X the Unknown (GB 1956)
Regie: Leslie Norman
Drehbuch: Jimmy Sangster
Kamera: Gerald Gibbs. Schnitt: James Needs. Musik: James Bernard
Darsteller: Dean Jagger (Dr. Adam Royston), Leo McKern (Inspektor McGill), William Lucas (Peter Elliot), Edward Chapman (John Elliot), John Harvey (Lieutenant Corporal „Spider“ Webb), Jameson Clark (Jack Harding), Peter Hammond (Lieutenant Bannerman), Anthony Newley (Major Cartwright), Marianne Brauns (Krankenschwester Zena), Robert Bruce (Dr. Kelly) u. a.
Produzenten: Anthony Hinds; Michael Carreras (ausführender Produzent)
Companies: Hammer Film Productions; Exclusive Films (Verleih)
Laufzeit: 81 Minuten; Schwarzweiß
Premiere: 21. September 1956 (GB); Mai 1957; 22. Oktober 1957 (Deutschland)
Bei Truppenübungen im Hochmoor im Norden Schottlands werden die Soldaten Zeuge, wie plötzlich eine unterirdische Explosion einen Riss in der Erde auftut. Zwei Soldaten erleiden dabei schwere radioaktive Verbrennungen. Als der Wissenschaftler Dr. Royston hinzugezogen wird, der in einer Atomforschungsanlage in der Nähe beschäftigt ist, kann er sich zunächst keinen Reim auf die seltsamen Ereignisse machen.
Schon bald häufen sich weitere Vorfälle. Ein Junge stößt im Moor auf eine schreckliche Erscheinung, erleidet dabei radioaktive Verbrennungen und stirbt bald darauf im Krankenhaus. In Dr. Roystons Labor wird eingebrochen und radioaktives Material gestohlen. Dasselbe geschieht kurz darauf im Bezirkskrankenhaus. Ein Arzt, der das Geschehen beobachtet, wird ebenfalls verstrahlt, fällt tot zu Boden und zerfließt innerhalb von Sekunden. Inzwischen wurde mit Inspektor McGill auch ein Ermittler der Atombehörde mit der Aufklärung der Vorfälle beauftragt. Dr. Royston vermutet, dass ein radioaktives und gestaltwandlerisches Energiemonster, das seit grauer Vorzeit unter der Erdoberfläche lebt und sich von radioaktiver Energie ernährt, durch den Riss in der Erde freigesetzt worden ist. Während Dr. Roystons Vorgesetzter John Elliot diese Theorie für „ausgemachten Blödsinn“ hält, ist McGill gewillt, Dr. Royston zu glauben. Als bei einer Sondierung der Erdspalte einer der Atomwissenschaftler das Monster selbst zu Gesicht bekommt und weitere dramatische Ereignisse den Schluss nahelegen, dass das Monster sich auf den Weg zur Atomforschungsanlage befindet, werden Polizei und Armee alarmiert. Wird Dr. Roystons Forschungsprojekt, das eine elektromagnetische Waffe gegen das Monster liefern könnte, rechtzeitig zu einem rettenden Ergebnis gelangen?
Der erste Blob der Filmgeschichte
XX . . . Unbekannt ist ein nüchterner, mit nur wenigen Schockmomenten versehener Science-Fiction-Thriller der englischen Hammer Film Productions, der eine interessante Story mit interessanten Figuren zu erzählen weiß. Auch wenn die Inszenierung betulich ist, die Spannung sich auf mäßigem Niveau bewegt und das Monster und seine Auswirkungen mit haarsträubend groteskem science babble erklärt wird, gelingt es dem Film, durch seinen abgeklärten, realistischen Stil, seiner kontrastreichen Schwarzweiß-Kamera und seinen exzellenten Schauspielleistungen zu gefallen. Er zählt ohne Zweifel zu den gelungeneren Science-Fiction-Filmen, die in den Fünfzigerjahren in England entstanden sind. Überdies ist dieser Science-Fiction-Film der erste, der ein Monster vorzuweisen hat, das nur aus einem amorphen, gallertartigen Masseklumpen besteht – zwei Jahre vor Irvin S. Yeaworth Jr.s Blob – Schrecken ohne Namen (1958).
Nach dem großen kommerziellen Erfolg von Schock (The Quatermass Xperiment, 1955), dem ersten Science-Fiction-Film von Hammer, der auf handfestem Horror aufbaute, waren die Produzenten von Schock Anthony Hinds (1922–2013) und Michael Carreras (1927–1994) bestrebt, an ihren Hit anzuknüpfen und einen weiteren Quatermass-Film in ähnlicher Machart nachfolgen zu lassen. Beide besprachen gemeinsam mit dem Produktionsmanager Jimmy Sangster (1927–2011) das neue Projekt und legten grob die Story fest. Wie in Schock sollte die Hauptfigur, Professor Bernard Quatermass, den unerklärlichen Umtrieben eines mysteriösen Monsters auf die Spur kommen. Hinds fragte Nigel Kneale, den damals bei der BBC angestellten Autor der Quatermass-TV-Serie, auf der Schock basiert, ob er der Verwendung von Professor Quatermass in dem neuen Film zustimmen würde. Kneale jedoch lehnte ab. Ein paar Monate später wurde Hammer mit der BBC und Kneale dann doch noch über einen weiteren Quatermass-Film einig, für den Kneale eine bessere Bezahlung und eine stärkere Kontrolle über das Drehbuch zugesagt wurde. Das Resultat war der im Anschluss an XX . . . Unbekannt gedrehte, hervorragende Feinde aus dem Nichts (1957).
Für XX . . . Unbekannt schrieb Jimmy Sangster das Drehbuch. Es war sein erstes Drehbuch für einen abendfüllenden Spielfilm, nachdem er ein Jahr zuvor bereits für Hammer den Kurzfilm A Man on the Beach geschrieben hatte. Sangster erfand als Ersatz für die Figur des Bernard Quatermass kurzerhand den besonnenen, etwas weltabgewandten Wissenschaftler Dr. Adam Royston. Nach XX . . . Unbekannt verlegte sich Sangster ganz aufs Drehbuchschreiben und avancierte rasch zum wichtigsten Autor für Hammer. Für zahlreiche Horrorklassiker Hammers lieferte er die Skripte – unter anderem für Frankensteins Fluch (1957), Dracula (1958), Die Rache der Pharaonen (1959) oder auch Die Teufelswolke von Monteville (1958).
Dass XX . . . Unbekannt ein Rip-Off der Abenteuer von Bernard Quatermass darstellt, ist unverkennbar. Das „X“ im Filmtitel – ein plakativer Hinweis auf den „X“-zertifizierten, nicht jugendfreien Horror-Inhalt des Films – war schon in The Quatermass Xperiment ganz bewusst verwendet worden und ist auch in X the Unknown kein Zufall. Wie in den Quatermass-Produktionen steht auch hier mit Dr. Royston ein einzelgängerischer, etwas sonderbarer Wissenschaftler im Mittelpunkt der Handlung, der die seltsamen Geschehnisse um ein amorphes Monster aufklären muss. Wie Quatermass findet Royston Unterstützung bei einem Offiziellen – Inspektor McGill von der Atomaufsichtsbehörde – und muss sich auf der anderen Seite gegen einen engstirnigen Bürokraten durchsetzen – seinen Chef John Elliot –, der Roystons Theorien zunächst verspottet und erst viel später kleinlaut einräumen muss, dass er sich geirrt hat. Und wie Quatermass hat Royston es mit einem ausgesprochen originellen Monster zu tun.
Für XX . . . Unbekannt hatte Hammer zunächst den amerikanischen Regisseur Joseph Losey (1909–1984) verpflichtet, der Anfang der Fünfzigerjahre vor der Kommunistenhatz in Hollywood geflohen und zunächst nach Italien, dann nach England gegangen war. In beiden Ländern hatte er auch verschiedene Filme gedreht. Kurz vor Produktionsbeginn verließ Losey jedoch das Projekt – offiziell wegen einer Erkrankung, gerüchtehalber jedoch, weil der amerikanische Hauptdarsteller des Films Dean Jagger nicht mit einem Regisseur zusammenarbeiten wollte, der in den USA auf der berüchtigten Schwarzliste stand. Losey wurde vom Regisseur Leslie Norman (1911–1993) ersetzt, der mit XX . . . Unbekannt seinen einzigen Science-Fiction-Film drehte und danach auch nie wieder mit Hammer zusammenarbeitete. Hammers Kameratechniker Len Harris erzählte in einem Interview in Tom Johnson/Deborah Del Vecchio, Hammer Films: An Exhaustive Filmography (1996), dass Leslie Norman am Set sehr unbeliebt war, weil er ständig alles bemängelte, sehr harsch werden konnte und offenbar auch zu erkennen gab, dass er von dem Film insgesamt nicht viel hielt.
Über die Qualität von Normans Regiearbeit in XX . . . Unbekannt kann man geteilter Meinung sein. Bill Warren hält sie für „sehr gut“ und ergänzt: „Sie ist scharf, realistisch und sogar stilvoll“ (Keep Watching the Skies!, S. 918). Damit hat Warren in gewissen Grenzen durchaus recht, doch letztlich entlarvt sich meines Erachtens Normans Regie in weiten Teilen als uninteressierte Routine. Ihr „realistischer“, pseudo-dokumentarischer Stil, der damals in Schwarzweißfilmen in Mode war und hier kaum musikalisch untermalt wird, ist durchaus zu loben und wurde hier und da effektvoll mit etwas „gotischer“ Schauerromantik garniert. Ein Beispiel ist die Szene, in der der etwa zwölfjährige Willie im Dunkeln durch das Unterholz des schottischen Moors irrt und auf das lauernde Monster trifft. Ansonsten wirkt der Film jedoch zu distanziert, zu lakonisch und nimmt nur ein schleppendes, bestenfalls gemütliches Tempo auf. In mehreren Spannungs- und Actionszenen agieren die Darsteller viel zu steif – etwa wenn sie nach einer Explosion zu spät und unspektakulär zu Boden plumpsen. Symptomatisch für die dramaturgische Starre ist beispielsweise auch die völlig unspektakuläre Rettung des kleinen Mädchens, das von einem Priester vor dem herankriechenden Blob weggeschnappt und fortgetragen wird. In dieser Szene wirkt der Priester vollkommen ruhig, handelt ohne Eile, und es kommt nicht der Hauch von Spannung auf.
Jimmy Sangsters sanfter Wissenschaftler Dr. Royston unterscheidet sich stark vom störrischen, aufbrausenden und fast manisch besessenen Bernard Quatermass in Schock, den Brian Donlevy (1901–1972) brillant verkörpert hatte, und ähnelt damit viel mehr dem ruhigen und besonnenen Quatermass aus Nigel Kneales TV-Serie, damals dargestellt von Reginald Tate (1896–1955). Der Amerikaner Dean Jagger (1903–1991), Oscarpreisträger für die beste Nebenrolle in Der Kommandeur (1949), spielt Dr. Royston als versponnenen, etwas eigenbrötlerischen Humanisten. Ein auffälliges, etwas schrullig wirkendes Detail ist seine dunkle Strickmütze, die er im Freien zu tragen pflegt – fast so etwas wie Roystons „Markenzeichen“. Leo McKern (1920–2002) als unvoreingenommener Inspektor McGill ist überzeugend, während Edward Chapman (1901–1977) als engstirniger Bürokrat und Dr. Roystons Vorgesetzter John Elliot zu schablonenhaft agiert. Die übrigen Darsteller spielen ihre Rollen routiniert, ohne dabei jedoch besondere Akzente zu setzen. Es fehlt leider eine weibliche Hauptrolle – wodurch der karge Eindruck der Inszenierung erheblich verstärkt wird. Besondere Erwähnung verdient schließlich Anthony Newley (1931–1999), der einen der beiden Soldaten spielt, die auf dem Truppenübungsgelände den Riss im Erdboden bewachen. Hier noch völlig unbekannt, entwickelte sich Newley später zum erfolgreichen Schauspieler, professionellen Sänger und Komponisten. Unter anderem schrieb er den Text zum James-Bond-Song Goldfinger (1963), außerdem war er von 1963 bis 1971 mit Joan Collins verheiratet.
Radioaktiver Glibber!
Das Monster in XX . . . Unbekannt ist der erste „Blob“ der Kinogeschichte und dürfte vor allem vom amorphen Monster inspiriert gewesen sein, in das sich Victor Caroon am Ende von Schock verwandelt hat. Anders als das Monster aus Blob – Schrecken ohne Namen (1958) verschlingt es seine Opfer nicht, um sie in seiner eigenen Masse aufzulösen, sondern verbrennt sie mit extremer radioaktiver Strahlung. Die „wissenschaftliche“ Rationalisierung des Monsters, das aus einer mysteriösen Form von Energie bestehen soll und sich von radioaktiver Energie ernährt, ist haarsträubend albern, sodass das Monster im Ergebnis weitaus unglaubwürdiger wirkt als der rote Glibber, gegen den zwei Jahre später Steve McQueen und Aneta Corsaut in Irvin S. Yeaworth Jr.s Film zu kämpfen hatten. Dr. Royston stellt eine Theorie über intelligente Energiewesen auf, die sich vor Jahrmillionen ins Erdinnere zurückgezogen haben und immer dann, wenn bei Erdbeben der Boden aufreißt, an die Oberfläche zurückkehren, stets auf der Suche nach radioaktiver Nahrung. Dieses ausgefeilte, wilde Fantasiegebäude zimmert sich Dr. Royston buchstäblich aus dem Nichts zusammen, mehrfach bekräftigt mit der Bemerkung, dass die Theorie doch wohl durchaus zutreffen könne. Als Dr. Roystons unsympathischer Vorgesetzter John Elliot die spinnerten Ideen seines Untergebenen als „ausgemachten Blödsinn“ bezeichnet, ist man als Zuschauer nur zu gewillt, ihm beizupflichten, und der Film gibt sich hier ohne Not der Lächerlichkeit preis. Die Kritik richtet sich dabei nicht gegen die hübsche Science-Fiction-Idee eines radioaktiven Energiewesens an sich. Es ist vielmehr die hanebüchene Art und Weise, wie der Held des Films angeblich „wissenschaftlich“ argumentiert, ohne auch nur irgendwelche Anhaltspunkte für seine Theorie zu haben. So wird die Glaubwürdigkeit des Monsters eher untergraben, statt sie zu festigen. Auch stören im Zusammenhang mit dem Monster einige logische Ungereimtheiten. So werden manchmal die Opfer des Monsters nur relativ leicht von der Strahlung verbrannt, manchmal allerdings regelrecht zerschmolzen wie der Krankenhausarzt im Röntgenraum, in den das Monster eingedrungen ist. Das kleine Mädchen und der Priester, der es nur wenige Meter vom Monster entfernt rettet, erleiden dagegen überhaupt keine Strahlungsschäden.
Die Angst vor radioaktiver Verstrahlung war das bedrückende Menetekel des beginnenden Atomzeitalters und des Kalten Krieges. Sie wurde rasch zu einem Standardthema im Science-Fiction-Film der Fünfzigerjahre, und so verarbeitete auch Jimmy Sangster diese Angst in seinem Skript. Als der junge Willie an der Verstrahlung durch das Monster stirbt, glaubt sein Vater an einen Zusammenhang mit dem nahe gelegenen Atomforschungszentrum, in dem Dr. Royston arbeitet, und schleudert dem Physiker eine bittere Anklage der modernen Wissenschaften entgegen, die dem Menschen nur Unheil und Leid bringen würden. Auch diese Anklage ist ein Import aus Schock, wo in ähnlicher Manier Judith Caroon Professor Quatermass und seine Wissenschaft anklagt. In der Beschuldigung der Atomforschung wird das Thema der Angst vor radioaktiver Strahlung unmissverständlich betont, für die das Monster stellvertretend die Gegend unsicher macht. Anders als Quatermass verteidigt sich Royston nur schwach und scheint damit der Schuldzuweisungen ein Stück weit Geltung einzuräumen.
Die von Les Bowie, Jack Curtis und Vic Margutti ausgeführten Spezialeffekte und Miniaturen, mit denen das Monster und seine Umgebung realisiert wurden, sind recht simpel, aber durchaus ansehnlich und auch nicht schlechter als die Tricks in Blob – Schrecken ohne Namen. In einigen Einstellungen wurde für das Monster simpler Seifenschaum verwendet, sodass es leider in verschiedenen Szenen immer wieder etwas anders aussieht. Das Monster wird viel zu spät gezeigt und ist auch danach nur sehr selten zu sehen. Der Horror hält sich in Grenzen. „Schlamm“, meinte Bill Warren dazu, „selbst umherziehender Schlamm, ist nicht wirklich angsteinflößend“ (Skies, S. 917). Erst Chuck Russell gelang es, in seinem Remake Der Blob (1988) eindringlich zu demonstrieren, welch effektvoller Terror sich mit einem gesichtslosen Klumpen Glibbermasse erzeugen lässt.
Der gewiss spektakulärste Schockeffekt ist die Nahaufnahme vom Kopf des am Boden liegenden Arztes, dessen Fleisch unter der radioaktiven Strahlungshitze zerschmilzt und vom Schädel abfällt. Für diese Einstellung hatte der Makeup-Künstler Philip Leakey ein Wachsmodell vom Gesicht von Robert Bruce, dem Darsteller von Dr. Kelly, auf einen Schädel modelliert und in den Schädel Heizspiralen eingebaut, die das Wachsgesicht schmelzen ließen.
XX . . . Unbekannt hat sich in der älteren Science-Fiction-Kritik und unter Aficionados eine solide Reputation erworben – sicherlich zu Recht. Negativ hingegen schlagen seine knochentrockene, hölzerne Dramaturgie und seine allzu lächerliche Pseudo-Wissenschaftlichkeit zu Buche. Sehenswert und unterhaltsam ist der Film durchaus, allerdings reicht er nicht an Hammers brillante Quatermass-Klassiker Schock und Feinde aus dem Nichts heran.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 5. Oktober 2018
Szenenfotos © Hammer Film Productions