Peter Osteried: Die Filme von Jack Arnold

Buchcover zu Peter Osteried: "Die Filme von Jack Arnold" (MPW-Verlag 2012); Covermotiv B

Peter Osteried: Die Filme von Jack Arnold. 2012 erschienen im Verlag Medien Publikations- und Werbegesellschaft GmbH, Hille (MPW). Mit einem Vorwort von Uwe Raum-Deinzer. Grafische Gestaltung des Buchs und des Umschlags von Frank Mertens. Großformatige, gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 402 Seiten.

 

Jack Arnold (1916–1992) ist für jeden Fan älterer Science-Fiction-Filme ein klingender Name. Der Regisseur hat in den Fünfzigerjahren für Universal-International und Paramount eine Reihe von wunderbaren, schwarzweißen Science-Fiction-Filmen ge­dreht, die mindestens zwei Generationen begeistert und fasziniert haben: Gefahr aus dem Weltall (1953), Der Schre­cken vom Amazonas (1954), Die Rache des Ungeheuers (1955), Tarantula (1955), Die unglaubliche Ge­schichte des Mr. C (1957), The Space Children (1958) und Der Schrecken schleicht durch die Nacht (1958). Dabei war Arnold gar nicht un­bedingt erpicht auf die fantastischen Filmstoffe; er war in seiner langen Karriere als Regisseur in fast allen Genres zu Hause. Er drehte die Stoffe, die ihm gegeben wurden, aber es gelang ihm stets, seinen fantasti­schen Filmen einen besonderen Look und eine besondere Atmosphäre zu geben, wodurch sie fast alle Genreklassiker wurden. Jack Arnolds Science-Fiction-Filme stechen fast alle aus der Masse der zeitgenössischen, durchschnittlichen B-Movies heraus.

 

Bücher über Jack Arnold in deutscher Sprache sind extrem rar. Lange Zeit gab es als einziges deutsches Werk nur das von Frank Schnelle herausgegebene Buch Hollywood Professional – Jack Arnold und seine Filme (1993), ein von ver­schiedenen Autoren verfasster Sammelband, der eher akademisch-filmwissenschaftlich gehalten ist, in den Argumen­tationen aber auch Schwächen aufweist und teilweise veraltet ist. 2012 hat der filmpublizistisch seit Jahrzehnten er­fahrene Autor Peter Osteried ein weiteres Buch über den beliebten Regisseur veröffentlicht: Die Filme von Jack Ar­nold. Das Ziel dieses Buchs ist ein ganz anderes als das von Schnelle herausgegebene Werk: Statt tiefschürfen­der filmtheoretischer Analysen will es sämtliche Spielfilme Jack Arnolds detailliert präsentieren und darüber hinaus auch einen Überblick über Jack Arnolds Schaffen als Fernseh-Regisseur geben.

 

Das Buch kommt überaus prachtvoll daher und bezeichnet sich selbst auf dem Schutzumschlag völlig zu Recht als „Luxusausgabe“. Es ist ein großformatiges, fest gebundenes Hardcover mit Schutzumschlag und 402 Hochglanzseiten, die überaus üppig bebildert sind. Das drucktechnisch erstklassig reproduzierte Bildmaterial besteht zum großen Teil aus Filmplakaten und Aushangfotos, die damals in deutschen Kinos der Werbung dienten, es gibt aber auch viele Szenenfotos, Publicity Shots, Fotografien von den Dreharbeiten, Fotos von den Stars der Filme und Reproduktionen von Storyboards. Als das Buch in einer exklusiven Auflage von nur 750 Exemplaren erschien, hatten die Käufer die Wahl zwischen zwei Covermotiven: Motiv A mit der Riesenspinne aus Tarantula (1955) und Motiv B mit dem Monster aus Der Schrecken vom Amazonas (1954) auf dem Buchdeckel. Inzwischen ist das Buch vergriffen und nur noch anti­quarisch zu horrenden Preisen zu bekommen.

 

Peter Osterieds Buch ist ein wunderbarer Wälzer, in dem der Aficionado nach Herzenslust blättern, schwelgen und viel Informatives lesen kann. Schon als Bildband allein wäre das Werk empfehlenswert, aber Osteried hat den präsen­tier­ten Filmen auch längere, sehr interessante Texte an die Seite gestellt, in denen der Autor eine Fülle an Informationen über die Entstehung der Filme zusammengetragen hat. Das Buch beginnt mit einem zehnseitigen biografischen Abriss von Jack Arnolds Leben und Filmschaffen. Der letzte Absatz dieses Kapitels stellt gewissermaßen einen Kommentar auf Schnelles filmwissenschaftliche Herangehensweise und die Kennzeichnung des Regisseurs als “Hollywood Profes­sional” dar. Mit ihm trifft Osteried den Nagel auf den Kopf:

 

[Jack Arnolds] Filme dienten ganzen Generationen von Filmemachern als Inspiration. Er erschuf Science-Fiction-Filme, die sich von dem Gros des Genres abheben – und auch in anderen Genres zeichnete Arnold für einige großartige Filme verantwortlich. Er war ein Handwerker, ein Routinier, ein Künstler und ein Filmemacher, der es verstand, Geschichten sauber und mit echtem Ge­spür für Atmosphäre zu erzählen. (S. 15)

 

Der Hauptteil des Buchs ist der Besprechung von Jack Arnolds Spielfilmen in der chronologischen Folge ihres Erschei­nens gewidmet, vom halbdokumentarischen With These Hands (1950) bis zu Arnolds letztem Film Per Saldo Mord (1976). Insgesamt sind hier 31 Filme versammelt, wobei Osteried selbst (auf S. 9) darauf hinweist, dass darunter vier Filme sind, mit denen Jack Arnold kaum etwas oder gar nichts zu tun hatte: Metaluna 4 antwortet nicht (1955; Arnold drehte vermutlich ein paar Effektszenen), Das Ungeheuer ist unter uns (1956; dritter Teil der Creature from the Black Lagoon-Trilogie, bei der nicht Arnold Regie führte), Der Flug zur Hölle (1957; Arnold sollte ursprünglich die Regie über­nehmen) und Das Geheimnis des steinernen Monsters (1957; es ist strittig, ob und wieviel Arnold zur Story dieses Films beigetragen hat).

 

Das Hauptinteresse Peter Osterieds als auch das seiner Leser gilt natürlich Jack Arnolds Science-Fiction-Filmen, die deshalb in dem Buch auch deutlich umfangreicher präsentiert und besprochen werden als Arnolds übrige Filme. Während With These Hands (1950) auf nur zwei Seiten und die übrigen Nicht-Sci-Fi-Filme auf durchschnittlich sechs bis acht Seiten besprochen werden, bringt es Der Schrecken vom Amazonas (1954) – für Osteried „Arnolds schönster Film“ (S. 82) – auf stolze 40 Seiten, gefolgt von Tarantula (1955) und Metaluna 4 antwortet nicht (1955) mit jeweils 22 Seiten. Gefahr aus dem Weltall (1953), Die Rache des Ungeheuers (1955) und Die unglaubliche Geschichte des Mr. C (1957) folgen mit jeweils 20 Seiten. Die übrigen fantastischen Filme erhalten jeweils mindestens 10 Seiten Platz.

 

Jede Filmbesprechung ist in drei Abschnitte unterteilt: Nach einem kurzen Abriss des Filminhalts folgen ein längerer Abschnitt „Hintergründe“, der die Produktionsgeschichte der Filme erzählt, und ein abschließender Abschnitt „Kom­mentar“, in dem Osteried die Filme subjektiv bewertet und ihre Stärken und Schwächen hervorhebt. Begleitet werden Osterieds Texte von Kästen, in denen die jeweiligen Stars, Produzenten, Autoren oder Musikkomponisten vorgestellt werden oder auf etwaige literarische Vorlagen, Sequels oder Comics zu den Filmen hingewiesen wird. So entsteht ein sehr umfangreiches und hoch informatives Kompendium zu Jack Arnolds Filmen, das auf jeden Fall den Dank an den Autor verdient hat.

 

Nach den Filmbesprechungen beleuchten zwei Seiten (S. 382 f.) Filmprojekte, die Jack Arnold zwar geplant hatte, aber nie verwirklichen konnte. Daran schließt sich ein längerer Abschnitt über das umfangreiche Schaffen Arnolds im Fern­sehen an, das trotz seiner relativen Kürze höchst interessant ist. So erfährt man hier beispielsweise, dass Jack Arnold unter anderem bei mehreren Folgen der TV-Serien Ihr Auftritt, Al Mundy (1968–1970), Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau (1976/77), Buck Rogers (1979–1981) oder Loveboat (1976–1990) Regie geführt hat. Ein Personenindex, ein Filmindex und eine Bibliografie beschließen das Buch.

Buchcover zu Peter Osteried: "Die Filme von Jack Arnold" (MPW-Verlag 2012); Covermotiv A
Covermotiv A des Buchs

Schon so manche Rezension hat das Buch als „oberflächlich“ bezeichnet, aber dieses harsche Urteil ist angesichts des beachtlichen Umfangs der kompetenten und umsichtigen Recherche für die einzelnen Filme in keiner Weise gerechtfertigt. Es ist wohl wahr, dass Peter Osteried sich ausschließ­lich auf bereits veröffentlichte Quellen stützt – was durchaus legitim ist – und daher mancher Kenner, der selbst schon tief in die Materie eingestie­gen ist, womöglich enttäuscht darüber ist, dass er nicht viel wesentlich Neues über die Filme erfährt. So kann auch Osteried nicht näher aufklären, welche Szenen von Metaluna 4 antwortet nicht Jack Arnold denn nun wirklich nachgedreht hat. Es ist von Arnold bekannt, dass er seine eigenen Anteile an den einzelnen Filmproduktionen in Interviews gern übertrieb, sodass auf seine eigenen Aussagen dazu nur bedingt Verlass ist. Ähnlich verhält es sich mit Das Geheimnis des steinernen Monsters, worüber seit Jahrzehnten die Kunde kursiert, dass die Story des Films von Jack Arnold und Robert M. Fresco stammen soll; Fresco hatte dies jedoch später Tom Weaver gegenüber dementiert, sowohl für sich selbst als auch für Arnold (vgl. S. 257). Da letztlich fast immer Interviews mit den Beteiligten an den Filmproduktionen, die oft erst Jahrzehnte später geführt wurden, die Primärquellen bilden, wird man mit den Unschär­fen leben müssen, die sich aus verzerrten Erinnerungen oder Übertreibungen ergeben.

 

Eine andere Tücke ist die mühsame Sichtung der Vielzahl an teils widersprüchlichen Quellen, wodurch sich fast zwangsläufig auch kleinere Fehler in die Darstellung einschleichen. So behauptet Osteried beispielsweise, dass der Produzent William Alland (1916–1997) das Mutantenmonster in Metaluna 4 nicht gemocht habe (vgl. S. 153), womit er Allands eigene Aussage über dieses Thema wiederholt. Zu der Zeit, als Alland dazu befragt wurde, distanzierten sich allerdings so gut wie alle an der Produktion Beteiligten, ob Schauspieler, Produzenten oder Autoren, von dem Mon­ster; sie hatten angeblich alle schon damals das Monster für fürchterlich campy gehalten. Es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass die Interviewten mit ihrer Ablehnung des Monsters eher der Erwartungshaltung des Interviewers entsprechen wollten. Mitte der Neunzigerjahre wurde nämlich Metaluna 4 als Paradebeispiel einer schlecht zusam­mengeschusterten Filmgurke hingestellt. Unterstützt wurde diese Ansicht durch das unerträgliche Machwerk Mystery Science Theater 3000 – The Movie (1996), das sich in fürchterlich dümmlicher Art und Weise über Metaluna 4 lustig machte. Der Drehbuchautor Franklin Coen erinnerte sich immerhin gänzlich anders und gab zu Protokoll, dass William Alland keineswegs das Monster ablehnte, sondern im Gegenteil regelrecht vernarrt in das Monsterkostüm war und mehrfach versuchte, Coen von dem Monster zu überzeugen (siehe dazu meine eigene Rezension zu Metaluna 4).

 

Andere Unschärfen und Fehler finden sich in der Produktionsgeschichte von Der Schrecken am Amazonas. So stimmt es zwar, dass William Alland die ursprüngliche Idee zu dem Film hatte, wobei er sich an ein Essen mit dem mexikani­schen Kameramann Gabriel Figueroa (1907–1997) und Orson Welles (1915–1985) erinnerte. Bei diesem denkwürdigen Dinner, das Anfang der Vierzigerjahre stattfand, sprach Figueroa allerdings nicht über die Entdeckung eines prähistori­schen Fischs, wie Osteried erzählt (S. 58), sondern – gemäß des Audiokommentars der DVD von Tom Weaver – über eine Legende von einem im Amazonas lebenden Wesen, halb Fisch, halb Mensch, dem die indigene Bevölkerung jähr­lich eine Jungfrau opfere. Figueroa soll damals sogar behauptet haben, dass er ein Foto von dem Fischmenschen be­sorgen könne!

 

Nach Osteried (S. 59) hat der Autor Maurice Zimm (1909–2005) im Dezember 1952 mit der Ausarbeitung eines Treat­ments begonnen und fast ein Jahr an einem Drehbuch getüftelt, bis im März 1953 (!) das unzufriedene Filmstudio die Arbeit am Drehbuch Arthur A. Ross (1920–2008) übertrug (S. 59 und 63). Die Daten können hier offenkundig nicht stim­men. Nach Tom Weavers Audiokommentar hatte Zimm sein Treatment bereits im Dezember 1952 fertiggestellt. Da­nach habe zwei Monate lang der Autor Leo Lieberman (1916–2000) an dem Skript herumgetüftelt, bis im März 1953 William Alland die Arbeit am Drehbuch Arthur A. Ross übergab.

 

Schließlich schwanken – wie so oft – die Angaben über die Budgets und Einnahmen des Films. Während Peter Oste­ried die Kosten des Films mit 800.000 Dollar angibt (S. 76), nennt Tom Weaver ein sicherlich glaubwürdigeres Budget von nur 463.000 Dollar. Beide sind sich einig darin, dass der Film mehr als drei Millionen Dollar eingespielt hat, doch finden sich in anderen Quellen auch Angaben von nur 1,3 bis 1,5 Millionen Dollar.

 

Fehler und Widersprüchlichkeiten wie diese sind jedoch zu relativieren. Ich möchte meinen, dass sie sich in so ziemlich jedem Filmbuch – auch filmwissenschaftlicher Art – finden lassen. Es überwiegen eine Fülle korrekter Fakten und die sehr detaillierten und umsichtigen Darstellungen der Produktionsgeschichten, die Peter Osteried in seinem Buch bie­tet, sodass das Werk nicht nur in Hinblick auf das exzellente und wunderschöne Bildmaterial, sondern auch hinsicht­lich der kompetenten und hoch informativen Texte für jeden Liebhaber der Filme von Jack Arnold einen Gewinn dar­stellt und vollauf zu empfehlen ist.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 30. April 2019