King of the Rocket Men

Kinoplakat zu dem Serial "King of the Rocket Men" (USA 1949) von Fred C. Bannon

King of the Rocket Men (USA 1949)

 

Kinoserial, 12 Episoden von jeweils etwas mehr als 13 Minuten (außer Chapter One: 20 Minuten), insgesamt 167 Minuten; Schwarzweiß

Regie: Fred C. Bannon

Drehbuch: Royal K. Cole, William Lively und Sol Shor

Kamera: Willis W. Carter. Schnitt: Cliff Bell Sr., Sam Starr

Musik: Stanley Wilson und Joseph Dublin

Darsteller: Tristram Coffin (Jeff King/Rocket Man), Mae Clarke (Glenda Thomas), Don Haggerty (Tony Dirken), House Peters Jr. (Burt Winslow), James Craven (Prof. Millard), I. Stanford Jolley (Prof. Bryant), Ted Adams (Martin Conway), Stanley Price (Gunther von Strum)

Produzent: Franklin Adreon. Company: Republic Pictures

Premiere: 8. Juni 1949 (USA); 27. März 1953 (Deutschland; als zweiteiliger Kinofilm Der König der Raketenmänner von 120 Minuten Länge)

 

Das privat finanzierte Forschungskonsortium “Science Associates”, das sich mit der Entwicklung von Raketen und neu­en Superwaffen beschäftigt, wird von teuflischen Anschlägen heimgesucht: Ein im Verborgenen agierender Super­schurke, der sich „Dr. Vulcan“ nennt, tötet einen Wissenschaftler nach dem anderen mit erzwungenen Flugzeugabstür­zen, Bombenanschlägen oder ferngesteuerten Autos, die er in tiefe Schluchten hinabstürzen lässt. Sein Ziel ist es, die wissenschaftlichen Errungenschaften der Science Associates an sich zu reißen, um mit ihnen die Welt erpressen zu können. Jeff King, Mitglied der Science Associates, versteckt seinen Freund Professor Millard in einer geheimen Höhle, in der auch ein Laboratorium untergebracht ist, nachdem Millard unbemerkt einen Bombenanschlag Dr. Vulcans über­lebt hat.

 

King und Millard erkennen bald, dass Dr. Vulcan selbst ein Mitglied der Science Associates sein muss. Millard übergibt King zu Testzwecken einen von ihm entwickelten Anzug mit einem atombetriebenen Raketenrucksack und einem ei­sernen Helm. Der Anzug befähigt einen Menschen, mit Überschallgeschwindigkeit durch die Luft zu fliegen. King ent­schließt sich, den Raketenanzug einzusetzen, um Dr. Vulcans Diebstähle und Anschläge zu vereiteln. Schon bei seinem ersten Einsatz muss King auf einem fahrenden Lastwagen gegen die Handlanger Dr. Vulcans kämpfen und anschlie­ßend den Einschlag einer gestohlenen, neu entwickelten Rakete inmitten von Los Angeles verhindern. Im letzten Mo­ment gelingt es ihm, die Rakete im Flug mit einer Strahlenwaffe abzuschießen. Während die Journalisten den ge­heimnisvollen fliegenden Kämpfer und Retter als „Rocket Man“ feiern, ist dieser fortwährend damit beschäftigt, Dr. Vulcans Pläne zu durchkreuzen. Seine Versuche, ihn zu enttarnen, schlagen jedoch alle fehl. Als es Dr. Vulcan gelingt, einen „Decimator“, eine von Prof. Millard entwickelte, extrem gefährliche Superwaffe, zu stehlen, will er mit ihr die Stadt New York um eine Milliarde Dollar erpressen. Als der Bürgermeister der Stadt die Zahlung verweigert, setzt Dr. Vulcan kaltblütig den Decimator ein: Die Strahlen der Waffe erzeugen ein schweres Seebeben, sodass eine gewaltige Flutwelle auf New York City zurollt . . .

 

Spaßiges Serial um einen fliegenden Raketenmann

 

Episodisch aufgebaute Fortsetzungsfilme, sogenannte “Serials”, erfreuten sich schon seit den Zehnerjahren großer Beliebtheit. Ihre große Blütezeit erlebten sie in den Dreißiger- und Vierzigerjahren. In der Regel umfasste ein Serial 12 oder 15 Folgen; die Länge der einzelnen Folgen variierte zwischen 10 und 20 Minuten. Serials waren stets sehr kosten­günstig produziert und liefen in den Kinos als Vorprogramm zu den abendfüllenden Hauptfilmen. Mit ihren dramati­schen “Cliffhangern”, bei denen am Ende jeder Episode der Held oder die Heldin in einer aussichtslos erscheinenden, lebensbedrohlichen Gefahr schwebte, schürten sie den Wunsch des Publikums, keinesfalls die Fortsetzung zu verpas­sen und in der Folgewoche wieder ins Kino zu gehen. Als Anfang der Fünfzigerjahre in den USA das Fernsehen die Wohnzimmer zu erobern begann, wurden die Serials sehr schnell von den TV-Serien abgelöst – die letzten Serials wurden 1955 produziert.

Publicity Shot zu dem Serial "King of the Rocket Men" (USA 1949) von Fred C. Bannon; Mae Clarke
Der Rocket Man und Mae Clarke als die Journalistin Glenda Thomas (Publicity Shot)

Ende der Vierzigerjahre befand sich das Format des Serials bereits im Niedergang. Manche Studios wie beispielsweise Universal stellten die Produktion von Serials ganz ein, andere wie das auf Serials spezialisierte Poverty-Row-Studio Re­public gaben immer weniger Geld für ihre Serials aus. Und dennoch wurden auch in dieser späten Phase des Formats noch bemerkenswerte Serials gedreht. Zu diesen zählt zweifellos die Republic-Produktion King of the Rocket Men. Nicht nur ist dieses Serial sorgfältiger hergestellt worden als viele konkurrierende Serienfilme. Es hat darüber hinaus ähnlich wie die Serials Flash Gordon (1936) und Buck Rogers (1939) einen Einfluss ausgeübt, der bis in unser modernes Blockbuster-Kino nachhallt. So ist der Held in Joe Johnstons munterem Abenteuerstreifen Rocketeer (1991) ein optisch fast bis ins letzte Knopfloch identischer Nachfahre des “Rocket Man”. Überdies dürfte der Rocket Man auch die in den Sechzigerjahren erfundene Comicfigur Iron Man gehörig inspiriert haben, die zentrale Figur der heutigen Marvel-Su­perheldenfilme.

 

King of the Rocket Men präsentiert sich zunächst einmal als ein typisches, simpel gestricktes Action- und Sci-Fi-Serial, wie es sie zuhauf in den Dreißigern und Vierzigern gab. Die vertrauten Zutaten sind ein unerschrockener Held, dem ein finsterer, mit allen Wassern gewaschener Superschurke gegenübersteht, und Wissenschaftler, die an fantastischen Strahlen- und Superwaffen tüfteln. Die Antagonisten versuchen, sich mit simplen Finten oder raffinierten technologi­schen Gimmicks – unter anderem einem “Thromium Detector” – zu überlisten, und die Maskierungen sowohl der Schurken als auch des Helden spielen eine große Rolle. Serialtypisch gibt es in jeder Episode kernige Faustkämpfe zwi­schen dem Held und seinen Widersachern und ein ständiges Hin und Her im „Punktestand“ des Katz-und-Maus-Spiels: Sobald der Schurke die Nase vorn hat, gelingt es dem Helden, die finsteren Pläne des Gegners erneut auszubremsen; oft genug muss jedoch auch der Held eine Schlappe hinnehmen. Damit entsteht eine extrem stereotypische, ja, bis­weilen ermüdende Erzählstruktur: Auf Beratschlagungen folgt die Ausführung des Vorhabens, dann die Konfronta­tion – oft angebahnt mit rasanten Autoverfolgungsjagden –, die schließlich zum Auftritt des Rocket Man und zum Faust­kampf führt. Die Faustkämpfe werden hier öfters auch mit lebhaften Schießereien erweitert, bei denen auch eini­ge Leichen auf der Strecke bleiben – Import aus den Western- und Crime-Thriller-Serials. Und natürlich fehlt in keiner Folge der Cliffhanger am Ende, der dann zu Beginn der nächsten Folge aufgelöst wird. In alledem entwickelt King of the Rocket Men ein flottes Erzähltempo und genügend Spannung, sodass die Show trotz aller Konventionalität durch­aus auch heute noch Spaß macht. Mein persönlicher Lieblingsdialog ereignet sich am Ende von Kapitel 11, als Dr. Vul­can Rocket Man gegenübersteht und sich endlich selbst enttarnt:

 

Rocket Man: “So you are Dr. Vulcan!”

Dr. Vulcan: “Yes – Dr. Vulcan. A bizarre name – but it’s what I stand for: power! Power of steel, forged into what I believe is right!”

Rocket Man: “Sure – the right of a criminal to steal! The right of a traitor to betray his country! The right of a warped mind that works towards the destruction of peace!”

 

Einige inhaltliche Merkwürdigkeiten lassen sich leicht verzeihen. So muss bei genauerem Hinsehen festge­stellt wer­den, dass der Rocket Man eigentlich ein ausgesprochen erfolgloser Superheld ist: Er kann nicht einen einzi­gen Mord an den Wissenschaftlern der Science Associates verhindern – selbst der von ihm vor Dr. Vulcan versteckte Professor Millard fällt in Kapitel 8 doch noch einem Angriff von Dr. Vulcans Handlangern zum Opfer –, und ebensowe­nig gelingt es ihm, die völlige Zerstörung New Yorks mit dem Decimator, der zuvor aus seiner Obhut (!) gestohlen wurde, zu ver­hindern. Rocket Mans finaler Kampf gegen Dr. Vulcan schließlich ist überflüssig, da die Luftwaffe Dr. Vul­cans Unter­schlupf bombardiert und der Superschurke erst durch den Bombenhagel ums Leben kommt. Auf der ande­ren Seite gibt es einige interessante Aspekte an diesem Superhelden. So ist er zunächst einmal wie Batman ein norma­ler Sterb­licher und damit verwundbar, sodass er sich bei jedem Einsatz in große Gefahren begibt. Seine Flüge und Kämpfe wir­ken dadurch nur noch tollkühner! Außerdem ist Rocket Man mehrmals auf die Hilfe seiner Freunde ange­wiesen, die ihm das Leben retten – auch das eher ungewöhnlich für einen Superhelden. So schlüpft einmal Professor Millard in die Rolle des Rocket Man, um seinen Freund Jeff aus der Patsche zu helfen; ein anderes Mal bewahren Jeffs Freunde Glen­da Thomas und Burt Winslow Jeff davor, von Dr. Vulcan in einem verriegelten, ferngesteuerten Taxi ver­gast zu werden.

Szenenfoto aus dem Serial "King of the Rocket Men" (USA 1949) von Fred C. Bannon; Dale van Sickel und House Peters Jr.
Rocket Man ist nicht Superman, und so muss er vor Dr. Vulcans Handlangern öfters auch klein beigeben (mit Waffe: Dale van Sickel; gefesselt: House Peters Jr.)

Etwas merkwürdig erscheint die Besetzung der Hauptrollen der Show. Der damals sehr populäre Western- und Action-Darsteller Tristram Coffin (1909–1990) war während der Dreharbeiten bereits 40 Jahre alt und wirkt als heldenhafter Rocket Man, der keine Schlägerei scheut, eigentlich viel zu gesetzt; andererseits wäre ein jugendlicher Held kaum als Top-Wissenschaftler der Science Associates glaubwürdig gewesen. Die damals nicht minder populäre Mae Clarke (1910–1992), die heute von Genrefans vor allem wegen ihrer Rolle in James Whales Frankenstein (1931) erinnert wird, wo sie Frankensteins Verlobte Elizabeth spielte, bekleidet hier die Rolle der Journalistin Glenda Thomas. Sie hilft des Öfteren Jeff King oder wird dann und wann auch eingesetzt, um die Handlung voranzutreiben, doch insgesamt ist ihr Part sehr gering und bleibt blass. Die meisten Kritiker finden lobende Worte für ihre Darstellung, doch meines Erach­tens ist sie als nosy girl reporter fehlbesetzt – sie wirkt arg trutschig und kann als Actionheldin kaum überzeugen.

 

Das sicherlich Bemerkenswerteste an King of the Rocket Men, dessen Produktion nur schlappe 165.000 Dollar gekostet hatte, ist die Tricktechnik für die Flugszenen des Rocket Man. Erstellt wurden die Tricks von den Brüdern Howard und Theodore Lydecker, die in den Dreißiger-, Vierziger- und Fünfzigerjahren zu den bedeutendsten Tricktechnikern Holly­woods zählten; zweimal (1941 und 1943) war Howard Lydecker sogar für den Oscar in der Kategorie „beste Spezialef­fekte“ nominiert. Die Lydeckers drehten die Flugszenen im Freien – auf dem Gelände der Iverson Movie Ranch im San-Fernando-Tal nordwestlich von Los Angeles, einer beliebten Gegend für Western- und Serial-Dreharbeiten. Dort ließen sie eine lebensgroße, starre Puppe des Rocket Man auf Rollen, die in der Puppe eingebaut waren, über ein geneigtes, straff gespanntes Kabel laufen, und nahmen die über das Kabel sausende Puppe aus niedrigen Kamerawinkeln auf. Um das Kabel zu kaschieren, wurde es himmelblau angemalt. In einigen Einstellungen läuft der Dummy sogar fast direkt auf die Kamera zu.

 

Dieses Verfahren, das die Lydeckers zuvor bereits für die Flugszenen im Serial Adventures of Captain Marvel (1941) ver­wendet hatten, mag aus heutiger Sicht simpel erscheinen, im Kontext der billig hergestellten Serials allerdings war der Effekt geradezu sensationell gut. Ein Jahr zuvor produzierte Sam Katzman für Columbia das Serial Superman (1948), und dessen „Spezialeffekte“ für die Flugszenen waren im Vergleich zu King of the Rocket Men erbärmlich schlecht: Wann immer Superman abhob und in den Himmel flog, wurde ein Zeichentrick-Superman in die Live-Action-Szene eingefügt. Auch die Flugszenen in der später produzierten TV-Serie Adventures of Superman (1952–58) können nicht mit Lydeckers fliegendem Rocket Man mithalten. Wenn der Rocket Man zum Flug ansetzte und hochsprang, benutzte der Stuntman ein vor der Kamera verborgenes Sprungbrett, und für seine Landungen sprang er einfach von oben oder von der Seite her ins Kamerabild. Die Flug-, Start- und Landeszenen des Raketenmannes wurden noch in drei weiteren Republic-Serials wiederverwendet: Radar Men from the Moon (1952), Zombies of the Stratosphere (1952) und Com­mando Cody: Sky Marshal of the Universe (1953). Die sensationellen Szenen von der Zerstörung New Yorks durch ein Erdbeben und eine Springflut, die im letzten Kapitel des Serials zu sehen sind, stammen hingegen aus dem RKO-Kata­strophenfilm Deluge (1933) von Felix E. Feist.

Szenenfoto aus dem Serial "King of the Rocket Men" (USA 1949) von Fred C. Bannon; Tristram Coffin
Tristram Coffin als Jeff King – in einer der Texttafeln, die die einzelnen Kapitel einleiten

Der frei fliegende Rocket Man muss damals eine ganze Generation von Kindern fasziniert haben. Noch heute kann man im Internet Erinnerungsberichte von Leuten finden, die als Kinder in Hinterhöfen oder heimischen Gärten die Abenteu­er des Rocket Man nachspielten und sich dafür eigene Raketenanzüge bastelten. Dabei durften auch nicht die Kon­trollknöpfe auf der Brust des Anzugs fehlen, mit denen der Rocket Man sein Fluggerät steuerte (ein höchst ausgefeil­tes System mit drei Drehreglern: einen für “Up/Down”, einen für “On/Off” und einen für die “Speed Control”). Und so mancher Knirps hat sich damals die Frage gestellt, wie wohl ein „König“ beschaffen sein mag, der über ein ganzes Heer von „Raketenmännern“ herrschte. Diese fantastische Vorstellung erfüllte das Serial freilich nicht, stattdessen gibt es nur einen einzigen Raketenmann, der zufällig mit Nachnamen King heißt. Der Grund für den seltsamen Titel des Se­rials ist anderswo zu finden: Republic hatte sich darauf verlegt, viele ihrer Serials “King of . . .” zu nennen, seit ihr Serial King of the Royal Mounted (1940) ein großer Erfolg gewesen war. Es folgten noch King of the Texas Rangers (1941), King of the Mounties (1942), King of the Forrest Rangers (1946) und schließlich King of the Carnival (1955) – Republics letztes Serial.

 

King of the Rocket Men startete im Juni 1949 in den amerikanischen Kinos, und im Juli 1951 wurde eine zusammenge­schnittene Featurefilm-Fassung von 65 Minuten Länge unter dem Titel Lost Planet Air Men veröffentlicht. In den Fünf-zigern und Sechzigern wurde das Serial noch oft in den Kinderprogrammen des amerikanischen Fernsehens wieder­holt. In Deutschland wurde das Serial in Form eines Zusammenschnitts von zwei Teilen à 60 Minuten unter dem Titel Der König der Raketenmänner in die Kinos gebracht; die beiden Teile tragen die Untertitel Das Geheimnis des Dr. Mor­gan und Entfesselte Kräfte. Die deutsche Fassung ist sehr sorgfältig synchronisiert (auch wenn Dr. Vulcan hier aus un­erfindlichen Gründen Dr. Morgan heißt) und 2013 in guter Bildqualität auf DVD erschienen. Interessanterweise ist sie auch in den Soundeffekten leicht verändert worden – so fehlt der Paukenschlag bei jedem Abheben des Raketenman­nes, und auch die Fluggeräusche sind anders. So gelungen die deutsche Fassung auch ist: Wer das typische Serial-Feeling mit den einführenden Texttafeln am Anfang und den Cliffhangern am Ende jeder Episode erleben will, sollte sich das Raketenmann-Spektakel im amerikanischen Original gönnen. King of the Rocket Men ist ein solides, peppiges Action-Abenteuer, das imaginativ zwar nicht an Flash Gordon oder Buck Rogers heranreicht, dennoch aber gut unter­hält.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 20. Juni 2018