Them! (USA 1954)
Regie: Gordon Douglas
Story/Buch: George Worthing Yates (Story); Russell S. Hughes (Adaption); Ted Sherdeman (Drehbuch)
Kamera: Sidney Hickox. Schnitt: Thomas Reilly. Musik: Bronislau Kaper. Darsteller: James Whitmore (Police Sgt. Ben Peterson), James Arness (Robert Graham), Joan Weldon (Dr. Patricia Medford), Edmund Gwenn (Dr. Harold Medford), Onslow Stevens (Brig. Gen. Robert O’Brien), Sean McClory (Major Kibbee), Chris Drake (Ed Blackburn), Sandy Descher (kleines Mädchen), Mary Alan Hokanson (Mrs. Lodge), Olin Howland (Jensen), Richard Bellis (Mike Lodge), Mary Lou Holloway (Blondine), Leonard Nimoy (Air Force Sergeant) u. a.
Produzent: David Weisbart. Company: Warner Bros.
Laufzeit: 93 Min.; Schwarzweiß
Premiere: 19. Juni 1954 (USA); 15. September 1960 (Deutschland)
Polizei-Sergeant Ben Peterson und sein Kollege Ed Blackburn entdecken am Rande einer Landstraße in der Wüste von New Mexico ein kleines apathisches Mädchen, das offenbar ein entsetzliches Schockerlebnis hinter sich hat. Einige Meilen weiter stoßen die Polizisten auf einen Wohnwagen, der den Eltern des Mädchens gehört hat. In einer Seite des Wohnwagens klafft ein riesiges Loch, das Innere ist völlig verwüstet. Von den Eltern fehlt jede Spur, stattdessen finden sich vor dem Wohnwagen eine unerklärliche, große Trittspur und – Zuckerwürfel.
Als die Polizisten später zum einsam gelegenen Gemischtwarenladen des „alten Johnson“ fahren, bietet sich ihnen dort dasselbe Bild: ein riesiges Loch in der Wand, Verwüstungen, verstreuter Zucker – und am Fuß der Kellertreppe die schlimm misshandelte Leiche Johnsons. Als Peterson allein davonfährt, um die Spurensicherung zu holen, wird sein als Wache postierter Kollege Blackburn kurz darauf ebenfalls getötet.
Die Obduktion des Leichnams vom alten Johnson ergibt, dass er mit riesigen Mengen von Ameisensäure vollgepumpt ist. Der vom FBI zur Untersuchung des Falls geschickte Spezialagent Robert Graham holt sich seinerseits zwei Wissenschaftler des Landwirtschaftsministeriums zu Hilfe: Dr. Medford und dessen attraktive Tochter Pat. Nachdem die Wissenschaftler mehrere Indizien untersucht und gesammelt haben, kommen sie zu dem Schluss, dass in der Wüstengegend, die nicht weit entfernt ist von einem Atombombentestgebiet, riesige Ameisen ihr Unwesen treiben müssen – Mutationen infolge extremer radioaktiver Strahlung! Bald schon gelingt es, das unterirdische Nest der Riesenameisen aufzuspüren. Die Zeit drängt, denn wenn die Ameisen nicht rasch ausgerottet werden, könnten ihre geflügelten Königinnen ausschwärmen und viele neue Nester bauen. Die gesamte Menschheit ist in Gefahr . . .
“Them! Them! Them!”
... kreischt das kleine Mädchen, als es sich schockartig an die Begegnung mit den Riesenameisen erinnert. Das traumatische Erlebnis des Mädchens wird nicht gezeigt, aber man kann es sich deutlich ausmalen. Es geht unter die Haut. Them! – „sie“, diese scheußlichen Wesen, für die das Kind keinen Namen findet: Kann man sich einen besseren Titel für diesen Film vorstellen, einen Titel, der in einem einzigen gekreischten Wort den ganzen archaischen Ekel vor krabbeligen Insekten ausdrücken könnte? Nun, die deutsche Verleihfirma war offenbar anderer Meinung: 1960 kreierte sie den Titel Formicula und orientierte sich damit klanglich an Jack Arnolds Kassenschlager Tarantula (1955), der zwar erst ein Jahr nach Them! gedreht wurde, bei uns in Deutschland aber noch vor Them! im Kino gelaufen war.
Formicula ist ein gefeierter Klassiker des Monsterfilms und auch für heutige Zuschauer ein spannendes Erlebnis. Der Film brachte als erster mutierte Rieseninsekten auf die Leinwand und trat gemeinsam mit dem 1952 wieder aufgeführten King Kong und die weiße Frau (1933) und dem im Jahr darauf folgenden Dinosaurierspektakel Panik in New York (1953) eine regelrechte Welle von Monsterfilmen los, die erst Ende der Fünfzigerjahre verebben sollte.
Das Filmteam hatte einige versierte Talente an Bord. Regisseur Gordon Douglas (1907–1993) war ein eher bodenständiger Routinier seines Fachs, der in seiner langen Karriere vor allem ausgekochte Actiondramen, Kriminalfilme und Western gedreht hatte. In Formicula gelangen ihm eine Reihe atmosphärischer, spannender Szenen – der Film gehört gewiss zu seinen besten Leistungen. Seine bekanntesten Regiearbeiten neben Formicula dürften Sieben gegen Chicago (1964) und Geheimkommando (1959) sein. Unrühmlicherweise hat Douglas aber auch die unsägliche Science-Fiction-Gurke Das Mondkalb (1966) mit Jerry Lewis (1926–2017) verbrochen. Mit Sidney Hickox (1895–1982) hatte Douglas für Formicula einen hochkarätigen Kameramann an seiner Seite, der unter anderem den Humphrey-Bogart-Klassiker Tote schlafen fest (1946), Maschinenpistolen (1949) und diverse Erol-Flinn-Streifen gefilmt hatte.
Der herausragendste Schauspieler der Produktion war gewiss Edmund Gwenn (1877–1959), der mit 77 Jahren den alten Dr. Medford spielte. Gwenn war bereits damals Oscar-Preisträger für die Hauptrolle als Weihnachtsmann in Das Wunder von Manhattan (1947); ein Jahr nach Formicula brillierte er in Alfred Hitchcocks Immer Ärger mit Harry (1955). Besonders erwähnenswert ist auch James Whitmore (1921–2009) in der Rolle des Polizisten Ben Peterson. Der Schauspieler glänzte vor und nach Formicula in zahlreichen anderen Rollen. Vielen dürfte er als alter Bibliothekar Brooks Hatlen aus Frank Darabonts Knast-Drama Die Verurteilten (1994) bekannt sein. Als Marginalie sollte noch erwähnt werden, dass Leonard Nimoy, der spätere Vulkanier Spock aus Star Trek (1966–69), in Formicula eine winzige Nebenrolle als Air Force Sergeant spielte.
Formicula hat eine für einen Monsterfilm angemessene, geradlinige Story, die vor allem in der ersten halben Stunde eine fesselnde Bildersprache entwickelt. Das Grauen wird in dem apathisch dahinwandelnden kleinen Mädchen fühlbar; der verwaiste, zerstörte Wohnwagen überlässt der Fantasie, was sich dort abgespielt haben könnte. Besonders gelungen sind die Szenen, in denen die Polizisten den verwüsteten Laden des „alten Johnson“ inspizieren. Die völlig einsam in der Wüste gelegene Hütte liegt in dunkle Nacht getaucht. Der Wüstenwind heult schauerlich; durch das Loch in der Wand fegt er herein und lässt die Deckenleuchten hin und herschwanken. Die Polizisten tappen mit gespannter Aufmerksamkeit herum. Schließlich finden sie – Fanal des Grauens – die blutige Leiche Johnsons im Keller. Später, als einer der Polizisten allein zurückbleibt, hört man ein unheimliches Zirpen. Allein der Zuschauer weiß, das dieses Zirpen ein unausweichliches Unheil zu bedeuten hat . . .
Das alles ist wirkungsvoll und stilsicher inszeniert. Auch später, als das ermittelnde Team nach Ameisenspuren sucht und die Kamera über die menschenleere, lebensfeindliche Wüste schwenkt, die im Sandsturm nur undeutlich erkennbar ist, stellt sich eine unheimliche, schauerliche Stimmung ein – und das, obwohl es hellichter Tag ist.
An diesen atmosphärischen Szenen, die an die filmischen Mittel des Dreißiger- und Vierzigerjahre-Kinos erinnern, sieht man im Übrigen auch, dass es nur gut war, dass der Film in Schwarzweiß gedreht wurde (aus Kostengründen – ursprünglich war er in Farbe geplant gewesen). Schwarzweiß steht dem Film hervorragend zu Gesicht. Zudem machen die Modelle der Riesenameisen in Schwarzweiß auch eine bessere Figur, als sie das vermutlich in Farbe getan hätten.
Sie sind groß und haarig . . .
Dass die Riesenameisen nach ca. einer halben Stunde dann endlich das erste Mal erscheinen, ist perfektes Timing. Der Zuschauer will diese Bestien nun endlich auch sehen! Man hört zuerst wieder nur dieses bedrohliche Zirpen, bis plötzlich eines dieser Scheusale über den Hügel gekrabbelt kommt, um die attraktive junge Frau Pat Medford zu fressen – wen auch sonst? Dass Pat daraufhin markerschütternd schreit, gehört in einem Science-Fiction-Film der Fünfziger zum guten Ton.
Die Riesenameisen wurden nicht in Stop Motion getrickst oder als gemattete Aufnahmen echter Ameisen überlebensgroß in den Film einkopiert; stattdessen wurden beweglich konstruierte Riesenmodelle verwendet. Man sieht ihnen die Künstlichkeit zwar auf Anhieb an, aber der sparsame, gezielte Einsatz dieser haarigen, scherenbewehrten Modelle, ein geschickter Schnitt und die Spannung des Films sorgen dafür, dass die Illusion recht gut rüberkommt. Überdies sind die Riesenameisen echten Ameisen ziemlich getreu nachempfunden. Der Lohn der Mühe war eine Oscar-Nominierung für die Spezialeffekte.
Formicula zeichnet sich auch dadurch aus, dass der Film das Verhalten der mutierten Tiere wissenschaftlich erklären will (auch wenn hier nicht alles so exakt geraten sein mag). Die Riesenameisen verhalten sich so wie andere Ameisen auch: Sie bauen unterirdische Nester, legen Eier und suchen Nahrung. Da es in der Wüste zuwenig Nahrung für sie gibt, gehen sie dazu über, Menschen zu fressen. Sie schwärmen mit geflügelten Königinnen aus und gründen neue Staaten. Dadurch werden sie zu einer weltweiten Bedrohung, denn aufgrund ihrer Größe können sie interkontinentale Distanzen zurücklegen. Der Film nimmt sein Thema ernst und verkauft den Zuschauer nicht für dumm, wie das leider in so vielen anderen Monster- und Science-Fiction-Filmen der Fall ist.
. . . und sie brennen gut!
Mit den Szenen, in denen der FBI-Agent Graham mit einem Team in den Ameisenbau hinabsteigt, baut der Film den nächsten Spannungshöhepunkt auf. Den Bau haben die Männer zuvor mit Cyangas ausgeräuchert. Tiefer und tiefer klettern sie in die beklemmende Finsternis herab, stoßen auf Leichen von Riesenameisen und gigantische Ameiseneier. Die Angst und der Ekel sind auch hier sehr gut nachzuempfinden. Dr. Medford stellt fest, dass zwei Königinnen bereits ausgeflogen sind. Alle verbleibenden Eier werden mit Flammenwerfern vernichtet.
An diesem Punkt wird die Szenerie zunächst nach Texas, dann nach Los Angeles verlegt, und der Film wird bis zum Finale hin etwas langatmig. Medford, Graham und Peterson ermitteln mit kriminalistischem Spürsinn, wo die beiden Königinnen ihre neuen Nester gebaut haben. Vieles wird nur erzählt, nicht mehr gezeigt – unter anderem, dass das Frachtschiff, in dem sich eine der beiden Königinnen eingenistet hat, im Pazifik versenkt wurde. Schade – hier wären noch einige tolle Szenen vorstellbar gewesen.
Der Showdown findet in den Abwasserkanälen von Los Angeles statt, wo die zweite Königin einen neuen Ameisenstaat gegründet hat. Der Spannung halber sitzen überdies zwei verängstigte Jungen in den Kanälen fest, weil die Riesenameisen ihnen den Rückweg ins Freie versperren. Ein Großaufgebot der Armee dringt in die Kanäle ein, es gelingt die dramatische Rettung der Jungen, bei der der Polizist Peterson allerdings einen grausamen Heldentod zwischen den Scheren einer Riesenameise findet. Am Ende werden sämtliche Bestien und ihre Eier mit Flammenwerfern abgefackelt.
Aus der Küche des Atomic Café
Formicula thematisiert wie die meisten Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre die Ängste des frühen Atomzeitalters. Die mutierten Riesenameisen repräsentieren die Bedrohung radioaktiver Verseuchung, die von der Atombombe ausgeht. Die Monstren in Formicula sind ein direktes Produkt dieser Verseuchung; dadurch stehen sie mit der Bombe in unmittelbarem Zusammenhang, anders als in Panik in New York, wo die Atombombe lediglich eine eingefrorene Bestie freisetzt, das sowieso schon existierte. Gleichwohl ist es abwegig, in Formicula eine tiefer gehende Kritik an der atomaren Aufrüstung zu sehen. Der Film mahnt allenfalls zum wachsamen Umgang mit ihr. Allerdings: Indem der Film die Angst des Publikums anspricht und für sich nutzt, verfestigt er das Unbehagen. Die Gefahr wird nicht geleugnet. Und so bieten sich zumindest Ansatzpunkte einer weiteren kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Dr. Medford spricht am Ende das Menetekel aus: „Als der Mensch in das Atomzeitalter eintrat, öffnete er die Tür zu einer neuen Welt. Was er dort einst finden wird, kann niemand vorhersagen.“
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 13. Januar 2019
Szenenfotos © Warner Bros.