoll und baut solide Spannung auf, wirkt optisch allerdings etwas zu elegant und hochglanzpoliert. Sein von außerirdischen Mikroben unterwandertes Washington erscheint stets antisep­tisch rein – in krassem Gegensatz zum schmutzig und verfallen wirkenden San Francisco in Philip Kaufmans Film –, und die „Hülsenmenschen“ und die von ihnen gejagten Opfer sind immer adrett und sauber. Es ist dem hervorragend agie­renden Ensemble an Darstellern, allen voran Nicole Kidman und Daniel Craig, zu verdanken, dass sich trotz der lupen­reinen Digitaloptik ein Gefühl für beklemmende Paranoia einstellt. Nicole Kidman gelingt es überzeugend, Bennells Angst darzustellen, und ihr Kampf gegen die weiter um sich greifende Seuche ist mitreißend. Unnachgiebig werden die Hauptfiguren Bennell und ihr Sohn Oliver in immer aussichtsloser scheinende Situationen manövriert – wobei Ben­nells verzweifelter Versuch, sich mittels Medikamenten unbedingt wach zu halten, am interessantesten ist. Kleinere Unglaubwürdigkeiten seien geschenkt – etwa, dass Bennell auch schwer übernächtigt immer noch ziemlich wach und aufgeräumt wirkt, oder dass sie, nachdem sie in den Katakomben der U-Bahn zum ersten Mal einen Hülsenmenschen erschießt, anschließend entsetzt die Waffe fortwirft – obwohl sie clever genug sein müsste zu wissen, wie wichtig die Waffe für ihre weitere Flucht ist.

 

Je aussichtsloser Bennells und Olivers Situation wird, umso unglaubwürdiger wird ihre Rettung und das Happy End. Im letzten Viertel verharrt der Film leider im Leerlauf konventioneller Actionthriller-Klischees. Bennell und Oliver werden von den Hülsenmenschen mit allen Mitteln gejagt (warum eigentlich?), die Flüchtenden rasen minutenlang mit einem Auto, auf dem sich Berge von Hülsenmenschen festklammern, durch die Stadt und erreichen schließlich das Dach ei­nes Wolkenkratzers in Baltimore, wo sie von der rettenden Kavallerie – der Armee – per Hubschrauber aufgelesen und in Sicherheit geflogen werden. Das daran anschließende Happy End enttäuscht und fügt sich nicht zur Ausweglosig­keit, in der die Geschichte längst steckt. Bennells Sohn ist aufgrund einer früheren Hirnhautentzündung gegen die außerirdische Mikrobe immun, sodass den Wissenschaftlern binnen kürzester Zeit die Entwicklung eines wundersa­men Gegenmittels gelingt. Mag die Immunisierung nicht befallener Menschen mittels eines Serums noch glaubwürdig erscheinen, so ist die Rückverwandlung von Hülsenmenschen in ihr früheres Selbst absolut lächerlicher Quark. In den Hülsenmenschen hat sich nichts Geringeres als der Umbau der Gene vollzogen – und dies lässt sich mit einem Medi­kament so mir nichts, dir nichts wieder rückgängig machen? Nur gut, dass Bennell in vorausblickender Weisheit ihren verwandelten Freund Ben auf der Flucht nicht erschossen hat, als er sich ihr in den Weg stellte (sie schießt ihm statt­dessen nur ins Bein) – so kann Ben, in der letzten Szene wieder kuriert und an Bennells Frühstückstisch entspannt die Zeitung lesend, nach dem Albtraum zum perfekten neuen Lebenspartner für Bennell werden.

Szenenfoto aus dem Film "Invasion" (The Invasion, USA 2007) von Oliver Hirschbiegel; ein Pod
In "Invasion" werden die Menschen nicht von Pods ersetzt, sondern sie transformieren sich genetisch zu ihnen

Remakes haben es bei Zuschauern, die die ältere(n) Fassung(en) kennen, immer schwer, mit einer im Kern bereits be­kannten Erzählung auf originelle Art und Weise neu zu fesseln. Wer die älteren Body-Snatcher-Filme schon gesehen hat, wird vom Plot und seinen Wendungen nicht mehr nennenswert überrascht werden. Neue Facetten gewinnt David Kajganichs Drehbuch der Hülsenmenschen-Metapher nicht mehr ab, auch wenn das Bemühen darum ansatzweise spürbar wird. Die Schlüsselszene hierfür ist das Abendessen im Nobelrestaurant, bei dem Bennell mit einem tschechi­schen und einem russischen Diplomaten zusammentrifft. Der Dialog dieser Szene ist geschliffen geschrieben und re­flektiert die untrennbare Verschwisterung der Zivilisation mit der aggressiven Bestie, die dem Menschen innewohnt. Der russische Diplomat Yorish (Roger Rees) hält die Zivilisation für eine illusorische, höfliche Fassade, hinter der sich nichts als egoistische Antriebe verbergen. Bennell hält dagegen; sie widerspricht der Auffassung, dass der Mensch sich in den letzten Jahrtausenden nicht mehr entwickelt habe und sieht die Zivilisation auf einem aufstrebenden Weg. Al­lerdings kommt das Gespräch nicht über die banale Erkenntnis hinaus, dass der Mensch jederzeit zu Abscheulichkeiten fähig ist und dass das zutiefst menschlich sei. Wenn Yorish Carol Bennell fragt: „Gibt es Pillen dafür, damit man als Rus­se die Dinge so sehen kann wie Amerikaner?“ und den Irakkrieg als Beweis für die Bestialität der Amerikaner anführt, bleibt die Kritik an Amerika letztlich handzahm und erbringt für das Body-Snatcher-Thema nichts. Um es mit den tref­fenden Worten Roger Eberts zu sagen:

 

Während die ersten drei Filme als Parabeln ihrer Zeit dienten, schießt dieser ständig Parabel-Raketen ab, die verpuffen. Wie viele Bezüge zum Krieg im Irak kann man in ein und demselben Film haben, ohne irgendetwas über ihn auszusagen? (Roger Ebert in der Chicago Sun-Times vom 16. August 2007)

 

Der knorrige Realismus des Russen wird schließlich doch Lügen gestraft. Es sind nicht etwa Europäer (die bereits viel früher Seuchenschutzmaßnahmen ergreifen als die USA), sondern tüchtige amerikanische Wissenschaftler, die am Ende die Welt retten, und Amerikas Idealismus kann sich ein weiteres Mal bestätigen, das Maß aller Dinge auf der Welt zu sein. Die zynische Anmerkung des Helden der Stunde, Dr. Galeano (Jeffrey Wright), dass die neuerlichen Ge­waltmeldungen in den Zeitungen die zurückgewonnene Menschlichkeit der kurierten Menschheit beweisen würden, soll wohl als Appell verstanden werden, über die Möglichkeiten nachzudenken, wie die menschliche Gewalt zu über­winden wäre. Aber die Kritik ist auch billig. Die Verwandlung in emotionslose Hülsenmenschen kann natürlich keine sinnvolle Alternative sein. Der humanistische Auftrag bleibt schwierig.

Szenenfoto aus dem Film "Invasion" (The Invasion, USA 2007) von Oliver Hirschbiegel; Jeffrey Wright
Ende gut, alles gut – am Ende gibt Dr. Galeano (Jeffrey Wright) bekannt, dass ein Impfstoff gefunden sei

Keiner der Body-Snatcher-Filme hat die fatale Verquickung der menschlichen Natur mit ihrem Potenzial zur Gewalttä­tigkeit so betont herausgestellt wie Invasion. Erkauft wird dies allerdings mit einer Abschwächung der ursprünglichen symbolischen Bedeutung der Hülsenmenschen: Die Anklage abgestumpfter, aller Leidenschaft beraubter Konformität. Dabei hätten der Verlust von Leidenschaft und Mitgefühl im globalisierten Räderwerk entmenschlichender Profitinte­ressen durchaus auch zur neuerlichen dezidierten Anwendung der altbewährten Metaphorik einladen können.

 

So zeigt sich, dass Invasion durchaus nachdenkenswerte Ansätze bietet, die jedoch eher abstrakt-philosophischer denn politischer Natur sind. Die Kritik gegen das politisch-gesellschaftliche Amerika in Don Siegels Klassiker war unter­schwellig, aber doch unverkennbar; in Invasion ist sie nur aufgesetzt. Sei’s drum, als modernes Remake eines Fünfzi­gerjahre-Klassikers macht Hirschbiegels Film eine weitaus bessere Figur als Scott Derricksons Der Tag, an dem die Erde stillstand (2008). Trotz der altbekannten Prämisse, der beliebig wirkenden Symbolik und eines unpassenden Happy Ends ist Invasion ein spannender, sehenswerter Science-Fiction-Thriller mit hervorragenden Stars.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 27. September 2018

Szenenfotos © Warner Bros.