Metaluna 4 antwortet nicht

Metaluna 4 antwortet nicht (This Island Earth, USA 1955) DVD Covermotiv

This Island Earth (USA 1955)

 

Regie: Joseph Newman (für einige Szenen möglicherweise Jack Arnold)

Drehbuch: Edward G. O’Callaghan und Franklin Coen, nach dem Roman This Island Earth (1952) von Raymond F. Jones

Darsteller: Rex Reason (Dr. Cal Meacham), Faith Domergue (Dr. Ruth Adams), Jeff Morrow (Exeter), Robert Nichols (Joe Wilson), Lance Fuller (Brack), Doug­las Spencer (Monitor), Russell Johnson (Dr. Steve Carlson), Regis Parton und Eddie Parker (Mutant), „Orangey“ (Katze Neutron) u. a.

Produzent: William Alland

Company: Universal-International

Premiere: 1. Juni 1955 (USA); 19. Oktober 1955 (Frankreich); 25. Dezember 1956 (Deutschland)

Laufzeit: 87 Minuten; Farbe

 

Cal Meacham, einer der führenden Atomforscher der USA, wird eines Tages auf mysteriöse Weise in seinem Labor be­helligt. Ihm werden von einem dubiosen Absender fremdartige Bauteile und eine Montageanleitung zugeschickt. Da die Bauteile nahezu unglaubliche elektrotechnische Kapazitäten an den Tag legen, wird Meacham neugierig. In mühe­voller Puzzlearbeit setzt er die Bauteile zu einem sogenannten „Interozitor“ zusammen, der sich als komplexes Video-Kom­munikationsgerät entpuppt. Als Meacham den Interozitor aktiviert, erscheint auf dem Bildschirm ein weißhaariger Mann mit auffallend hohem Schädel und übergroßer Stirn. Der Mann nennt sich Exeter und lädt Meacham dazu ein, einem geheimen Elitezirkel von Forschern beizutreten, der in Georgia auf einem Land­sitz zusammenlebt und angeblich an der technologischen Herbeiführung des Weltfrie­dens arbeitet.

 

Meacham will mehr erfahren und nimmt Exters Einladung an. Mit einem ferngesteuerten Flugzeug wird er zum Land­sitz gebracht und den anderen Forschern vorgestellt, die sich eigenartig abweisend verhalten. Recht bald wird Mea­cham von seiner Kollegin Ruth Adams heimlich darüber aufgeklärt, dass Exeter die rekrutierten Forscher unter Zwang bei sich hält. Wer nicht folgsam seine Arbeit leistet, wird einer Gehirnwäsche unterzogen. Die Flucht von Meacham und Adams mit einem Flugzeug misslingt, denn Exeter und sein Helfer Brack entpuppen sich als Außerirdische, die dem Flugzeug mit ihrem UFO nachsetzen und es mit einem Energiestrahl an Bord zwingen. Das UFO macht sich auf den Weg zu seinem Heimatplaneten, Metaluna, der in einen langen Krieg gegen die Nachbarwelt Zahgon verwickelt ist. Metaluna droht durch das beständige Bombardement der Zahgoner mit Meteoriten unterzugehen, wenn nicht der Energieschild des Planeten neue Kraft erhält. Bei dieser Aufgabe sollen Meacham und Adams helfen . . .

 

UFOs, Sternenkrieg, Mutantenmonster: Eine frühe, verwegene Space Opera

 

Metaluna 4 antwortet nicht ist ein bemerkenswerter Film, der bis heute sehr unterschiedlich beurteilt wird. Viele haben ihn als typischen Science-Fiction-Heuler der Fünfzigerjahre abqualifiziert, als B-Movie mit einem haarsträu­ben­den, unlogischen Skript und den üblichen trivialen Zutaten: Außerirdische, die die Gesellschaft unterwandern und Menschen entführen, fliegende Untertassen, eine viel zu stark geschminkte scream queen und das obligatorische scheußliche Mutantenmonster. So hat der Film einen gewissen Ruf, kultiger Trash zu sein, der mit der dümmlichen Veralberung des Films in Mystery Science Theater 3000 – The Movie (1996) noch gemehrt wurde. Liebhabern von alten Science-Fiction-Filmen mit einem Sinn fürs Nostalgische und für die Geschichte des Genres gilt Metaluna 4 antwortet nicht dagegen seit jeher als ein spektakulärer und auch heute noch unterhaltsamer Meilenstein. Und das zu Recht.

 

Metaluna 4 antwortet nicht war die erste wirklich „große“, aufwendig inszenierte und weit ausgreifende Space Ope­ra, die im Kino auf die Leinwand gezaubert wurde – noch dazu in Technicolor. Zwar düsten schon in den Dreißiger- und Vierzigerjahren Flash Gordon und Buck Rogers in billig produzierten, schwarzweißen Kinoserials durchs ferne All, und in ihrer Tradition entstanden in den frühen Fünfzigern eine ganze Reihe von juvenilen TV-Serien wie Space Patrol (1950) oder Rocky Jones, Space Ranger (1954), die in interstellaren Weiten spielten. Im Kino dagegen hatte es vor 1955 nur eine Handvoll Raumfahrtfilme gegeben, und in allen von ihnen drangen die Helden nie weiter als bis zum Mond oder Mars vor. In Metaluna dagegen führte die abenteuerliche Reise zum ersten Mal in die dunklen und unvertrauten Tiefen des interstellaren Weltalls, und dem Publikum wurde hier erstmals eine wirklich fremdartige, außerirdische Welt präsentiert. Und nicht nur das: Als erster Kinofilm inszenierte Metaluna einen „Krieg der Sterne“ zwischen außerir­di­schen Völkern. Darüber hinaus glänzt der Film mit einem relativ komplexen Plot, der zwar aberwitzig ist und seine Herkunft aus naiver Pulp-Science-Fiction nicht verhehlen kann, dafür aber waghalsige Fantastik und echtes spekula­ti­ves Denken entfaltet.

 

Der Film durchlief eine lange und wechselvolle Vorbereitungsphase, die auch erklärt, weshalb Joseph M. Newman und nicht Jack Arnold, der damals bei Universal-International für Science-Fiction-Filme zuständig war, die Regie geführt hatte. Das Drehbuch geht zurück auf drei Kurzromane, die der Science-Fiction-Autor Raymond F. Jones (1915–1994) zwischen Juni 1949 und Februar 1950 im Pulp-Magazin Thrilling Wonder Stories veröffentlichte: The Alien Machine, The Shroud of Secrecy und The Greater Conflict. Auf Betreiben seines Literaturagenten Forrest J. Ackerman (1916–2008) fügte Jones die drei Geschichten zu einem Roman zusammen, der im Dezember 1952 unter dem Titel This Island Earth als gebundene Ausgabe beim Chicagoer Science-Fiction-Verlag Shasta erschien. Etwa zur gleichen Zeit hatte Victor M. Orsatti (1905–1984), damals seit fast zwei Jahrzehnten einer der einflussreichsten Schauspieler-Agenten Hollywoods, eine unabhängige Filmfirma namens Saber Productions gegründet, um selbst Filme zu produzieren. Er und der mit ihm befreundete Regisseur Joseph M. Newman (1909–2006), der zuvor bei MGM und 20th Century Fox unter Vertrag ge­standen hatte und nun für Saber drehen wollte, suchten nach einem passenden Projekt, wobei insbesondere Newman daran interessiert war, einen Science-Fiction-Film zu machen. Im Sommer 1953 kam ihnen Jones’ Roman zwischen die Finger. Das Buch erschien beiden vielversprechend; Saber kaufte die Filmrechte und beauftragte den Autor Edward G. O’Callaghan (eigentlich George Callahan, 1902–1989), ein Drehbuch zu verfassen. Darüberhinaus wurde der Illustrator Frans van Lamsweerde (1920–1969), der zuvor für Disney gearbeitet hatte, angeheuert, um erste Produktionsskizzen zu zeichnen und eine konkrete Vorstellung davon zu schaffen, wie der geplante Film aussehen könnte.

 

Als es Orsatti und Newman nicht gelang, Investoren für die unabhängige Produktion zu gewinnen, verkauften sie die Filmrechte schließlich Ende 1953 an Universal-International, mit der Bedingung, dass Newman bei dem Projekt bleiben und Regie führen dürfe. Universal-International war offenbar von Beginn an gewillt, einen wirklich aufwendigen Science-Fiction-Film in Farbe zu drehen. Mit etwa 800.000 Dollar, die der Film am Ende kostete, hatte das Studio ein außerordentlich großzügiges Budget investiert – gemessen an den deutlich knapperen Budgets, mit denen Science-Fiction-Filme zu jener Zeit für gewöhnlich auskommen mussten. Produzent William Alland (1916–1997) übernahm bei Universal-Inter­national die Leitung des Projekts und ging energisch daran, seine eigenen Ideen einzubringen. So beendete er gegen den Widerstand Newmans die Zusammen­arbeit mit O’Callaghan, weil ihm das Drehbuch nicht gefiel – er hielt es für zu ausufernd, in Hinblick auf das Budget für kaum realisierbar und interessanter­weise angeblich auch für „zu antikommunistisch“ –, und ließ Anfang 1954 den beim Studio angestellten Autor Franklin Coen (1912–1990) das Drehbuch über­arbeiten. Auch die zahlreichen Illustrationen, die van Lamsweerde inzwischen erstellt hatte, lehnte Alland ab und übertrug das Produktionsdesign stattdessen Alexander Gorlitzen (1908–2005) und Richard H. Riedel (1904–1960).

 

Die wichtigste Änderung, die William Alland am Projekt vornahm, war die Hinzufügung des berühmten Metaluna-Mutanten. Der Mutant taucht weder in Jones’ Roman noch in O’Callaghans ursprünglichem Skript auf. Doch da Uni­ver­sal-International in all ihren Science-Fiction-Filmen stets ein Monster hatte, bestanden die Studiobosse darauf, auch This Island Earth mit einem Monster aufzupeppen – nicht zuletzt, um einen aufsehenerregenden Blickfang für die Filmplakate zu haben. Das Kostüm kostete stolze 20.000 Dollar und wurde von den Makeup-Künstlern Jack Kevan, Robert Hickman, John Kraus und Chris Mueller unter der Ägide des Department-Chefs Bud Westmore angefertigt. Beim Design des Kopfes wurde dabei auf einen älteren Entwurf zurückgegriffen, der für Jack Arnolds Gefahr aus dem Weltall (1953) angefertigt und dann aber nicht verwendet worden war. Getragen wurde das Monsterkostüm von den Stuntmen Regis Parton und Eddie Parker.

 

Der Mutant gehört mit Sicherheit zu den visuell beeindruckendsten und besten Filmmonstern seiner Zeit. Ein riesiges Gehirn, dessen offen sichtbare Win­dungen von Blutadern durchzogen sind, mächtige Glupschaugen und insektoide Zangengliedmaße: Die schrillsten Visionen von den Covers der Pulp-Magazine wurden hier zu einer unübertroffenen, schaurig-schönen Leinwandwirklichkeit, die spätere Film-Außerirdische bis hin zu Tim Burtons Parodie Mars Attacks! beeinflusst hat.

 

Allerdings hat der Mutant auch von jeher polarisiert. Viele Aficionados und Filmkritiker haben die Meinung vertreten, dass der Mutant für die dramatische Handlung überflüssig sei und in sich betrachtet auch eine völlig unglaubwürdige, ja, lächerliche Kreatur darstelle – anders als etwa der Kiemenmensch, der in Der Schrecken vom Amazonas (1954) der Dreh- und Angelpunkt des Dramas ist und als schuppentragendes Wassermonster auch logisch und glaubwürdig er­scheint. Zahlreiche Beteiligte der Produktion, von Joseph Newman über Franklin Coen bis hin zu den Hauptdarstellern Rex Reason und Jeff Morrow, haben später in verschiedenen Interviews auf diese Kritik geantwortet und mehr oder weniger entschuldigend erklärt, dass auch sie den Mutanten seinerzeit abgelehnt hätten und davon überzeugt ge­we­sen seien, dass er den Film ruiniere. Selbst William Alland schmähte in einem von Tom Weaver geführten Interview den Mutanten als abscheulich missratenes Kostüm und tat so, als wäre er höchstselbst, obgleich Produzent, während der Dreharbeiten dagegen gewesen, es einzusetzen. Dreh­buchautor Franklin Coen hat das allerdings ganz anders in Erinnerung:

 

Ich hasste das Konzept des Mutanten, halb Mensch, halb Insekt. Ich dachte, dass das Aufdrängen einer solchen Bestie das gesamte Projekt abwerten würde, das zu der Zeit natürlich mein Baby war. Aber Bill liebte seine Monster – er hatte seine Reputation auf ihnen aufgebaut – und die Kreatur war bereits ausgedacht und wurde bereits angefertigt. Überaus stolz auf sie, brachte mich Bill ständig in die Werkstatt, um sie vorzuzeigen und mich zu überzeugen. Nun, ich musste zugeben, dass das verdammte Ding einschüchternd war, wenn nicht sogar – in seinem eigenen Genre – superb. Ich gab nach; ich hatte keine Wahl. (zitiert nach Bill Warren, Keep Watching the Skies!, S. 783)

 

Ungeachtet aller Kritik ist der Mutant mit Sicherheit ein Gewinn für den Film. Für den Plot mag er überflüssig sein, doch seine bizarre Erscheinung und sein dramatischer Kampf mit der sich verzweifelt sträubenden Faith Domergue sind unbestreitbar visuelle Highlights des Films und sichern dem Metaluna-Mutanten bis heute einen prominenten Platz in der pittoresken Galerie unsterblicher Ikonen des Science-Fiction-Kinos.

 

Ein anderes, nie ganz aufgeklärtes Mysterium um die Produktion des Films stellt die Beteiligung Jack Ar­nolds an This Island Earth dar. Die gängige Überlieferung besagt, dass William Alland, nachdem Joseph M. Newman die Dreharbeiten mit den Schauspielern schon abgeschlossen hatte und das Studio über viele Monate mit den Aufnahmen der Spezial­effekte beschäftigt war, Jack Arnold hinzugezogen haben soll, um einige Szenen mit den Schauspielern nach­dre­hen zu lassen. Angeblich hatte Newman diese Szenen, die allesamt auf Metaluna spielen, bereits gedreht, doch Alland sei mit den Ergebnissen unzufrieden gewesen. Jack Arnold hingegen hatte in Interviews erklärt, dass manche der Szenen, für die er eingesprungen sei, schlichtweg noch gefehlt hätten – so zum Beispiel die Szene, in der Rex Reason und Faith Domergue in den Glasröhren an Bord des UFOs transformiert werden, oder die Szenen auf Metaluna, in denen beide mit Jeff Morrow mit dem Tunnelgleiter fliehen. Letztlich hatte Arnold sämtliche Szenen auf Metaluna für sich rekla­miert, doch da Jack Arnold in Interviews gern seinen eigenen Anteil an den Filmproduktionen übertrieb, bleibt unklar, ob das stimmt.

 

Der Mutant ist beileibe nicht das einzige visuelle Highlight des Films. Auch die ansprechenden außerirdischen Büh­nen­bilder und aufwendigen Tricks liefern prächtiges, staunenswertes Augenfutter. Für die Landschaft von Metaluna wur­de ein enormes, aus zwei Etagen bestehendes Modell von über dreißig Metern Länge gebaut; durch die Einschlag­lö­cher in der Planetenoberfläche waren metalunische Gebäude und Landeplattformen zu sehen. Über diese Landschaft wurde an Drähten hängend das aus Aluminium gefertigte Modell von Exeters UFO geführt, das eine Länge von 60 cm hatte und 9 Kilogramm wog.

 

Metaluna ist eine bizarre, felsige Welt. Sie ist düster und grau, die Oberfläche zernarbt vom ständigen Bombardement von Meteoriten, die die Feinde in ihrem erbarmungslosen Vernichtungskrieg auf den Planeten ­hageln lassen. Unter der Oberfläche haben die Bewohner ihre futuristischen Gebäude und Landeplattformen errichtet. Diese städtische Sze­ne­rie ist zwar deutlich als Malerei erkennbar und musste mit ihren Wölbungen und Schwüngen, die an die Buck-Rogers-Comics der Zwanziger- und Dreißigerjahre erinnern, schon in den Fünfzigerjahren etwas altmodisch gewirkt haben. Hübsch anzusehen ist sie aber trotzdem.

 

Etwas zwiespältig präsentieren sich die übrigen Trickszenen des Films. Sie sind zwar für ihre Zeit wahrhaft bombas­tisch und verströmen einen gehörigen sense of wonder, aber schon ein Jahr später demonstrierte Nicholas Nayfacks Geniestreich Alarm im Weltall (1956)dass einige Tricks durchaus noch besser hätten gelingen können. So fliegt das starre travelling matte des UFOs nur als unbewegliches Bild durchs All, und auch der Weltraum selbst wirkt nicht so räumlich und prachtvoll wie in Nayfacks Film. Die Ansicht des Planeten Metaluna aus dem All ist sogar enttäuschend schlecht, ein diffuses Bild wie von einer verschrumpelten Kartoffel. Die Meteoriten sind funken­sprühende, durchs All schwirren­de Bälle – diese werden aber immerhin von überzeugenden Energiestrahlen zerschossen, die das UFO auf sie ab­schießt.

 

Sehr gelungen wirken die Sets vom UFO und von der Kommandozentrale auf Metaluna (tatsächlich handelt es sich um ein und dasselbe Bühnenbild, das jeweils umdekoriert wurde): sie sind wunderbar schlicht, silbrig glänzend, mit nur wenigen Schaltpulten und Plexiglasröhren versehen, und in der Mitte des Raums steht jeweils ein blinkendes Atom­modell, in den Fünfzigern das Signum der Wissenschaft und des Fortschritts schlechthin.

 

Die Erde ein Eiland . . .

 

Die Story beginnt als spannendes Mysterium. Dem Atomforscher Cal Meacham werden anonym eine seltsame Bauan­leitung und elektronische Teile geliefert, und er setzt alles zu einem Gerät zusammen, das sich als Kommunikations­mit­tel und zugleich als Strahlenwaffe entpuppt. Über das Gerät wird er von einem unbekannten Mann namens Exeter eingeladen, sich einer Gruppe von erstklassigen Wissenschaftlern zu einem noch nicht enthüllten Zweck anzuschlie­ßen. Der „Interozitor“ zerstört sich kurz darauf selbst. Am nächsten Morgen landet ein ferngesteuertes Flugzeug und holt den neugierig gewordenen Meacham ab. Sein Assistent Joe Wilson (Robert Nichols) bleibt zweifelnd zurück.

 

Die Handlung ist bereits bis zu diesem Punkt aus mehreren aberwitzigen Elementen zusammengefügt. Cal Meacham wirkt wie ein Wissenschaftler aus einem Comicheft. Er ist ein kantiger Heldentyp, der seine Atomforschung scheinbar ganz allein und unabhängig betreibt und trotzdem für das Pentagon von so großer Bedeutung ist, dass er sogar seinen eigenen Düsenjet fliegt! Exeters geheimnisvolle Einladung, geschweige denn Exeters eigenartig geformter Schädel, machen Meacham kaum misstrauisch. Er steigt in das geisterhaft gesteuerte Flugzeug und lässt sich zu Exeters Refu­gium in Georgia fliegen, das als Landsitz getarnt ist. Nach einer kürzeren Unterredung mit Exeter schließt er sich dem Wissenschaftlerteam an, das dort unter strenger Geheimhaltung arbeitet. Meacham verschwendet offenbar keinen Gedanken mehr an seinen vom Pentagon unterstützten Forschungsauftrag; er lässt seine bisherige Arbeit einfach stehen und liegen.

 

Dass sich die besten Wissenschaftler der Welt aus freien Stücken einem offensichtlich verschwörerischen Zirkel mit unklarer Zielsetzung anschlie­ßen, ist zweifellos haarsträubender Unfug. Auch die Dialoge sind nur selten über­zeugend. Die vielleicht albernste Zeile des Films hat Faith Domergue, wenn sie über die Laborkatze sagt: „Wir haben sie Neutron genannt, weil sie so positiv ist . . .“

 

Trotzdem: Dieser erste Teil des Films ist spannend und unterhaltsam gemacht. Die beunruhigende außerirdische Unterwanderung der Wissenschaft auf der Erde wird als atmosphärisch fesselnde Paranoiageschichte erzählt, deren Hintergründe erst spät offenbart werden. Nach und nach werden mehr schreckliche Details offenbar: Tatsächlich wurden die meisten Wissenschaftler Gehirnwäschen unterzogen, sobald sie ihre freiwillige Mitarbeiterschaft aufge­kün­digt hatten, und der Landsitz ist nicht nur eine geheime Forschungsstätte, sondern ein Gefängnis. Der Zuschauer bleibt gefesselt von der Frage, wann Meacham, Adams und ihr Verbündeter Dr. Carlson dahinterkommen, dass ihre seltsamen Herren Außerirdische sind.

 

Als Exeter und sein Gehilfe Brack vom Herrscher Metalunas den Befehl erhalten, zur Heimatwelt zurückzukehren und gleichzeitig Meacham und Adams vom Landsitz fliehen, nimmt der Film eine wahrhaft fantastische Wendung. Hinter dem Haus erhebt sich Exeters UFO, und kurz darauf explodiert der Landsitz mitsamt den Wissenschaftlern. Das kleine Flugzeug, mit dem Meacham und Adams davonfliegen, wird per grün leuchtendem Traktorstrahl ins UFO hineingezo­gen, und Meacham und Adams werden von Exeter auf eine Reise ins All entführt.

 

Unversehens entfaltet der Film in seiner zweiten Hälfte ein faszinierendes Weltraumabenteuer. Da stört es nur wenig, dass kaum etwas wissenschaftlich durchdacht präsentiert wird. Der tech babble ist Unsinn, die gezeigten Ereignisse auch. So ist beispielsweise die Molekularum­wandlung der Passagiere an Bord des UFOs angeblich nötig, weil der Luftdruck auf Metaluna viel höher sei und der menschliche Organismus entsprechend angepasst werden müsse. Da sich Exeter auf dem Rückflug derselben Prozedur unterzieht – sozusagen die Rückumwandlung –, kann der Luftdruck an Bord des UFOs nie passend sein, er ist entweder zu hoch oder zu niedrig, da Umgewandelte und Nichtumgewan­del­te munter nebeneinander im Schiff herumspazieren. Unfug ist auch die „Thermalgrenze“ in gehöriger Entfernung zur Erde, bei deren Überschreitung das UFO plötzlich glühend heiß wird, als durchquere es eine Atmosphäre (sie ist ein Motiv, das in der Science-Fiction der Fünfzigerjahre häufiger auftaucht und damals offenbar für eine realistische Mög­lich­keit gehalten wurde). Dass der energetische Schutzschild Metalunas „Ionisations­schicht“ genannt wird, ist nicht mehr als eine hübsch physikalisch klingende, sinnlose Phrase. Warum schließlich der Mutant, nachdem er am Ende des Films gestorben ist, sich in Nichts auflöst, bleibt offen.

 

Metaluna ist in einen langen Krieg gegen Zahgon verstrickt, in dem Zahgon ständig Meteoriten wie Fernlenkge­schos­se auf Metaluna einschlagen lässt (die Ursachen und Hintergründe dieses Krieges werden dem Zuschauer nicht mit­ge­teilt). Atomkraft soll die zerbombte Welt retten: Die irdischen Wissenschaftler waren von den Außerirdischen dazu benutzt worden, der schwindenden Ionisationsschicht von Metaluna eine neue atomare Energiequelle aufzuschließen. Meacham und Adams sollen dieses Ziel nun auf Metaluna selbst erreichen, denn ohne Ionisationsschicht ist Metaluna dem Untergang geweiht.

 

Doch als das UFO von der Erde eintrifft, ist es für eine Rettung des Planeten bereits zu spät, der Schutzschirm Meta­lu­nas ist bereits zu stark geschwächt. Der Herrscher von Metaluna will stattdessen seine Spezies schnellstmöglich auf die Erde umsiedeln. Für die Menschheit bliebe da nur die Rolle eines Sklavenvolkes. Doch auch für die Umsetzung dieses Plans ist es bereits zu spät – ständig schlagen neue Meteoriten ein, und Metalunas Hauptstadt geht im Bom­ben­hagel unter. Gottlob ist Exeter, der heimliche Held des Films, edel und humanistisch gesinnt (obwohl die zuvor durchgeführten Gehirnwäschen und Morde auf der Erde dazu freilich nicht ganz passen wollen); er hintergeht die Befehle seines Herrschers und hilft Meacham und Adams bei der Flucht vom Planeten, der hinter ihnen in Schutt und Asche gelegt wird und schließlich ganz verglüht. Das UFO fliegt zur Erde zurück. Hoffnung gibt es für Exeter nun keine mehr. Immerhin ist ihm nach der Entlassung von Meacham und Adams in die Freiheit noch der Heldentod in den Flam­men seines UFOs vergönnt, das schließlich im Meer zerschellt.

 

So schwingt sich der Film unerwarteterweise zu allegorischen Höhen auf, denn Metaluna erscheint als die ent­setz­li­che Vision einer vom Atomkrieg gezeichneten, dem Untergang geweihten Welt, wie ein mahnendes Menetekel. Ver­glichen mit Metaluna wirkt die gute alte Mutter Erde tatsächlich wie ein idyllisches Eiland im All: This Island Earth.

 

Es gibt Kritiker, die den poetischen Titel des Films als Ausdruck einer isolationistischen Haltung gesehen haben, die für fast alle Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre kennzeichnend sei: Das „Eiland Erde“ sei besser dran, wenn es eine isolierte Insel im kosmischen Ozean bliebe und mit den Außerirdischen nichts zu tun habe. Ob die Außerirdischen die Erde besuchen oder die Menschen ins All zu den Außerirdischen vordringen: Die „Anderen“ seien stets eine schreckli­che Bedrohung. So sagt Philip Strick in seinem Buch Science Fiction Movies (S. 137): „Unser Planet ist ein küstenferner Brocken, ignoriert von der Politik des Universums, und es gibt einige Vorteile, die aus dieser Absonderung erwachsen.“

 

Bill Warren sieht eine etwas optimistischere Botschaft im Titel des Films: „This Island Earth demonstriert zumindest teilweise das Konzept des Titels: Die Erde ist in der Tat eine Insel, eine von vielen im kosmischen Ozean. Der Weltraum ist gefährlich, ja, aber Vieles mag durch seine Erforschung noch gewonnen werden“ (Keep Watching the Skies!, S. 782).

 

William Alland hingegen hat die Botschaft des Films in einem Appell gesehen, die Einzigartigkeit unserer kostbaren „Insel Erde“ wertzuschätzen. Wir haben nur diese eine Erde, es gibt keinen anderen Ort für uns, wohin wir gehen könnten. Exeter ist für Alland ein tragisches Beispiel für jemanden, der seine eigene Welt verloren hat, denn auf der Erde findet der Fremdling kein neues Zuhause. Bill Warren hat diese Deutung entschieden abgelehnt (Skies, ebda.). Ebenso entschieden würde ich sie unterschreiben. Die graue, von Narben gezeichnete Welt Metalunas und ihr voll­stän­diger Untergang im Bombenhagel führt die idyllische Schönheit und Lieblichkeit von Mutter Erde eindringlich vor Augen. Im Kontrast zwischen Metaluna und der Erde schwingt der deutliche Appell mit, die Erde vor der totalen krie­gerischen Vernichtung zu bewahren.

 

Metaluna 4 antwortet nicht ist ein visuell beeindruckender, spannender, einfach wundervoller Science-Fiction-Film. Zusammen mit Kampf der Welten (1953) und Alarm im Weltall (1956) zählt er zu den drei spektakulärsten Science-Fiction-Filmen der Fünfzigerjahre. Er wagt eine äußerst fantastische Story und scheitert in vielen Details – eine verwe­gene Mischung, die den Film umso liebenswerter macht.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 30. Januar 2016